Die letzten Tage gehören dem Dschungel

Die letzten Tage gehören dem Dschungel

Dass Peru vielseitig und extrem abwechslungsreich ist, haben wir in den ersten zwei Wochen schon erlebt und gespürt. Während das Klima an der Küste vom kalten Humboldtstrom beeinflusst wird, herrscht auf der anderen Seite der Anden eher tropisches Klima. Wir kamen bei angenehmen sonnigen 22 Grad in Lima an, hatten über 30 Grad in der Wüstenoase bevor uns das gemäßigte Andenklima bei nächtlichen Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wieder einholte. Kaum auf der östlichen Seite des Gebirges angekommen fanden wir uns in tropischen Gefilden wieder, wo wir bei feuchtwarmen 29 Grad in der Sonne des Dschungels unsere letzten Tage verbringen werden. Im gesamten Land gibt es drei Klimazonen, das der Küste, der Anden und des Regenwaldes. Wir fühlen uns überall wohl und sind echt begeistert von den Möglichkeiten, die Peru bietet.

Nach dem Inka-Trail war unser ursprünglicher Plan, dass wir noch eine Nacht und einen Tag in Cusco verbringen und im Anschluss den Nachtbus nach Puerto Maldonado nehmen. Das bedeutete erst gute 1000 Höhenmeter hinauf und im Anschluss gleich wieder über 4000 nach unten. Die Fahrtzeit wäre um die 10 Stunden gewesen und wir hätten danach wahrscheinlich den zweiten Rückbildungskurs benötigt. Wir hörten, das die Strecke sehr schön sein soll und wollten uns die Landschaft eigentlich nicht entgehen lassen. So fragten wir bei einem der 3 Millionen Tourenveranstalter in der Stadt, ob wir für die Strecke in den Dschungel auch einen privaten Fahrer bekommen könnten, der das Ganze tagsüber mit uns fährt. Natürlich wurde uns auch ein Angebot gemacht, welches sich zudem preislich ganz moderat anhörte. Gesagt, kurz darüber nachgedacht, gebucht! Wir starteten am nächsten Morgen um 9 Uhr, wurden am Hotel abgeholt und rollten langsam aus der Stadt.

Bei der Buchung baten wir darum, dass der Fahrer zumindest ein paar Brocken Englisch spricht. Kein Problem, versprach das junge Verkaufstalent! Eine zweite Bitte war, aufgrund der schönen Orte links und rechts der Straße, dass er an ein oder zwei Stellen einfach kurz anhält und uns ein paar Worte dazu erzählt. Auch das wird sie organisieren, ist doch logisch! Und das Wichtigste… wir möchten bitte sicher ankommen, egal wie lange wir dafür unterwegs sind! Na das versteht sich doch von selbst, lächelt sie uns ins Gesicht.. und sollte irgendetwas sein, können wir sie jederzeit telefonisch erreichen.

In der Realität betrachtet, sah das Ganze dann so aus, dass

  1. der eigentlich beauftragte Fahrer die Tour wohl nicht machen wollte und wahrscheinlich (so reimen wir uns das zusammen, da zuerst noch ein Beifahrer da war, der dann ausgestiegen ist und zu uns sagte, dass sein Freund uns fährt) seinen Kumpel mit uns losschickte;
  2. unser Fahrer keinen blassen Schimmer von der Strecke hatte und wir somit auch (außer für Toilettengänge) nicht anhielten;
  3. er kein Wort Englisch sprach, was schön gewesen wäre, wir aber nicht wirklich erwartet hatten. Schließlich ist es unser Pech, wenn das Spanisch nicht das Beste ist;
  4. er gefahren ist, als wolle er aus den 10 Stunden nur fünf machen wollen und das auf Straßen, die wirklich nicht zum schnell fahren einladen;
  5. er irgendwann nach wenigen Stunden so müde war, dass uns „ein wenig“ Angst wurde!

Was war also bei all diesen Punkten unsere Konsequenz? Richtig! Für die Sicherheit aller Beteiligten fahren wir lieber selbst. So setzte sich also eine von uns ans Steuer und unser großartiger Fahrer schlief innerhalb weniger Minuten auf dem Beifahrersitz ein. Kann man machen ohne überhaupt einen Führerschein dabei zu haben! Aber das war selbst der Realistin in dem Moment egal, denn oberstes Ziel ist IMMER sicher anzukommen!

Die Situation, dass WIR nun unseren Fahrer nach Puerto Maldonado bringen, lief für etwa eine Stunde richtig gut. Die Straßen durch den beginnenden Regenwald sind super ausgebaut und kein Problem für uns… wäre da nicht diese kleine Panne eines LKWs im Beisein dieser peruanischen Polizeistreife gewesen. Leise fluchten wir mit Erkennen der Situation vor uns hin und beteten, dass die Polizisten anderweitig beschäftigt sind. Das war unsere tiefe, aber wahrscheinlich aussichtslose Hoffnung! Innerhalb weniger Sekunden sahen wir uns schon im peruanischen Gefängnis oder noch wahrscheinlicher, bei all der Korruption… mit leeren Konten und ohne jegliche Wertgegenstände. Wir näherten uns langsam dem kaum übersehbaren Polizei-Pickup. Es reichte bestimmt nur ein kurzer Blick, um zu erkennen, dass bei uns im Wagen etwas „komisch“ läuft. Eine fahrende Weiße und ein schlafender Peruaner. NA LOGISCH halten die uns an! Es war utopisch zu denken, dass das nicht passiert! Und so war es auch! Shit, shit, shit, haben wir gedacht! Bitte lass uns wenigstens einen der „Guten“ erwischen! Das soll wohl bei ungefähr 50% der Fall sein. Erst einmal stiegen wir alle in Ruhe aus… bloß nichts anmerken lassen! Auch der Polizist sprach kein Wort Englisch… ob das jetzt gut ist oder nicht, wußten wir noch nicht so richtig einzuordnen. Er gab uns zu verstehen, dass er den Führerschein der Fahrerin sehen will – logisch! Wir stellten uns dumm, kramten in unseren Sachen und gaben ihm den Reisepass – das einzige Dokument was wir mitführten! Den Rest lassen wir immer zu Hause, wenn wir es nicht brauchen. Immerhin hatten wir nicht vor, uns selbst ans Steuer zu setzen. Der Polizist blätterte wie wild im Reisepass, sprach nicht weiter mit uns und unterhielt sich mit dem Fahrer. Immernoch gingen wir gedanklich all die Dinge durch, die wir jetzt als „Strafe“ abtreten könnten… Aber vielleicht hat man uns angesehen, dass wir eh nix wertvolles im Gepäck mitführen… so ein dreckiger Rucksack erfüllt eben doch seinen Zweck 😉 oder wir haben tatsächlich einen der „guten“ Staatsdiener Perus erwischt… denn keine fünf Minuten später erhielten wir unseren Reisepass zurück und durften weiterfahren – jetzt aber wieder in der gewohnten Sitzordnung. Glück gehabt! Das Stündchen Ruhe verhalf unserem Fahrer außerdem zu neuen Kräften, sodass er uns gegen Abend am gewünschten Hotel absetzte. Wahrscheinlich waren wir alle froh, diesen Tag hinter uns gebracht zu haben!

„Aufregen ist was für Anfänger. Profis atmen erst einmal durch!“ 

Beim Blick aus unserem Hotelzimmer am nächsten Morgen konnten wir all das schon wieder vergessen. Wer ab und an reist, weiß ohnehin, dass man des Öfteren weit entfernt ist von dem, was in deutschen Köpfen erwartet wird! Also abhaken und weitermachen 😉 Denn die nächsten Tage gehören dem peruanischen Dschungel und uns! Ab jetzt heißt es ENTSPANNEN, STAUNEN & GENIESSEN. 

Zur Einstimmung in die, besonders nächtlichen, Gegebenheiten vor Ort starten wir mit einer kleinen „Jungle by night“-Tour. Denn sobald es dunkel wird, zeigen sich oft die Kreaturen, die wir eigentlich nicht sehen wollen 🙂 Unser Guide legt sich auf jeden Fall ins Zeug, dass auch wirklich die letzte Tarantel auch noch aus ihrem Loch kriecht!

Schon lange vor unserer Reise haben wir von einem Projekt in Peru gehört, welches sich um kranke, verwaiste oder misshandelte Tiere kümmert und versucht, diese auch wieder auszuwildern. Amazon Shelter ist der Name der Organisation, die in Puerto Maldonado ein riesiges Anwesen hat. Es war uns eine Herzensangelegenheit, dort zumindest einen unserer Tage zu verbringen. Seit über 15 Jahren kümmern sich die Gründerin Magali und ihr Team liebevoll um die Tiere. Während einer Führung erfahren wir viele kleine Geschichten rund um die Auffangstation und die Bewohner. Größtenteils finden wir hier Äffchen, deren Mütter getötet und gegessen wurden, Papageien, die als Haustiere gehalten wurden – typisch dafür sind gebrochene und gestutzte Flügel, sowie ein Faultier, welches aufgrund schlechter Haltung aus einem peruanischen Zoo gerettet wurde und ein Tapir mit ähnlichem Schicksal. Magali erklärt uns, wie schwierig und langwierig der Prozess des Freilassens rehabilitierter Tiere ist, denn das hat die Ausmaße deutscher Bürokratie. In der Realität läuft es wohl so, dass sogar der Staat die Tiere zum Amazon Shelter bringt, es jedoch keinerlei finanzielle Unterstützung dafür gibt und die Auswilderung teuer bezahlt werden muss. Dazu kommen Kosten für Futter, Medikamente und Tierärzte über mehrere Jahre, was ausschließlich aus Spenden finanziert werden muss.

Für einen Tag sind wir Teil des Teams und packen mit an. Ställe ausmisten, Essen vorbereiten, putzen, füttern und kleine Streicheleinheiten verschenken… so sieht ein Tag im Amazon Shelter aus 🙂

 Das Amazonasgebiet in Peru wird auch als „grünes Juwel“ bezeichnet. Aufgrund der Erklärung eines Großteils der Fläche zum Nationalpark ist hier vieles noch so wie es sein sollte. Natürlich gibt es auch hier Wilderei, Rodung und Verschmutzung der Flüsse durch den nach wie vor anhaltenden Mythos des großen Goldfundes… aber wir erkennen zumindest den Versuch, vieles schützen zu wollen. Geprägt ist das gesamte Gebiet von Urwäldern, Feuchtsavannen, Flüssen, Seen und einer großen Artenvielfalt. Die Fortbewegung erfolgt hier auf dem Wasser. Mit einem kleinen Motorboot geht’s auch für uns durch den Regenwald.

Mit diesen Eindrücken aus dem Dschungel Perus lassen wir das wundervolle Abenteuer langsam ausklingen. Und wieder stellen wir fest… 3 Wochen sind einfach viel zu kurz! Dafür, dass wir uns vorgenommen hatten, eigentlich nicht ganz so viel unterwegs zu sein, sind unsere Köpfe wieder gut gefüllt mit tollen Erlebnissen und einmaligen Bildern.

Peru hat es geschafft, uns letztendlich zu überzeugen – aus den anfänglichen Ängsten wurde eine respektvolle aber unbeschwerte Reise durch den Süden des Landes. Wir haben es geschafft, unsere Komfortzone das ein oder andere Mal zu verlassen. Zurück auf den Boden der Tatsachen, den Kampf mit dem eigenen Körper und den Gewohnheiten aufzunehmen gehört für uns zu jeder Reise. Wir suchen die Abwechslung, die Herausforderung und vor allem die Momente zum Wohlfühlen – denn auch das gehört unbedingt dazu 🙂

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Lima heißt es Abschied nehmen von unserer ersten Südamerika-Tour… die mit Sicherheit nicht die Letzte gewesen sein wird 🙂

 

…über dem Amazonasgebiet

 

Lima

 

Ceviche – das National- und unser Lieblingsgericht

 

Auf dem Weg in die Heimat…

Manchmal ist der Weg das Ziel…

Manchmal ist der Weg das Ziel…

Wir sind sprachlos, beeindruckt, glücklich, zufrieden, stolz und völlig fertig! Noch immer fehlen uns komplett die Worte, um alle Eindrücke der vergangenen Tage nur annähernd beschreiben zu können. Auf den Spuren der Inka durften wir in eine bezaubernde, für uns teilweise völlig surreale und mystische Welt eintauchen. Eine Welt, die so groß und atemberaubend ist, dass diese Zeilen dem nicht einmal annähernd gerecht werden könnten. Wir hatten Angst und Respekt. Wir waren aufgeregt und ahnten nicht im Entferntesten, was uns erwartet. Wir haben in der Sonne geschwitzt, in über 4000 Metern um Luft gerungen und im Regen gefroren. Wir kämpften mit dem Muskelkater unseres Lebens und haben uns nicht nur einmal gefragt, was wir hier eigentlich gerade machen?

Gemütlich zu Hause auf dem Sofa sitzen und eine Reise planen war schon immer einfach für uns. In der Theorie passen unsere Pläne jedes Mal super zusammen und ergeben Sinn. Mit ein bis zwei Weinchen in der Feierabend-Laune ist auch der Inka-Trail mit wenigen Klicks problemlos gebucht. Ein paar Tage in den Bergen wandern und im Zelt schlafen – das hörte sich nach einem perfekten neuen Abenteuer für uns an. Wenn andere das können, warum wir eigentlich nicht? Eine hat die Idee und die Andere setzt diese um, wie es eben immer bei unseren Reiseplänen läuft 🙂 Auch wenn die Realistin die Träumerin fragt, ob sie sich des Ausmaßes dessen bewusst ist und leichte Zweifel aufkommen, wird der ganzen Sache mit den Worten „wird schon alles klappen“ begegnet. Heute wissen wir, dass der Inka-Trail wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen in Peru ist… und für uns auch definitiv war! Der Camino Inka, 45 Kilometer durch die Anden, größtenteils auf den Originalpfaden der Inka. Ein unvergessliches Abenteuer entlang steiler Pässe, tropischer Wälder, schneebedeckter Gipfel und abgelegener Inka-Ruinen.

Auch als königlicher Pfad bezeichnet, zählt der gesamte Trail zu den ältesten Wanderwegen der Welt. Das historische Heiligtum Perus zieht bis heute unzählige Touristen nach Südamerika. Erst im Jahr 1942 wurde das bis heute bekannteste Straßensystem der Inka, der Weg vom Ufer des Rio Urubamba nach Machu Picchu, von einer schwedischen Expedition wiederentdeckt und im Anschluss schrittweise freigelegt. Die Peruaner verehren und schätzen ihre Wurzeln. Die Göttin Pachamama „Mutter Erde“ schenkt, nährt und schützt unser aller Leben. Sie ist die Vermittlerin zwischen Ober- und Unterwelt und wird durch die Ethnie der Quechua (Menschen, die Quechua sprechen und deren Wurzeln in Teilen aus der Inka-Kultur stammen) als Hoffnung auf ein umfassenderes Leben angesehen. Sie gilt es, zu erhalten und immer mit Bedacht sowie Respekt zu behandeln. Der Glaube an die Natur ist im Reich der Inka bedeutender denn je und wird uns von Beginn an vermittelt.

Doch wir möchten uns selbst ein Bild machen, wollen die Faszination der Inka und der Anden verstehen und eine für uns neue Welt entdecken. Natürlich könnten wir dafür auch die bequeme Variante wählen und uns per Zug und Bus innerhalb weniger Stunden der heiligsten aller Inka-Bauten nähern, aber warum denn einfach… wenn Machu Picchu auch durch eine mehrtägige Wanderung erreicht werden kann. Der viertägige Inka-Trail ist grundsätzlich nur über eine Agentur buch- und auch durchführbar. Die Besucherzahlen unterliegen strengen Kontrollen, sind auf 500 Tickets pro Tag reduziert und ein Guide pro Gruppe ist zwingend erforderlich. Wir haben uns aufgrund der guten Rezensionen letztlich für einen Anbieter namens TreXperience entschieden. In einem Briefing am Vorabend des Starts wurde uns alles noch einmal ausführlich erklärt. Wann starten wir, wie lang und anstrengend sind die Etappen, wo schlafen wir und was passiert wann und wo. Während des ersten Treffens lernten wir auch unsere zwei Guides kennen. Das ist zum einen Eddy, ein studierter Historiker, der das Mysterium und die Götter rund um die Inka lebt, verehrt und es immer wieder schaffen wird, uns mitzureißen. Und zum anderen Soledad, kurz Sol, eine studierte Biologin, die im Reich der Tier- und Pflanzenwelt aufgeht, die kleinsten wilden Orchideen und Käfer entdeckt und die Gruppe zusammenhält. Außerdem trafen wir das erste Mal auf unsere acht „Mitstreiter“… drei Engländer, zwei Portugiesen, ein Schweizer, ein Israeli und eine Peruanerin. Kleiner unerheblicher Fakt am Rande… was in die Kategorie „unnützes Wissen“ fällt und kein Gewicht haben sollte… wir sind mit einem Abstand von 10 Jahren die Ältesten!!! 🙂 Wir müssen zugeben, unsere stille Hoffnung war, in einer Gruppe älterer, gemütlicher Wanderer zu landen – sodass wir uns etwas besser fühlen konnten und nicht bangen mussten, den jungen Hüpfern ständig hinterherzulaufen. Aus der Traum… so waren wir nicht die Chicas, sondern die Senoritas – eine weitere schmerzhafte Erfahrung, welche uns in die Realität zurückholte 😉

Mit dem ganzen Wissen über die kommenden vier Tage und unseren Duffle bags (Taschen, in welche wir 7kg unserer persönlichen Gegenstände packen dürfen, die durch die Träger getragen werden) in der Hand laufen wir zurück ins Hotel und fühlen uns ehrlicherweise nicht wirklich wohl dabei. Auch beim Packen unserer sieben Sachen gehen uns die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Wir versuchen uns zu sammeln und an alles, was in den nächsten vier Tagen wichtig sein könnte, zu denken.

Mehrfach haben wir uns an diesem Vorabend gefragt, ob wir das wirklich wollen und vor allem auch können?! Es ist eben nicht „einfach mal gemütlich in den Bergen wandern und zelten“. Die Nacht war dementsprechend grausam. Der Wecker klingelte um 03:15 Uhr. Kaum geschlafen und mit einem flauen Gefühl im Magen starteten wir trotzdem irgendwie in das Abenteuer Inka-Trail. Wir wollten es nach wie vor beide! Das war und ist immer unsere Prämisse! Nach einer letzten heißen, ausführlichen Dusche wurden wir gegen 04:15 Uhr am Hotel eingesammelt. Zwanzig Jahre früher hätten wir uns wahrscheinlich überhaupt keine Gedanken über irgendetwas gemacht, aber die Angst schwingt mit zunehmenden Alter mehr mit, als wir dachten. Tausend Gedanken gehen uns durch den Kopf… was um Himmels Willen alles passieren kann!!! Was wenn wir krank werden, wenn wir die Höhe nicht vertragen, wenn wir zurück müssen, wenn … sonst irgendetwas passiert! Keine will die Andere beunruhigen, also behält jeder den Großteil seiner Hirngespinste erst einmal für sich… obwohl ohnehin jede weiß, was die andere denkt!

„Die schwersten Lasten, die wir tragen, sind die Gedanken in unserem Kopf.“

Nach einer zweistündigen Busfahrt sind wir fast am Startpunkt des Inka-Trails, dem Kilometer 82, angekommen. Während die Eine kreidebleich schon die erste Tablette gegen Übelkeit genommen hat, versucht die andere Hälfte von uns so zu tun, als wäre alles halb so schlimm. Immer wieder reden wir uns gut zu. Es kann doch eigentlich nichts passieren! Unsere Guides sind immer für uns da, kennen wahrscheinlich schon sämtliche Wehwehchen, wissen mit den häufigsten Problemen umzugehen, haben sogar Sauerstoff für den Notfall dabei und sind bestens vorbereitet. Also Schluss jetzt mit dem Gezeter!!! Wir wollten das so und jetzt ziehen wir das auch durch… gemeinsam! Das Leben ist zu kurz für Irgendwann! Wir sind nicht allein und werden auch diesen Weg gemeinsam schaffen! Also ganz ehrlich… so viel Mut haben wir uns wahrscheinlich noch nie zusprechen müssen… aber irgendwann funktionierte auch das 🙂 Nach dem ersten Frühstück mit unserer Gruppe werden wir ein wenig entspannter. Die schlaflose Nacht wird so langsam verdaut und wir blicken nach vorn. Auf geht’s… in eines der besten und atemberaubendsten Abenteuer in Peru!

Am ersten Tag liegen etwa 14 Kilometer vor uns. Alles beginnt recht entspannt. Wir machen viele Pausen, in welchen uns Eddy und Sol die Magie des Inkareiches vermitteln. Um dem gewappnet zu sein und als Heldinnen zu starten, bekommen wir eine kleines Kunstwerk ins Gesicht. Die Farbe stammt aus dem Blut eines am Kaktus lebenden Käfers vermischt mit Limettensaft. VAMOS!

Irgendwann verfliegen unsere Ängste und wir beginnen alles um uns herum zu genießen. Wir haben so gehofft, dass dieser Moment kommt! Die Landschaft ist zu schön, um sich irgendwelche negativen Gedanken zu machen. Vielleicht waren es auch Eddy und Sol, die uns mit ihrer wirklich emotionalen Sicht auf die Dinge des Lebens und dem Gefühl einer gewissen Geborgenheit ein Stück Vertrauen und Sicherheit gegeben haben… oder einfach die Magie des Inka-Trails. Die Landschaft ist so schön, dass wir uns kaum satt sehen können.

Zu unserem gesamten Team gehören im Übrigen nicht nur wir zehn Teilnehmer und die zwei Guides, sondern noch 20 weitere Personen! Davon sind 17 Träger, von denen jeder ungefähr 23 Kilogramm unseres Equipments plus eigene, persönliche Dinge auf dem Rücken trägt, zwei Köche und ein Kellner! Nicht einmal im Ansatz hätten wir mit so einem Aufgebot gerechnet! Die Träger oder auch „Porter“ genannt, gehen den gleichen Weg wie wir, sind mitunter fast doppelt so alt (auch doppelt so schnell) und haben vom Gasherd über Zelte, einer Campingtoilette, Tische und Stühle bis hin zu unseren Schlafsäcken, Matratzen und persönlichen Sachen alles auf dem Rücken. Das ist wirklich verrückt und jeder davon bekam in jeder einzelnen Minute unseren vollen Respekt! Jedesmal, wenn die Jungs uns an der steilsten Passage überholten, schüttelten wir vor Anerkennung nur mit dem Kopf. Glücklicherweise gibt es mittlerweile eine gesetzliche Grundlage, die besagt, dass maximal 23 Kilogramm getragen werden dürfen. Früher waren es wohl mitunter 40 Kilo und mehr! Ob sich jede Agentur daran hält, ist fraglich… zumindest wurde es tatsächlich an einem der Checkpoints auf ungefähr der Hälfte des Weges kontrolliert.

Das gesamte Team überrascht uns nicht nur mit dem, was sie körperlich leisten, sondern auch mit dem, was sie logistisch und besonders kulinarisch zaubern. Wir haben keine Ahnung wie das alles funktioniert… der absolute Wahnsinn mitten im Nirgendwo!

„Machu Picchu ist unser ganzer Stolz. Erbaut von unseren Urahnen – deshalb fühlen wir uns wie sie: stark und in der Lage, alles zu schaffen.“ (Gepäckträgerin auf dem Inka-Trail)

Was wir bis dahin nicht wußten, ist, dass allen Trägerinnen und Trägern der Zugang zu Machu Picchu verwehrt wird. Sie dürfen all das Gepäck ganze vier Tage tragen, sich um all unsere Belange kümmern und kurz vor den Toren Machu Picchus trennen sich die Wege. Aufgrund der Überfüllung dürfen nur noch Touristen die heilige Inka-Stätte betreten. Wir müssen zugeben, dass wir uns mit diesem Gedanken sehr schlecht anfreunden können. Diese Unterschiede sind schwer zu ertragen. Natürlich wollen wir das alles sehen und erleben… aber dass die Abgrenzung zwischen Einheimischen und den zahlenden Touristen so krass gelebt wird, wußten wir nicht. Und trotzdem hat jeder der Porter immer ein Lächeln im Gesicht. Im Vorbeigehen kommt ein freundliches „Hola“, „Buenos Dias“ oder „Vamos“. Es wird sogar für uns geklatscht beim Erreichen jeder Etappe – was das ganze noch unangenehmer macht, da eigentlich wir diejenigen sein müssten, die für die Träger applaudieren! Letztendlich ist das eine andere Welt und wir können die Situation nicht ändern. Der Job als Porter verspricht eine sichere Zukunft. Viele verdienen hier mehr als der Rest der Peruaner. So können wir nur hoffen, dass ein fairer Teil des Geldes bei den Trägerinnen und Trägern ankommt. Einige der Porter hoffen auf einen „Aufstieg“ als Touristenführer… so können auch sie irgendwann die legendäre Inka-Stätte, zusammen mit den Touristen besuchen.

Was das ganze Team leistete, ist unbeschreiblich. Es wurde gekocht, gebraten und gebacken. Auf unserem Tisch landeten echte, einmalige Kunstwerke! Aus einem einfachen Zelt, welches als Küche diente, kreierte unser Koch Julio Cesar (dem man einen Bekanntheitsgrad weit über den Inka-Trail hinaus zusagte), wahre Geschmackserlebnisse! Alle Beteiligten gaben auf jeden Fall immer ihr Bestes, um die Strapazen des Tages komplett verschwinden zu lassen.

Nach den ersten 14 Kilometern erreichen wir gegen 17 Uhr unseren ersten Schlafplatz. Wir fühlen uns gut, sind zufrieden und insgeheim auch ein klein wenig stolz 🙂 Der innere Schweinehund und sämtliche Ängste sind auf der Strecke geblieben. Wir sind angekommen auf dem Camino Inka und bereit für die nächsten Etappen. Die Zelte sind aufgebaut, die Schlafsäcke liegen bereit und wir müssen nichts mehr tun, außer uns wohlfühlen und entspannen. Wir bekommen eine Schüssel warmes Wasser ans Zelt gestellt und irgendwie fühlt sich jeder, zu jederzeit für uns verantwortlich. Schon fast unangenehm kommt es uns vor, so behandelt zu werden. Keinen Handschlag durften wir selbst übernehmen. So läuft das hier auf dem Inka-Trail… wurde uns erklärt. Das ist der Job des gesamten Teams um uns herum, womit wir uns abfinden sollten. So gaben wir uns dem wohl oder übel hin, genossen den Abend und schliefen die erste Nacht, fest eingepackt in unseren Schlafsäcken, wie zwei kleine Babys, tatsächlich richtig gut.

Unsere erste Nacht endete um 5 Uhr. Das „Ritual des Weckens“ begann mit einem leichten Kratzen am Zelt und einem sanften „Good Morning“. Sol stand zu diesem Zeitpunkt bereits mit zwei Tassen heißem Coca-Tee vor unserem Zelt. Einen besseren Start in den Tag konnte es für uns in diesem Moment kaum geben. Um die Coca-Pflanze ranken sich zahlreiche Mythen. Sie ist der Grundstein für die Droge, hat jedoch im ursprünglichen Zustand eher wenig mit dem berauschenden Mittel zu tun. Coca in Form von Tee oder auch Bonbons hilft vielmehr gegen Müdigkeit, Kälte und die Höhenkrankheit, da sie die Atemfrequenz und somit die Sauerstoffaufnahme in das Blut erhöhen kann. Dankend nehmen wir die zwei Tassen entgegen, ziehen uns für weitere zehn Minuten in unser kleines kuschliges Zuhause zurück und werden langsam munter. Der Coca-Tee erinnert etwas an eine Mischung aus Kräuter- und schwarzem Tee, trifft unseren Geschmack und hilft uns, in den Tag zu starten.

Der Tee „Mate de Coca“ gilt in vielen Andenregionen, nicht zuletzt aufgrund seiner Wirkung in Höhen über 3000 Meter, als Nationalgetränk. Die Herstellung des Getränks wird staatlich gefördert. Abgepackt in Teebeuteln wird er in vielen Supermärkten angeboten. In Deutschland unterliegt die Coca-Pflanze dem Betäubungsmittelgesetz, wodurch Einfuhr und Besitz strafbar sind. Egal ob Blätter in ihrer Ursprungsform, Kekse oder Bonbons – das Mitbringen als Souvenir sollten wir auf jeden Fall unterlassen 😉

Der zweite Tag wurde uns als „Challenge Day“, also Tag der Herausforderung, angekündigt. Vor uns liegen 16 Kilometer. Was sich erstmal nicht ganz so schlimm anhört, wird im Laufe des Tages der anstrengendste Trek, welchen wir jemals gelaufen sind. Es geht zweimal knapp über 4000 Meter. 1100 Höhenmeter hinauf, wieder runter, wieder hoch und wieder runter… Warum wir das machen? Keine Ahnung… aber ihr könnt uns glauben, das fragen wir uns an diesem Tag sehr, sehr oft 🙂 Die höchste Stelle der heutigen Tour nennt jeder „Dead Woman’s Pass“ – was uns nicht wirklich als Motivation dient. Aber wir gehen es an und starten nach einem exzellenten Frühstück aus der Zauberküche Julio Cesars gut gestärkt in den Tag.

Nach reichlichen vier Stunden erreicht unsere Gruppe den ersten Pass auf über 4200 Metern. Wir spüren, dass die Luft hier irgendwie knapper wird. Die Anstrengung ist durch den fehlenden Sauerstoff um einiges höher als in tieferen Regionen. Trotzdem fühlen wir uns gut, lutschen fleißig unsere Coca-Bonbons und sind…überrascht von uns selbst… als Senoritas NICHT die Letzten! Da hat man uns wohl mit dem Spitznamen unterschätzt 😉 Wir reihen uns immer schön in der Mitte ein, gehen unser eigenes Tempo, haben unsere Ruhe und lassen dabei meist noch drei bis vier Leute hinter uns. Von Beginn an wurde durch Eddy und Sol festgelegt, dass jeder nur so schnell läuft, wie es die eigene Kondition zulässt. Einer der Guides lief immer vorn und der andere war das Schlusslicht. Manchmal kamen wir mit bis zu einer Stunde Unterschied an den verschiedenen Etappen an. Niemand versteht das hier als Wettbewerb – höchsten als einen mit sich selbst. Jeder war glücklich über die Leistung der Anderen und am Ende des Tages waren alle einfach nur stolz.

Das Wetter in den Bergen ist oft unberechenbar. Als wir den ersten Pass überquert hatten, zogen dunkle Wolken auf und es begann irgendwann zu regnen. Die typische Vegetation veränderte sich langsam zum Regenwald, oder auch „Cloud Forest“, wie es hier genannt wird. Das Klima wird feuchter und auch kühler. Ganz ehrlich, wir hätten diese Art der Landschaft niemals in den Anden erwartet! Machmal waren wir umgeben von Kolibris, Schmetterlingen und den buntesten Orchideen und Moosen. Vielleicht sind wir auch zu blauäugig gewesen, aber vieles übertraf unsere Vorstellungen bei Weitem!

Die Landschaft ließ uns so manchen Schmerz vergessen, trotzdem ging der zweite Tag keineswegs spurlos an uns vorbei. Die Schenkel brannten vom ständigen auf und ab, die Knie schmerzten von den zahlreichen Stufen und der Kopf drückte vom fehlenden Sauerstoff in dieser Höhe. In Anbetracht dessen, dass es Einen unserer Gruppe in der Nacht zuvor mit einem ziemlich miesen Magen-Darm-Infekt erwischt hatte, waren unsere kleinen Wehwehchen jedoch gar nichts dagegen. Marco, so heißt der junge Schweizer hat sich tatsächlich, unter dem Verlust sämtlicher Körperflüssigkeiten, durch den anstrengendsten aller Tage gekämpft. Also wollen wir hier keineswegs lamentieren, denn er war der wirkliche Held des Tages! Oft haben wir uns jedoch gefragt, was wohl passiert, wenn jemand von uns gar nicht mehr weiterlaufen kann… In einem solchen Fall, so wurden wir durch Eddy zumindest in Sicherheit gewogen, könne er jederzeit einen Helikopter rufen – eine andere Möglichkeit gibt es hier draußen nicht… wirklich beruhigend 🙂

Eine gute Freundin von uns sagt immer… wenn du dich nicht gut fühlst, erschöpft oder krank bist… ein Fußbad hilft immer! Diesen Ratschlag nehmen wir nach unserem Challenge-Day doch gern an 🙂 Besser hätten sich unsere Füße und unser Gemüt in diesem Moment wirklich nicht erholen können. Und auch in dieser Nacht schlafen wir, trotz der Hüftschmerzen vom steinigen Untergrund (die Seiten sind schon etwas blau), ziemlich gut. Erschöpft vom Tag, sind die Abende meist nicht allzu lang. Die Zeltplätze sind gespenstig still. Oft hören wir nur das Zirpen der Grillen oder Gezwitscher der Vögel. Der Himmel ist bei klarer Sicht der absolute Wahnsinn und die deutliche sichtbare Milchstraße zeigt uns, dass wir fernab der Zivilisation sind.

„Ich kenne keinen anderen Ort auf der Welt, der sich hinsichtlich der Vielfalt seiner Reize und der Kraft seines Zaubers mit diesem vergleichen ließe.“ (Hiram Bingham, einer der Entdecker von Machu Picchu, 1911)

Am nächsten Morgen verzieht sich der Nebel nach und nach. Heute haben wir einen kurzen und entspannten Tag vor uns. Das „Schlimmste“ liegt nun hinter uns und wir können die kommenden Etappen gemütlich angehen. All die Sorgen waren so unbegründet und wir sind einfach nur glücklich so unbeschwert, natürlich mit einem Coca-Tee, in den Tag starten zu können. Ungefähr 10 Kilometer liegen heute vor uns, nicht sehr steil und größtenteils bergab. Wir werden schon gegen Mittag im nächsten Camp sein.

Pachamama und die restlichen Götter der Inka scheinen es wirklich gut mit uns zu meinen. Die Sonne strahlt, was keineswegs typisch für diese Region ist, und die Natur in Verbindung mit den alten Inka-Ruinen lassen uns oftmals einfach sprachlos werden. Viele Hintergründe und oft auch die Entstehung der Bauten des Inka-Reiches sind bis heute unklar und nicht vollständig erforscht. Derartige Bauwerke zu jener Zeit, wahrscheinlich Mitte des 15. Jahrhunderts, zu erschaffen, war eine wahre Meisterleistung. Auch ohne detailliertes historisches Wissen darüber, sind die Ausmaße der Ruinen beeindruckend.

So langsam macht sich das Gefühl breit, dass wir unser Ziel bald erreichen. Der letzte Schlafplatz liegt nur wenige Kilometer von Machu Picchu entfernt. Auch wenn wir Gefahr laufen, auf unserem letzten Campingplatz beim Verlassen des Zeltes abzustürzen, wiegt dieser Ausblick weitaus mehr, als die Tatsache, sich beim nächtlichen Toilettengang die Knochen brechen zu können 🙂

Der Zauber Machu Picchus liegt hier bereits in der Luft. Jeder weiß, dass wir es fast geschafft haben. Nur noch den einen Weg um den letzten Berg und wir haben den heiligsten aller Inka-Wege zu einem der sieben Weltwunder der Neuzeit tatsächlich gemeistert. Jeder auf diesem Weg ist sich bewusst, dass es kein Zuckerschlecken ist. Unterwegs trafen wir die verschiedensten Menschen, auch ein älteres Ehepaar, das uns besonders im Gedächtnis geblieben ist und uns wirklich beeindruckte… manchmal liefen sie vor uns, manchmal hinter uns, ab und an überholten wir sie. 74 Jahre waren die beiden! 74 Jahre – ist das nicht Wahnsinn! Diese Strapazen in dem Alter! Es sind die verschiedensten Charaktere, welche diesen Weg mit uns teilten. Manche suchen das Abenteuer, andere finden den Sinn im Pilgern und für Einige ist es der größte Traum im Leben. Wir haben so manchen auf unserem Weg hinter uns gelassen, einigen ging es körperlich schlecht, sie erbrachen oder benötigten Sauerstoff, sie waren am Ende mit ihren Kräften und kämpften sich doch irgendwie durch… denn letztendlich sind alle irgendwie angekommen – hier ist der Weg das Ziel… auf welchem man so vieles lernen kann.

„Sei nicht nur stolz auf dich, wenn du ein Ziel erreicht hast. Sei stolz auf jeden Schritt, der dich zum Ziel gebracht hat.“

Am nächsten Morgen werden wir um 3:20 Uhr geweckt! Doch die ersten wundervollen Sonnenstrahlen machen das munter werden etwas leichter.

Unser Guide möchte pünktlich mit uns am berühmten Sonnentor sein. Auch bekannt als Inti Punku ist es heute ein Aussichtspunkt auf Machu Picchu hoch oben auf einem der Machu Picchu-Berge. Die strategische Lage lässt Historiker vermuten, dass es einer der Zugänge zur Inka-Stadt war. Der Wachposten sollte wohl dazu dienen, nur ausgewählte Besucher der kaiserlichen Elite auf das Areal zu führen.

Etwa eine Stunde trennt uns nun noch von einem der größten Symbole für die beeindruckende Architektur und Baukunst des Inka-Reichs. Machu Picchu, übersetzt aus der Quechua-Sprache „alter Berg“ ist eine der bedeutendsten Ruinenstädte, welche zu einem Großteil nach wie vor im Originalzustand ist. Mit über 200 steinernen, auf Terrassen angelegten Bauten, gehen Forscher davon aus, dass hier bis zu 1000 Menschen leben konnten. Über den Sinn und Zweck der Stadt kursieren viel Theorien, da es keine fundierten Überlieferungen gibt. Diente es als königliche Grabstätte, als Zufluchtsort oder Residenz der Herrscher des Inka-Reiches? Fest steht auf jeden Fall, dass die fehlenden Antworten darauf der Faszination keinen Abbruch tun… ganz im Gegenteil. Als UNESCO Kulturerbe und eines der neuen sieben Weltwunder zieht es tausende Touristen in seinen Bann… so auch uns. Und wieder einmal sind wir sprachlos und überglücklich, heute hier stehen zu können.

Am Ende des Tages stehen wir, bepackt mit wundervollen, einzigartigen, unvergessenen Eindrücken, die sich schwer in Worte fassen lassen, sowie einer Plastiktüte unserer dreckigen Wäsche vorm Hotel in Cusco 🙂 Wir sind zurück von einem der schönsten Erlebnisse unserer bisherigen Reisen. PROST! 🙂 

Was das echte Peru mit uns macht…

Was das echte Peru mit uns macht…

Nachdem wir uns die ersten Tage noch in Watte gepackt haben, versuchen wir so langsam unser Dornröschenschloss zu verlassen. Wir müssen zugeben, dass wir in Südamerika weitaus mehr Respekt vor dem Reisen haben als beispielsweise in Asien. Ganz langsam tasten wir uns an die örtlichen Gegebenheiten heran. Irgendwie können wir auch gar nicht so richtig einordnen, woher diese Zurückhaltung kommt. Ist es die aktuelle Zeit, die lange Dauer ohne richtig unterwegs gewesen zu sein, sind es die im Internet kursierenden Geschichten über die Kriminalität in Peru oder sind wir in den letzten drei Jahren einfach nur alt und ängstlich geworden? Auch wenn unsere ersten Taxifahrten in Peru nicht auf irgendwelche Beklemmungen schließen lassen, machen wir uns trotzdem mehr Gedanken als sonst. Ob wir das wirklich müssen? Keine Ahnung! Jeden Tag treffen wir Touristen, Backpacker und Reisegruppen, die das Land genauso bereisen und all dem offen gegenüberstehen… also kann das alles, was wir tun, nicht so falsch sein… reden wir uns zumindest ein 😉

„Zweifle doch auch mal deine Zweifel an. Meist sind sie unbegründet und erschweren dir das Leben.“

Da Angriff die beste Verteidigung ist, beginnen wir jetzt wirklich zu reisen 🙂 Wir starten mit Schritt Nummer EINS und tauschen erst einmal unser Hotel gegen ein Zelt. Dazu verlassen wir die Küste Perus und kommen nach einer etwa 90-minütigen Busfahrt in Ica an. In der chaotischen Kleinstadt strandet wahrscheinlich jeder Tourist, der zum nahegelegenen Örtchen Huacachina möchte. Hier gibt es die einzige Wüstenoase Südamerikas. Sanddünen soweit das Auge reicht, sonnige 28 Grad, entspannte Latino-Musik und das Ecocamp, in welches wir uns eingebucht haben.

Auch ein Fehler, den wir zuweilen gern wiederholen! Man hält uns vielleicht aufgrund unseres Gepäcks für Backpacker, aber, wie wir immer und immer wieder schmerzlich feststellen, die sind wir nicht! Grundsätzlich schlafen wir überall, auch ein Zelt kann schön sein. Auf ein eigenes Bad können wir ebenfalls ein paar Nächte verzichten. Auch die Tatsache, dass wir den Altersdurchschnitt mittlerweile um 10-20 Jahre heben, ist schmerzhaft aber akzeptabel. Eine Sache jedoch geht gar nicht! Denn über Dreck können wir nicht hinwegsehen, schon gar nicht im Bett! Wenn die Bettdecke vor Corona das letzte Mal gewaschen wurde und sich Flecke in allen Farben und Formen darauf befinden, dann helfen auch keine drei bis acht Bier mehr!

Bei solchen Dingen ärgern wir uns wirklich über den nicht einmal so günstigen Preis für das Camp, finden uns aber für die eine Nacht damit ab, glauben fest an den Schutz unserer eigenen dünnen Schlafsäcke und konzentrieren uns einfach auf das Schöne an diesem Ort. Normalerweise werden hier tausende Touristen täglich in hunderten Sandbuggys durch die bizarre Wüstenlandschaft gefahren. Aktuell ist es noch relativ ruhig und der Tourismus scheint noch nicht dort angekommen zu sein, wo er mal war – perfekt! So entscheiden auch wir uns für eine Buggy-Tour inklusive Sandboarding.

Kurz die Boots probiert, das Brett in die Hand gedrückt und auf geht’s zur Einweisung am „Probehang“ – wie in der Skischule, nur der Zauberteppich fehlt, wer ihn kennt. Danach steigen wir in den Buggy. Und das ist wieder einmal einer dieser Zeitpunkte, an welchem es wirklich besser ist, wenn man vorher nicht weiß, was einen erwartet! Hier in der Wüste ist nix mit seicht durch die Dünen cruisen… was auch das feste Verschnüren mit einem Dreipunktgurt am Sitz erklärt… hier werden die Kisten halb umgekippt und im Sand vergraben. Achterbahn fahren ist wirklich Kindergarten dagegen! Der Fahrer des Buggys hatte richtig Spaß, die ganze Fuhre Mädels zum schreien zu bringen.

Das harmloseste an der Tour waren die Abfahrten mit dem Board… auch wenn eine von uns die steilsten Dünen mit dem Kopf vornweg bezwang. Kann man machen, bei gefühlten 90 Grad Gefälle!!!

Als krönenden Abschluss der Tour verabschiedeten wir den Tag mit einem wirklich tollen Sonnenuntergang in der Wüste. Auch die Peruaner wissen nur zu gut, wie sie die Touristen locken können 🙂 Und sobald die eine Hälfte von uns nur ansatzweise etwas von der auf- oder untergehenden Sonne hört, ist sowieso jede Tour gebucht 😉

Mit einem kleinen kühlen alkoholischen Kaltgetränk lassen wir das Erlebnis in Perus Wüste ausklingen, verdrängen die „kleine“ hygienische Baustelle in unserer Unterkunft und beschließen, dem Reisen in Peru eine Chance zu geben. Mit dem nach wie vor vorhandenem nötigen Respekt wollen wir uns selbst ein Bild der Mentalität der Menschen machen und mit der Leichtigkeit reisen, wie wir das auf vergangenen Reisen auch getan haben.

„Loslassen, entrümpeln, Ballast abwerfen und die Leichtigkeit des Seins wieder entdecken.“

Leichtigkeit ist auch ein super Stichwort für den Start in den nächsten Tag 🙂 Schließlich können wir die 100 Meter hohe Düne vor dem Camp nicht unbestiegen lassen! „Wir schauen mal wie weit wir kommen…“, hieß es am Fuße des riesengroßen Sandbergs. Bloß nicht übertreiben bei 30 Grad! Na klar standen wir nach einer Stunde völlig fertig und pitschnass an der höchsten Stelle! Das gleiche Bild wie immer… die Eine vornweg, redet gut zu (so Sachen wie „wir haben es gleich geschafft“ und „Ist alles gut bei dir?“…was man eben in solchen Momenten hören will) und die Andere fluchend hinterher – ihr kennt uns 😉

Von hier oben hat man einen wundervollen Blick auf die einzige Oase in ganz Südamerika. Ursprünglich wurde sie durch einen unterirdischen Fluss aus den Anden mit Wasser versorgt. Doch das reicht aufgrund des Wachstums des Örtchens Huacachina und des unkontrollierten Tourismus schon lange nicht mehr aus. Schon Ende der 80er Jahre trocknete der See komplett aus. Seitdem wird künstlich Wasser zugeführt, was die einstige Nutzung als Thermalbad nicht mehr möglich macht.

Schritt ZWEI des Verlassens unserer Wohlfühl-Reise ist das nächste Transportmittel. Der Nachtbus von Ica nach Arequipa – 700km – 13 Stunden! Also im Grunde ist das eigentlich schon fünf Schritte weiter, denn diese Fahrten sind jedesmal wieder eine Tortur, reinste Quälerei, egal in welchem Land, aber eben auch die einfachste und meist genutzte Art und Weise zu reisen. Schon am Eingang des Busbahnhofs schwebte uns ein betrunkene holländische Reisegruppe entgegen. Wahrscheinlich haben die ihr Ziel mit Malle verwechselt! Wir waren noch keine Minute vor Ort und hätten schon wieder eine Kehrtwendung machen können. Wir beteten einfach nur, dass die (entschuldigt den Ausdruck) besoffenen Kinder nicht in unseren Bus einsteigen! Also so viel Leichtigkeit, um uns volltrunken in einen Bus zu setzen, der erstens über 12 Stunden unterwegs ist und dann auch Höhen von 4000 Metern überwindet haben wir in unserem Alter nicht mehr! Glücklicherweise war deren Ziel Cusco und nicht Arequipa, wie unseres.

Was man sagen muss, ist, dass sich die Peruaner mit den Bussen schon Mühe geben. Man bekommt Wasser und einen kleinen Snack, hat einen bequemen Liegesitz und die Temperatur während der Fahrt ist angenehm. Grundsätzlich sind das echt perfekte Voraussetzungen für eine Nacht im Bus… währen da nicht die Straßen und die Busfahrer, die diese als Rennstrecke nutzen. Da hilft wirklich nur Augen zu und durch! Bloß nicht weiter drüber nachdenken, was alles passieren könnte und um Himmels Willen nicht googeln, was alles schon passiert ist! Der erste Satz am Morgen, nachdem uns die 510te 180-Grad-Kurve sanft aus dem Schlaf holte war: „Schatz, Hilfe, ich brauche einen Rückbildungskurs. Bei mir ist nichts mehr dort, wo es mal war!“ Wahrscheinlich haben sich die Reihen neben und hinter uns gewundert, warum wir nach so einer Nacht so herzlich lachen 🙂 Aber so fühlt es sich an, wenn man auf die 40 zugeht und reist wie 18-Jährige 🙂 Trotzdem waren wir ein wenig stolz auf uns – wir sind zurück in unserer Welt des Reisens.

Es ist gegen 9Uhr Morgens in Arequipa, mittlerweile geübt im Taxifahren nehmen wir uns eines der Offiziellen, um ins Hotel zu kommen. Arequipa ist die zweitgrößte Stadt Perus auf einer Höhe von 2300 Metern – ein guter Einstieg zur Akklimatisierung und Gewöhnung an die 2500 Meter, die uns zusätzlich in den nächsten Tagen erwarten. Die Stadt liegt zwischen drei Vulkanen und besticht durch zahlreiche koloniale Bauwerke aus weißem Vulkangestein.

Fit wie eh und je wollen wir uns nach der erholsamsten aller Nächte im Bus die Stadt anschauen. Bewegung soll ja schließlich auch gut sein, um alle Organe wieder an ihre ursprüngliche Position zu bringen. Unser Hotel liegt zentral, sodass wir alles gut zu Fuß erreichen können. Der erste Anlaufpunkt ist ein kleine Bäckerei am „Plaza de Armas“. Die zwei Ladys haben nämlich Hunger (immer ein gutes Zeichen, dass alles nur halb so schlimm ist) und Kaffeedurst – der in Peru übrigens sehr gut schmeckt.

Nachdem wir die Auslage einmal von links nach rechts durchprobiert haben – man sagte uns, Arequipa sei das kulinarische Zentrum Perus, wir sollen alles essen, was geht – und das sagt man uns nicht zweimal – besuchten wir das Kloster Santa Catalina. Es hat den UNESCO Welterbe-Status, wurde 1579 erbaut und ist mit einer Fläche von knapp 167 Hektar wirklich sehenswert. Es ist eines der wichtigsten religiösen Bauwerke der Kolonialzeit. Hier gaben viele der reichen spanischen Familien ihre zweite Tochter in die „Hand Gottes“, ins Kloster. Es entstand eine autarke Siedlung, in der bis zu 150 Nonnen in strenger Klausur leben sollten. Überlieferungen zufolge lebten diese jedoch weitaus ungezwungener als sie sollten. Erst mit einer Renovierung im Jahre 1970 wurde das Kloster der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Was im Übrigen auch auf keiner Peru-Reise fehlen darf ist der Genuss einer Inca Kola! Die müden Geister soll sie beleben. Wahrscheinlich tut sie das auch mithilfe eines chemischen Cocktails aus Hubba Bubba, Gummibärchen-Saft und klebrigen BonBons. Der Bedarf an Zucker ist damit auf jeden Fall für die nächsten drei Tage gedeckt.

Am nächsten Morgen starten wir gegen 7:30 Uhr, diesmal mit unserem eigenen Fahrer, in die Anden. Da sich zumindest eine von uns vor der Reise ausführlich mit dem Thema Höhenkrankheit befasst hat – die andere verfährt wieder getreu dem Motto „wird schon“ – wollten wir die Fahrt auf knapp 5000 Meter nicht mit einem der Busse machen. Es gibt kein wirkliches Allheilmittel gegen Symptome in solchen Höhen. Von einfachen Unwohlsein über Übelkeit und Kopfschmerzen kann alles dabei sein. Oberste Priorität ist auf jeden Fall viel Wasser trinken, woran wir uns halten. Der steile Gebirgspass führt relativ schnell auf die maximale Höhe unserer Route. Auf etwa 4500 Metern steigen wir das erste Mal aus – die Alpakas und Vicuñas (eine wilde und unter Schutz stehende Art, ähnlich der Alpakas) lassen uns keine andere Wahl 🙂 Noch fühlen wir uns gut, doch nach den ersten drei Schritten werden wir kurzatmig, der Puls steigt und das Herz pumpt! Der mangelnde Sauerstoff macht sich echt verdammt schnell und ziemlich deutlich bemerkbar!

Auch das Einsteigen ins Auto ist nicht so einfach, wie wir es gewohnt sind. Wie zwei 100-Jährige schniefen wir vor uns hin und versuchen uns und unseren Körper in den Griff zu bekommen. Und natürlich macht unser Fahrer auf dieser Höhe noch eine kleine Wanderung mit uns! Na klar! Scheinbar sehen wir noch zu fit aus 🙂 Das ist wirklich verrückt. Mit jedem Schritt pumpt das Herz mehr und du merkst, dass nicht genügend Sauerstoff für die Muskeln übrig bleibt. Tapfer kämpfen wir uns den Anstieg unseres Lebens hinauf – also ungefähr fünf Treppenstufen – und folgen unserem Guide. Wir sind auf unserer Reise wieder bei dem Tempo der Schildkröte angekommen – was wollen wir mehr?! 🙂

Am Nachmittag erreichen wir Puno, eine Stadt auf 3800 Metern am höchstgelegenen schiffbaren See weltweit, dem Titicacasee. Eine weitere Station zur Akklimatisierung. Wenn der Puls schon beim Sitzen auf fast 100 steigt, weißt du, dass du die Höhe aktuell noch nicht ganz so gut verträgst! Also gehen wir die ganze Sache langsam an und versuchen zeitig zu schlafen. Nur funktioniert das mit einem Ruhepuls, welcher eigentlich dem eines gemütlichen Ausdauerlaufs gleicht, nur bedingt. Die ersten Nächte sind wirklich zäh und jede kleine Bewegung wird zum Kraftakt. Die Uhr zeigt schon beim Weg zum Frühstück, und der hatte keine Treppen, „Training“ an und wir gewöhnen uns nur ganz langsam an die Umstände. Mittlerweile sagen wir beide, dass wir das komplett unterschätzt haben… egal, ob mit oder ohne sich vorher darüber informiert zu haben…es geht keineswegs spurlos an uns vorbei. Was neben Wasser noch hilft, und darauf schwören die Peruaner, ist der Wirkstoff der Coca-Pflanze in sämtlichen Variationen… BonBons, Tee, die bloßen Blätter kauen… egal, her damit, wir probieren alles!

Angeblich soll das mehr Sauerstoff ins Blut bringen! Wir glauben daran und bauen auf die Tipps der Peruaner 🙂 Keine Angst, um die Wirkung der Droge zu erzielen, müssten wir wahrscheinlich eine halbe Plantage der Blätter kauen! Nach reichlicher Überlegung, was wir mit dem Tag in Puno anfangen, haben wir uns letztendlich doch für einen Ausflug entschieden. Ob wir nun mit 120er Puls im Bett liegen oder auf einem Boot sitzen macht jetzt nicht den großen Unterschied. Da wir leider etwas spät dran waren mit dieser Entscheidung, blieb uns nur noch die Buchung einer der typischsten Touri-Ausflüge in Puno überhaupt – quasi eine Ausfahrt zum Lama-Decken-Verkauf. Glückspilze, wie wir sind, werden wir auch noch Teil einer osteuropäischen Reisegruppe (Bulgaren, wie wir später erfahren), mit welcher wir den ganzen Tag verbringen dürfen! Das Phänomen solcher Gruppen ist immer die geballte Meinung, laut und auffällig sein zu müssen. Zudem haben wir noch einen Guide namens Manu. Manu ist ein kleiner chinesischer Chan, wer sich vielleicht noch erinnern kann, nur die peruanische Ausführung davon. Manu erzählt uns auch fünffach wie er heißt und behandelt uns wie eine Gruppe Krippenkinder, dass wir bloß nicht vom Weg abkommen… auf einem Boot!!! Wir freuen uns wirklich sehr, Teil davon zu sein 🙂 Unser gemeinsames Ziel waren die Uros, eine ethnische Gruppe Indigener, die auf selbstgebauten Schilfinseln im Titicacasee leben – zumindest haben sie das noch vor Jahren, mittlerweile tun sie dies nur noch für die Touristen – was den Ausflug für uns im Grunde schon überflüssig macht!

Der „Mercedes Benz“ fährt hier zu Wasser 😉

Naja, wir geben uns der Verkaufsfahrt hin, denken in unserem von der Höhenluft vernebelten Hirn nicht weiter darüber nach und machen einfach, was unser Manu sagt… ist vielleicht auch das beste für diesen Tag. Wir steigen dort aus, wo wir sollen, hören zu, wo man uns was erklärt, fahren mit dem „Mercedes Benz“ der Uros und geben Trinkgeld, sobald jemand uns etwas vortanzt oder -singt. Gott sei Dank können wir immernoch über uns selbst lachen und das tun wir an dem Tag auch zur Genüge! Wo sind wir hier nur hineingeraten? Eine gute Vorbereitung auf Kaffeefahrten im Rentenalter 🙂

Dafür haben wir an diesem Tag wahrscheinlich das beste Bild der ganzen Reise gemacht! Und allein dafür hat es sich doch gelohnt! Was für ein Schnappschuss!

Wir2 halten uns an diesem Tag eher bedeckt, meiden die Sonne, beschränken unsere Bewegung auf das Minimum und kauen Coca-Blätter 🙂

Am nächsten Tag wartete eines der Highlights unserer Reise auf uns. Irgendwie sind Bahnfahrten in jedem Land besonders und für uns eine ganz besondere Art des Reisens. Wir sind mit dem AndeanExplorer, einer der letzten Züge, die in Peru noch verkehren, unterwegs. Leider nutzen diesen ausschließlich Touristen. Das Streckennetz in Peru wurde bis auf wenige Teile zurückgebaut, sodass Zugfahrten sehr selten und leider auch sehr teuer sind. Wir fahren von Puno nach Cusco. Die Fahrt dauert etwas mehr als zehn Stunden aber bereits beim Einsteigen merken wir, dass sich dafür jeder Cent lohnt! Wir genießen wirklich jede einzelne Minute, umgeben von einer atemberaubenden Landschaft und lassen die Bilder sprechen…

DER ZUG…

DIE ROUTE

DIE AUSSICHT

DAS ESSEN!!!

Was für ein Erlebnis! Am Ende des Tages kommen wir glücklich in Cusco an, gewöhnen uns Schritt für Schritt an die Höhe und fühlen uns mittlerweile sehr wohl in den Anden 🙂

Euphorie, Zweifel und unsere ersten Schritte in Südamerika

Euphorie, Zweifel und unsere ersten Schritte in Südamerika

Ehrlich gesagt, hat es uns dieses Mal tatsächlich etwas mehr Zeit gekostet, abzuwägen ob eine Fernreise jetzt wirklich sein muss. Die letzten zwei Jahre beeinträchtigte und veränderte auch unsere Welt des Reisens maßgeblich. Ist unbeschwert und individuell überhaupt noch möglich? Wir werden vorsichtiger und denken lieber einmal mehr nach… beide, nicht nur die Realistin, sondern auch die Träumerin unter uns! Die ganz spontane Auswahl des Reiseziels wurde eher zum mehrstündigen Studium aller Einreisebestimmungen und Pandemie-Bedingungen rund um den Globus. Unsere Welt hat sich verändert. Wir2 sehen es als den Lauf der Zeit, nichts bleibt ewig wie es war. Und das einfachste ist, positiv zu denken, sich damit abzufinden und das beste daraus zu machen.

Diese Einstellung erleichterte uns die Entscheidung. Das Fernweh ist zurück. Endlich wieder andere Bilder sehen, raus aus Europa und vor allem raus aus der Komfortzone. Es ist an der Zeit, unserem geliebten Asien den Rücken zuzukehren und die andere Seite des Globus kennenzulernen. Nordamerika ist uns zu westlich, die Mitte wäre eine Option aber Peru hatte die besten Argumente. Das erste Mal Südamerika – Meer, Berge und Dschungel – kurz gesagt alles, was wir uns unter einem neuen Abenteuer vorstellen. Aber vielleicht waren es auch einfach die Alpakas, die uns im Unterbewusstsein das Ziel vorgaben 🙂 Wie auch immer… Auf geht’s in das Land der Inkas.

Da stehen wir nun nach insgesamt 14 Flugstunden von Berlin über Paris nach Lima vor dem Jorge Chavez International Airport bei angenehmen, sonnigen 22 Grad. Nach der unerwartet unkomplizierten Einreise, bei welcher der Impfstatus auch hier wichtiger ist als der Reisepass, versuchen wir uns zu sammeln… was nach über 24h on Tour etwas mehr Zeit als gewöhnlich benötigt. Natürlich schauen wir erst einmal fragend in die, auf das Geschäft des Tages wartende, ungeduldige Herde Taxifahrer. Es gibt im Übrigen zahlreiche Warnungen und Horrorgeschichten über Taxifahrten in Perus Hauptstadt. Im Grunde wirst du als Tourist schon entführt und ausgeraubt, sobald du das Flughafengebäude verlässt. Also alle Sachen gut festhalten und den Machenschaften der Mafia entkommen 🙂 Es dauerte auch keine Minute bis der erste charmante Peruaner im feinen Zwirn zu uns kam, erzählte, dass er uns bereits jetzt im Herzen trägt und einen richtig guten und sicheren Taxiservice empfahl. Da wir aber all diese Methoden kennen, sind wir natürlich vorbereitet und schlauer… dachten wir zumindest! „Welcome Pickups“ heißt unsere Lösung – ein Abholservice, den es in vielen Großstädten gibt und total zuverlässig und sicher ist… sagt das Internet und zumindest die eine Hälfte von uns. Wer uns kennt, kann die Gedanken der anderen 50% schon ziemlich gut einschätzen. Während die nämlich schon wieder von dem wildesten Szenarien zerfressen wird, stürzt sich die Träumerin ins Abenteuer und kontaktiert den „Abholer“. Mit unserem Namen auf einem Schild sollte er am Ausgang auf uns warten. Aber in dem Schilderwald war nix zu finden, was auch nur annähernd einem unserer Nachnamen ähnelte, bis ein zierlicher, älterer Mann mit einer kleinen Schreibtafel für Grundschüler auf uns zulief. Und er hat sich wirklich Mühe gegeben 🙂

Obwohl hier scheinbar keiner die von uns gebuchte Agentur kannte, folgten wir ihm und stiegen natürlich in sein Auto ein. Immerhin wollen wir SICHER reisen 😉 Kein Taxischild, keine Lizenz, keine Aufschrift der Agentur… gar nix, nur ein ganz normaler grauer Nissan, Wir2, der Fahrer und der Großstadtdschungel Limas! Unsere Strategie – wir lernen uns erst einmal etwas besser kennen, stellen eine Verbindung her, vielleicht mag er uns dann und es fällt ihm schwerer, uns zu seinem Gangster-Boss zu bringen 🙂 Manchmal sollen ja engere persönliche Beziehungen eine gewisse Vertrauensbasis helfen, schlimmeres zu verhindern! Wir sprachen also über die Stadt und das typische „Wo kommt ihr her – Wo wollt ihr hin…“ Nach einiger Zeit merkten wir, dass wir nicht in den Fängen kleinkrimineller Straßengangs gelandet waren, welche uns zum Drogenschmuggel zwingen wollen, sondern im Fahrzeug eines ganz normalen Familienvaters, der uns sicher ans Ziel bringt, sitzen. Denn nach ungefähr einer halben Stunde kamen wir am Hotel an… und das ohne entführt und ausgeraubt worden zu sein. Herzlich Willkommen in Peru!

Wie kann man eine Reise durch Peru besser beginnen als mit einem Pisco Sour? Das Nationalgetränk des Landes, bestehend aus dem Traubenbrand Pisco, Limettensaft, Zuckersirup, Bitterlikör, einer Eiweißhaube und viel Eis ist der perfekte Einstieg. Sollte also die eintägige Anreise noch nicht für die nötige Bettschwere gesorgt haben, dieser Cocktail tut es mit Sicherheit!!! Wie auf jeder unserer Reisen erinnern wir uns natürlich auch direkt (nachdem wir an der Bar bestellt haben) an eine der wichtigsten Regeln auf Reisen, wenn nicht sogar die goldenste aller Regeln – KEIN WASSER AUS DER LEITUNG! Wie war das gleich mit diesen Eiswürfeln, fragten wir uns nach dem ersten kräftigen Schluck?! …immer diese Anfängerfehler… oder drücken wir es etwas netter in unserer Sprache aus – die Leichtigkeit und Unbeschwertheit sind zurück und wir freuen uns auf das Abenteuer Peru!

Gleich am nächsten Vormittag wollen wir mit dem Bus Richtung Süden starten. Dieses Mal hatten wir uns fest vorgenommen, für die Fahrt zum Busbahnhof ein offizielles Taxi über das Hotel zu buchen. Immerhin wollten wir das Schicksal nicht ein zweites Mal herausfordern! In einem guten Hotel, in welchem wir glaubten zu sein, hofften wir auf einen Anruf des Concierges bei einer Taxizentrale… so malten wir uns das zumindest mit unserer typisch deutschen Vorstellungskraft aus 🙂 Aber wir sollten es eigentlich besser wissen und nicht auf gewohnte Verhaltensweisen hoffen. Denn was passierte… der Concierge nahm unsere Rucksäcke, suggerierte uns, dass wir ihm nach draußen folgen sollen, stellte sich mit erhobener Hand an die Straße und hielt das nächstbeste Auto für uns an. So schnell wie unsere Rucksäcke im Kofferraum lagen und wir auf der Rücksitzbank saßen, konnten wir gar nicht reagieren. Unsere mehrfach gestellte Frage nach der Sicherheit wurde komplett überhört oder vielleicht auch ignoriert. Nach einer kurzen Verhandlung über den Preis fuhren wir auch schon los. Also eines muss man uns lassen, Taxi fahren in Lima haben wir echt gut drauf! Zumindest versuchen wir die Route im Handy mitzuverfolgen um rechtzeitig zu merken, wenn wir völlig vom Kurs abkommen. Sicher ist sicher! Und wider Erwarten bringt uns auch dieser Fahrer in einem Stück und mit all unseren Sachen zum gewünschten Ziel. So reden wir uns zumindest ein, dass die bisherige Strategie ganz gut aufging 😉

(Maskenpflicht herrscht übrigens in ganz Peru, auch an der frischen Luft, zu tragen sind zwei OP-Masken übereinander oder eine FFP2-Maske)

Nach gut vier Stunden im Bus kommen wir im 250km entfernten Paracas an. Die Kleinstadt, früher Fischerdorf, an der Pazifikküste ist ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge in den angrenzenden Nationalpark und schon lange kein Geheimtipp mehr. Im Urlaubsdomizil der reichen Peruaner verlangen die Hotels auch gern das Zehnfache des Durchschnitts. Also günstig Reisen in Peru ist auf jeden Fall – mit einem gewissen Standard – nicht möglich! Die nächsten drei Nächte wohnen wir in einem Hotel direkt am Strand. Da es die einzigen Tage am Meer sein werden, schwimmen wir eben auf der Urlaubswelle der Peruaner mit 😉 Das Hotel ist nicht annähernd zur Hälfte gefüllt und perfekt für unsere ersten Tage.

Sorgenfrei und schon am zweiten Tag komplett auf Urlaub eingestellt leben wir in den Tag hinein und achten immer und überall auf die allgegenwärtigen Regeln jeder Reise – bestellen Wasser aus der Flasche ohne Eis ABER Aperol Spritz mit viel Eiswürfel; essen nur geschältes Obst und gekochtes Gemüse ABER trinken frisch gepresste Smoothies… meiden die Straßen zu Fuß ABER fahren mit dem Rad auf der Hauptverkehrsroute in der Mittagssonne ohne ausreichend Wasser und mieten uns den erstbesten Buggy, dessen Räder gefühlt nur noch am seidenen Faden hängen und fahren auf unserer Tour hinter einer jungen Peruanerin, die nach einem Unfall unter ihrem Quad liegt. Unsere Erfahrungen der anderen Reisen helfen uns eben immer wieder in besonderem Maße auf uns Acht zu geben! An unsere Eltern und Freunde: Ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen! 🙂 …und die Peruanerin ist Gott sei Dank auch mit ein paar tieferen Schürfwunden wieder aufgestanden.

Lebenskünstler finden alles halb so schlimm oder doppelt so gut!“ (Heinz Rühmann)

Das nationale Schutzgebiet in der Region Paracas ist nach den hier vorkommenden Sandstürmen benannt und erhielt seinen Status im Jahr 1975. Auf einer Fläche von 3350qkm wird hier auf einer Halbinsel die wüstenhafte Küstenlandschaft und damit ein Ökosystem bedrohter Pflanzen- und Tierarten geschützt.

Auf den vorgelagerten Ballestas Inseln sind aufgrund des kalten, salzarmen, oberflächennahen Humboldtstroms unzählige Seelöwen, Robben, Pinguine, Delphine und seltene Vogelarten heimisch. Der nach dem deutschen Naturforscher benannte Meeresstrom bringt kaltes Wasser aus der Antarktis an die Küste Perus, was uns Bekanntschaft mit diesen tollen Bewohnern machen lässt.

Einer Legende besagt, dass der peruanische Nationalheld Jose de San Martin 1820 hier gestrandet ist, am Strand einschlief und beim erwachen einen Schwarm vorbeifliegender Flamingos im Sonnenuntergang sag. Diese Faszination ließ ihn daraufhin die erste rot-weiße peruanische Flagge entwerfen.

Ein bis heute großes Rätsel ist die riesige Felszeichnung auf einem Hügel der Halbinsel. Die Entstehung des Candelabro de Paracas oder auch „Kerzenleuchter“, für uns eher Kaktus, ist bis heute unklar. Die Geoglyphe misst etwa 180 Meter in der Länge und ist nach heutigen Erkenntnissen etwa 200 v.Chr. entstanden. Die wildesten Spekulationen vermuten hier eine Erschaffung durch außerirdische Lebewesen.

So sammeln wir die ersten Eindrücke in Peru und genießen unsere neue Freiheit in der lang ersehnten Ferne.

Niemals hätten wir geglaubt, irgendwann unser eigenes Buch in der Hand zu halten!

Niemals hätten wir geglaubt, irgendwann unser eigenes Buch in der Hand zu halten!

Wenn du keine Geschichten mehr findest, in denen du dich Wiedererkennen kannst, ist es vermutlich an der Zeit deine Eigene zu erzählen

Raphael Lepenies

Wir2WeltenbummlerEine Weltreise – 192 Tage und 13 Länder voller Glück, Zweifel und ganz viel Freude

Wir erzählen die Geschichte über die Reise unseres Lebens. Wir geben Einblick in unsere Gefühle, Freuden, Macken, Ängste, Familien und Freunde, kurz gesagt, in unser Leben – 192 Tage und 13 Länder, welche unsere Persönlichkeiten, Einstellungen und in der Folge auch unser gesamtes Leben nachhaltig verändert haben.

Wer uns bisher noch nicht kennt – Wir2Weltenbummler sind Kathrin und Janine, geboren Anfang der 80er. Nach behütetem Aufwachsen folgte, nahezu konservativ, das Studium und dann die Arbeit. Viele Jahre suchten wir, unabhängig voneinander, den passenden Plan und die dazugehörige Richtung für unsere Leben. Wir gingen die nötigen Umwege, bogen oft richtig, aber auch manchmal falsch ab und wurden zu den Menschen, die wir heute sind – im Grunde total normal und dennoch mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Tendenzen zum Wahnsinn – unserer Meinung nach aber der sympathischen Form. Nach gut 30 Jahren kreuzten sich unsere Wege und das Schicksal meinte es verdammt gut mit uns. Aus zwei verschiedenen kleinen Welten wächst seitdem ein gemeinsames, wundervolles kleines Universum mit vielen großartigen Träumen und Plänen.

Gute zwei Jahre der Vorbereitung, Planung und vor allem Vorfreude vergingen, bis wir schließlich völlig überfordert vor der Anzeigetafel des Flughafens standen. Der Zeitpunkt, den Alltag, die Verpflichtungen und die Sicherheit gegen das Abenteuer, die Unbeschwertheit und das Wagnis zu tauschen, war tatsächlich gekommen. Wir gaben unsere Rucksäcke auf und wussten, dass all das erst 192 Tage und 13 Länder später wieder in Deutschland landen wird.

Was uns tatsächlich auf der Reise unseres Lebens erwartete, wussten wir nicht. Für ein halbes Jahr tauschten wir den Alltag, die Sicherheit und die Verpflichtungen gegen das Unbekannte, die Unbeschwertheit und das Abenteuer, um so die schönsten Erinnerungen für den Rest unseres Lebens zu sammeln. Angefangen bei dem „Lebensgefühl Transsibirische Eisenbahn“ über Eindrücke aus chinesischen Reisfeldern, die Stimmung im malaysischen Dschungel bis hin zur Kiwi-Suche im dunkelsten neuseeländischen Wald und dem süßen Nichtstun inmitten der Südsee – all diese Erlebnisse haben unser Leben bereichert. Wir fragten uns zwischendurch nicht nur, wer wir eigentlich sind, sondern wir begannen auch zu beobachten, zweifeln, tolerieren, reflektieren und aus all dem zu lernen. Denn wer sagt uns eigentlich, dass die eigenen Vorstellungen immer die richtigen sind?

Wer mit uns reisen, träumen, schmunzeln, grübeln oder dem Alltag entfliehen möchte, kann sich gern bei uns melden und ein persönliches Exemplar bestellen. Weitaus unpersönlicher geht das natürlich auch beim Buchladen um die Ecke oder jedem beliebigen Online-Handel.

Wir2WeltenbummlerEine Weltreise – 192 Tage und 13 Länder voller Glück, Zweifel und ganz viel Freude

ISBN 978-3-99107-240-9
Euro (A) 23,90 – Euro (D) 23,20 – sFr 34,50

Der Norden Kroatiens – ein kurzer Einblick macht Lust auf mehr

Der Norden Kroatiens – ein kurzer Einblick macht Lust auf mehr

Nach einer wunderschönen Zeit in den Bergen eines der grünsten europäischen Länder zog es uns wieder Richtung Meer. Wir wollten an der Tradition festhalten und wie auf jeder unserer Reisen, die letzten Tage am Strand verbringen. Um dem Ansturm am nur etwa 40 Kilometer kurzen Strandabschnitt des kleinen Sloweniens zu entfliehen, entschieden wir uns für den großen, südlichen Nachbarn Kroatien.

So spontan, wie wir uns entschlossen, Richtung Süden zu fahren, genauso schnell stand auch fest, dass wir uns den größten Nationalpark des Landes unbedingt anschauen möchten. Auch wenn Corona seinen Schatten über die Tourismusbranche wirft, in diesem Moment sind wir als zwei der wenigen Gäste der Plitvicer Seen sehr froh, nichts von dem eigentlichen Besucheransturm spüren zu müssen. Auf einer Fläche von fast 300 Quadratkilometern sind wir nahezu allein. Das UNESCO-Weltnaturerbe zählt in normalen Jahren bis zu einer Million Besucher, doch in diesen besonderen Zeiten sind es nicht einmal zehn Prozent dessen, was sich noch 2019 tagtäglich hier bewegte. 

Als Drehort der Karl-May-Verfilmung „Der Schatz im Silbersee“ erlangte der Park bereits in den 1960er Jahren große Berühmtheit. Die offizielle Webseite spricht von „außergewöhnlicher, natürlicher Schönheit“, welche wir ohne Zweifel bestätigen können. Zahlreiche Wasserfälle, Höhlen und Seen, welche blauer kaum schimmern können, lassen uns die Spaziergänge und Wanderungen durch die Landschaft nicht so schnell vergessen. Und wir müssen zugeben, dass wir das in Kroatien niemals (keine Ahnung warum, vielleicht weil es „nur“ Europa ist und wir das dummerweise komplett unterschätzen) erwartet hätten!

Wunderschön angelegte Holzstege und Wanderwege führen durch die wirklich überraschend schöne, ja sogar atemberaubende Seenlandschaft… und das sagen wir voller Überzeugung, obwohl wir schon einiges an einzigartiger Natur gesehen und erlebt haben. Dieser Nationalpark kann definitiv mit den großen „Muss-ich gesehen-haben-Dingen“ der Welt mithalten. Im Rausch unseres Optimismus haben wir in weiser Voraussicht zwei Tage eingeplant und uns NATÜRLICH eine der längeren – also um genau zu sein, DIE LÄNGSTE – Wanderungen vorgenommen. Randnotiz: Die Planung erfolgte durch die Träumerin 🙂 

Schon am ersten Nachmittag schlenderten wir gute acht Kilometer umher, was am Morgen des zweiten Tages (der Wecker klingelte zur Freude aller um sechs Uhr) durch eine 18-Kilometer-Tour getoppt wurde. Doch so langsam gewöhnen wir uns an unsere komischen Ideen. Das Fluchen, während wir irgendwelche Waldhänge hinauf kraxeln, wird stetig weniger. In diesem Jahr schauen wir uns einfach nur noch an, lachen uns aus und denken: „Das ist mal wieder so typisch!“. Außerdem sind wir zusehends besser vorbereitet. Nach einem schnellen Kaffee zum munter werden packen wir uns Bananen, Äpfel, Nüsse und eine Büchse rote Bohnen ein (eine besseres Frühstück kann es kaum geben – na gut, vielleicht fehlt noch etwas Reis) und lassen die ersten 12 Kilometer bis zu einem geeigneten Frühstücks-Plätzchen mit Aussicht ganz locker hinter uns. Ja, ok… vielleicht hätte man den Zeitpunkt des Frühstücks etwas vorverlegen können… ohne zu laufen bis das Hungergefühl schon fast übergangen ist… aber der Blick entschädigt all das und bestätigt unsere Entscheidung für die längste aller Routen.

Im Nachhinein sind wir unendlich froh, hier her gekommen zu sein. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartet. Wir hatten keine Ahnung, dass so wenige Besucher hier sind. Und wir hatten keine Ahnung, wie schön dieses Fleckchen Erde tatsächlich ist. Kurzum, wir sind total begeistert!

Begeisterung erhebt das Leben über das Alltägliche und verleiht ihm erst seinen Sinn.

(Norman Vincent Peale)

Nach unserem kleinen Morgenspaziergang brachen wir gegen Mittag zum eigentlichen Objekt der Begierde auf… dem MEER! Von der Ostgrenze des Landes fuhren wir gute 250 Kilometer quer durch das Land Richtung Westen bis zur Küste. In kroatischer Zeitrechnung sind das aufgrund zahlreicher Serpentinen und Baustellen ungefähr fünf Stunden. Unsere Wunschvorstellung war, wie die eines jeden Campers, ein einsamer Stellplatz am Meer… Dass wir das Wörtchen „einsam“ vernachlässigen müssen, war uns relativ schnell bewusst. Aber die Passage „am Meer“ waren wir keineswegs bereit, zu streichen. So schrieben wir schon im Vorfeld mehrere Campingplätze an und kassierten eine Absage nach der anderen. Während wir uns an den Plitvicer Seen noch über mangelnde Touristen gefreut haben, scheint das Thema Corona am Meer offenbar nicht zu existieren. Alle Stellplätze Istriens in erster Linie am Wasser scheinen besetzt oder nur für eine ganze Woche, von Samstag auf Samstag, buchbar… das hatten wir uns tatsächlich einfacher vorgestellt. Um nicht auf die Mega-Campingplätze mit Animation und nerviger Ganz-Tages-Kinder- und Rentnerbespaßung ausweichen zu müssen, kontaktierten wir auch Adressen ohne Top-Bewertungen, bis wir irgendwann den letzten Platz am Meer, unter einem schattigen Olivenbaum ergatterten.

Auch wenn unsere Vorstellung vielleicht wieder ein klein wenig von der Realität abwich, ist es das Größte, morgens im Camper mit dem Rauschen und der salzigen Luft des Meeres aufzuwachen – und genau das können wir an diesem Ort genießen. Wie immer heißt es, die letzten Tage entspannen, nichts planen und nur nicht anstrengen. Für die nötige Ruhe, oder vielleicht etwas deutlicher gesagt, um vor den ganzen, sich lautstark über den ganzen Strandabschnitt unterhaltenden deutschen Touristen am Strand zu fliehen, leihen wir uns eines der Stand Up Paddle Boards und steuern die nächste kleine Insel an. Die Kiesstrände Istriens sind natürlich nicht mit denen der Südsee vergleichbar, dennoch ist das kroatische Meer kristallklar und angenehm warm. Und so finden auch wir unseren Ort der Entspannung 🙂

Getreu dem Motto „Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön… denn da kann man fremde Länder und noch manches andre sehn…“ gönnen wir uns am zweiten Tag eine kleine private Bootstour entlang der Küste um Rovinj. Mit unserer 25-Meter-Segelyacht 🙂 schippern wir mit unserem Kapitän gute fünf Stunden von Insel zu Insel. Ein alkoholisches Kaltgetränk, 30 Grad, blauer Himmel, Sonnenschein, allein zu zweit… mehr braucht es nicht, um zufrieden zu sein.

Komm, wir gehen glücklich sein!

Mit einem Besuch in dem kleinen Ort Rovinj verabschieden wir uns von unserer Zeit am Meer und zugleich von unserem kleinen Roadtrip. Mit circa 15.000 Einwohnern, wovon rund 12 Prozent der italienischen Minderheit angehören, bietet diese kleine malerische Küstenstadt alles, was das Touristenherz begehrt. Kleine verspielte Gassen, eine wunderschöne Kirche auf dem höchsten Punkt der Stadt, unzählige Restaurants, Bars und Cafés mit den schönsten Blicken aufs Meer, das leckerste Eis des Landes und damit den optimalen Wohlfühl- und Urlaubsfaktor. Reiseführer bezeichnen es als das „kroatische Juwel Istriens“, „romantisch und bezaubernd schön“ soll es sein… was in der tat nicht zu viel versprochen ist.

Und wieder einmal stellen wir fest, dass die Zeit viel zu kurz ist! Wir hätten gern noch so viel MEHR/MEER gesehen und beschließen schon am Tag der Abreise, bald wiederzukommen…

Mittlerweile sind wir seit einer reichlichen Woche zurück von unserer ersten Tour mit dem Camper. Mit etwas Abstand schauen wir mit einem breiten Grinsen auf unser kleines Slowenien-Kroatien-Abenteuer zurück. Unsere Liebe, Lust oder auch gern Leidenschaft, auf diese Art zu reisen, entdeckten wir in Neuseeland. Ob man das vergleichen kann? Die Antwort ist einfach – Nein, kann man nicht. Tatsächlich haben die Kiwis noch eine andere, eher ursprüngliche Philosophie vom Campen. Alles scheint dort irgendwie freier und natürlicher. Es gibt keine Campingplätze für 3000 Wohnmobile mit Poollandschaft und Hüpfburgen… was auch gut so ist! Leider ist die Nachfrage nach dieser Art des Campens in Europa scheinbar sehr groß, was wir extrem schade finden. Für uns sind die Ruhe, die Gemütlichkeit, die Einfachheit, die Unabhängigkeit und die Nähe zur Natur die ausschlaggebenden Kriterien. Wir brauchen mit unserem Rudi keinen zusätzlichen Mega-Luxus auf irgendwelchen überteuerten Campingplätzen. Wir sind zufrieden, wenn es einfach und sauber ist. Wir sind glücklich, wenn wir auf irgendeiner der vier Seiten in die Natur (welcher Art auch immer) schauen können und dabei ein winziges Gefühl der Freiheit aufkommt. Wir haben versucht, die kleinen, versteckten Plätze anzusteuern. Das ist uns leider nicht immer gelungen, aber trotzdem haben wir gemerkt, dass es sie gibt, die Camper-Paradiese nach unserem Geschmack… und das lässt uns hoffen. Wahrscheinlich werden wir in Europa, wenn wir nicht gerade wild campen möchten oder eher dürfen, keine neuseeländischen Gegebenheiten finden. Für uns wird dieses einmalige Erlebnis immer etwas ganz Besonderes bleiben. Dennoch wissen wir unsere „neue Freiheit“ unendlich sehr zu schätzen und es werden noch viele unvergessliche Reisen mit unserem neuen Familienmitglied folgen…