Slowenien – so klein und so besonders

Slowenien – so klein und so besonders

Unter dem Slogan “I feel Slovenia” vermarktet sich das kleine Land auf ziemlich moderne und ansprechende Art und Weise. Der erfolgreichste Staat des ehemaligen Jugoslawien investiert viel in neue Unternehmen und Technologien, gilt als einer der besten europäischen Handelspartner Deutschlands und erzielt Jahr für Jahr neue Rekorde in der Tourismusbranche. Viele unserer Anlaufpunkte haben wir über den, optimal auf Touristen abgestimmten, Internetauftritt gefunden… so auch einen Ort mit dem Namen Velika Planina. Was nichts anderes bedeutet als Großalm, ist eine Bergsiedlung am Rande der Alpen. Schon von weiten hören wir die Kuhglocken und fühlen uns ein bisschen wie Heidi und der Geissenpeter beim Almöhi. Die größte Hirtensiedlung Europas mit ihren 140 Hütten und den typischen Dachschindeln aus Fichtenholz lädt wirklich zum Verweilen ein… und das sagen wir, obwohl wir nicht die großen Bergsteiger und High-End-Wanderer sind! Die Bauern verkaufen ihren frischen Käse und den traditionellen Schinken. Während unsere neue Freundin Luca neidisch hinter uns steht, schlagen wir beim besten Bauern der Alm ordentlich zu 🙂

Was in slowenischen Reiseführern eher stiefmütterlich behandelt wird, gehört für uns definitiv zu den Highlights des Landes. Während der Fahrt mit der Bergbahn nach oben, realisieren wir das erste Mal seit langem, dass Corona noch immer, oder wohl eher wieder, ein Thema ist – Mundschutz ist Pflicht.

Auf über 1.600 Metern tauchen wir ein in andere Welt – keine Hektik, kein Stress, keine Straßen, keine Menschenmassen, einfach nichts, was an ein Leben in der Zivilisation erinnert. Auf der Hochebene findet die traditionelle Kultur der Almhirten noch viel Platz. Jedes Jahr im Juni werden die Kühe auf die Alm getrieben. In den warmen Monaten leben die Hirten in den typischen Hütten auf der Alm.

Obwohl eine Wiese mit ein paar Kühen und Holzhütten im Grunde nichts besonderes zu sein scheint, ist es das trotzdem auf eine gewisse Art und Weise. Die Ruhe und das ursprüngliche Leben hier oben sind wundervoll anzusehen und haben uns komplett überrascht.

Ein weitere wunderschöne Überraschung, eigentlich entstanden aus einer Verzweiflungs-Buchung, da sich sonst nichts in der Nähe befand, war dieses kleine Paradies für die kommende Nacht. Ein Ort, an welchem von A-Z alles perfekt und mit so viel Liebe zum Detail gestaltet war. Renata, die Besitzerin des Campingplatzes, ist einer dieser Menschen, welche man durch ihre Art, Ausstrahlung und Lebensfreude einfach von der ersten Minute an ins Herz schließt. Eine kleine, zierliche Frau mit rot gefärbten, kurzen Haaren, welche aus spürbarer Leidenschaft den ganzen Tag damit beschäftigt ist, ihre Gäste glücklich zu machen. Wir dürfen uns an ihrem Kirschbaum satt essen und ihr Gemüsebeet plündern. Wir können sie jederzeit anrufen und das Wichtigste… wir sollen uns einfach nur wohlfühlen und diesen tollen Ort genießen. Und das tun wir ausgiebig, denn wir sind (in Zeiten von Corona) die einzigen Camper hier.

Dass das auf jeden Fall wieder einer dieser Orte für ein ausgiebiges, mehrstündiges Bummel-Frühstück ist, brauchen wir nicht lange erklären… Einfach nur sitzen und die Zeit, in einer Umgebung wie dieser, bei dem schönsten Wetter zusammen genießen. 

Manche Augenblicke im Leben möchten wir einfach einfangen, damit wir sie immer und immer wieder erleben können.

Am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Weg zu einem weiteren Tipp unseres virtuellen Hinweisgebers. Beworben wird unser nächstes Ziel mit den Worten: “Der Baumwipfelpfad Pohorje auf Rogla zeigt Ihnen, was die Vögel sehen. Steigen Sie auf den mächtigen Turm und gehen Sie einen 1000 m langen Weg zwischen Bäumen.” Und das tun wir auch… nur leider ist hier nicht mehr viel vom mangelnden Tourismus zu spüren. Was einerseits gut für das Geschäft ist, lässt die Baumwipfel eher wie einen großen Kinderspielplatz mit viel Geschrei und Getöse wirken. Scheinbar ist es DAS Ausflugsziel der Slowenen. Gut genährte Kinder (leider müssen wir das hier so aussprechen, da es auffällig viele speckige kleine, laute Monster gibt) rennen kreuz und quer und freuen sich über die Rutsche in der Mitte des Aussichtsturms. Also wenn das die Perspektive ist, welche „die Vögel sehen“, dann bleiben wir lieber am Boden…

Doch das wirklich letzte und wohl auch abenteuerlichste Highlight dieser großartigen Woche in Slowenien wartet am Abend noch auf uns. Da wir uns von den verschiedensten Werbeslogan, wie schon erwähnt, komplett einwickeln lassen und leichte “Opfer” 🙂 sind, lassen wir uns auch recht schnell hiervon überzeugen: “Hier wird die Nacht zum Erlebnis: Frei nach dem Motto „Weniger ist mehr!“ bieten wir Dir mit diesem Schlafplatz größtmögliche Nähe zur Natur. Inmitten von Wiesen und Wäldern erwartet Dich Dein Bett… aufgehängt unter einem Walnuss-, Birken- oder Eichenbaum. (…) Genieße die Ruhe fernab von Autolärm und großen Siedlungen. Dein Schlafplatz bietet freie Sicht auf die sanften Hügel Zentralsloweniens. Mit etwas Glück kannst Du Tiere entdecken, wie etwa Hirsche oder Siebenschläfer… Vogelgesang holt Dich am Morgen aus Deinen Träumen. Dein Frühstück wartet verpackt in einem Korb, den Du an einem Seil befestigt nach oben ziehen kannst.” Na also, wenn sich das nicht extrem verlockend und nach unvergesslichem Abenteuer anhört – gelesen und gebucht! Wir tauschen also unseren Rudi für eine Nacht gegen ein Bett im Baum. 

Jeder hat ja bestimmte Vorstellungen, bevor man etwas Neues ausprobiert… man ist gespannt, freut sich und die Gedanken kreisen… Wie wird es aussehen, wie fühlt es sich an oder wie werden wir uns fühlen? Da diese Nacht preislich einer sehr guten Hotelübernachtung in Nichts nachsteht, war zumindest eine von uns der Annahme (und diesmal sogar die Realistin!), dass wir in einem kleinen Häuschen nett empfangen werden, uns erklärt wird wie alles funktioniert, wir unsere Sachen irgendwo abstellen können, es irgendeine Art von anständigen Sanitäranlagen gibt und man sich gut aufgehoben fühlt. Doch die Spanne von Vorstellung und Realität klaffte hier zunächst einmal so weit auseinander, dass sie fast zerbrach! In Wirklichkeit stellte sich das Ganze nämlich so dar: Die “Empfangshalle” war eine kleine Bretterbude im Wald, welche eigentlich der Aufbewahrung der kompletten Utensilien eines Abenteuer-Kletterwaldes diente, in welchem wir aktuell stehen, da unser Navi uns genau zu diesem Punkt führte. Wir fragten erst einmal vorsichtig nach, ob wir richtig sind für die Übernachtung im Baum. Die genervte Angestellte griff ohne jegliche Antwort zum Telefon, rief ihren Kollegen an und nuschelte uns im Anschluss zu, dass wir ein paar Minuten warten sollen. Auf die Frage, wo wir unser Auto parken können (immerhin haben wir unser komplettes Hab und Gut darin – und wir stehen aktuell auf einem Feld) entgegnete sie uns mit fragenden Blicken und zeigte noch tiefer in den Kletterwald. Wir sind uns nicht sicher, ob wir den Rudi in die Baumkrone hängen sollten… Na gut, der erste erwartete Wohlfühl-Moment zog soeben, ohne erfüllt zu werden, an uns vorbei. Aber vielleicht wird es ja die Liebe auf den zweiten Blick. Jetzt lag jegliche Hoffnung auf dem Kollegen, welcher nach etwa zehn Minuten zu uns kam. Er war der erste Mensch nach ungefähr drei Monaten, welcher uns zur Begrüßung die Hand reichte… sehr ungewöhnlich aber freundlich, dachten wir. Während er sich kurz mit dem Namen Milos vorstellte und anfing, irgendwelche Sicherungsgurte zu sortieren, schauten wir uns fragend, in der luftigsten Sommerkleidung und Flipflops, in die Augen und schmunzelten. Sein zweiter Satz, nach seinem Namen war, dass er uns ein paar Dinge erklären müsse, unter anderem diesen Gurt. In dem Moment hatten wir beide dieses Ding schon durch die Beine gefädelt und um die Hüften geschnallt… und wer schon einmal klettern war, weiß wie angenehm es sich mit kurzen Hosen tragen lässt 🙂 Bis dahin wussten wir noch immer nicht, wozu das alles? Müssen wir erst den Kletterwald bezwingen oder uns von Ast zu Ast schwingen um in unser Bett zu kommen? Letztendlich erklärte Miloš uns, dass es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt… mit dem Gurt können (alles KANN, nichts MUSS) wir uns nachts im Bett anhängen, da es wohl doch schon vorgekommen ist, dass die Nachtruhe des ein oder anderen durch einen unsanften Fall beendet wurde. Nachdem wir für all das unterschrieben haben… also im Grunde ist jegliche Art von Unfall allein unsere Schuld, hierunter fällt auch das Trinken von Alkohol auf eigene Gefahr und der Angriff durch Bären… führte Miloš uns zum Nachtlager. Vielleicht kommt ja jetzt die nette Dame in der Empfangshalle mit dem Begrüßungsgetränk…??? Aber die ursprüngliche Vorstellung fing schnell wieder an zu bröckeln. Unser Weg führte raus aus dem Abenteuerspielplatz, über mehrere Wiesen bis ganz hoch zum Waldesrand. Die Umgebung war wunderschön, unser Bett hing fernab von allem… in der letzten, versteckten Ecke an einer alten Eiche mit einem unglaublichen Blick ins Tal.

Über einen kurzen Tipp bezüglich unserer Kleiderwahl wären wir allerdings echt dankbar gewesen – Flipflops im wurzeldurchzogenen Wald und kurze Hosen auf Wiesen mit kniehohem Gras, wo die Zecken schon die Zähne fletschen, ist jetzt wirklich nicht das Optimalste. Zugegebenermaßen dauerte es ein paar Minuten um die ursprüngliche Vorstellung in unseren Köpfen durch die Realität zu ersetzen. Aber als dies geschehen war, lachten wir laut und fanden die ganze „Aktion“ wieder so typisch für uns und umso schöner. Lange Hosen und Turnschuhe halfen über den ersten Angriff sämtlicher Saug- und Stechtiere hinweg. Unsere erste Challenge bestand darin, ein Lagerfeuer zu machen. Auch wenn unser Milos wahrscheinlich nicht daran geglaubt hat, aber das haben wir tatsächlich ganz gut hinbekommen… selbst Holz sammeln und im Wald überleben – check! Randnotiz: mit Feuerzeug und Grillanzünder 🙂

Achso… ein kleines Detail vielleicht noch zur (winzig kleinen) Lücke zwischen Vorstellung und Realität. Es gibt hier draußen weder ein Haus, noch einen Ort für unsere Sachen UND auch keine Toilette, kein Wasser…nix! Es gibt nur uns, den Baum und das hängende Bett 🙂 Wir haben unsere ursprünglichen Gedanken komplett begraben und werden die kommenden Stunden einfach nur Natur erleben, spüren, fühlen und hören. Zum Glück haben wir ähnliche Situationen auf anderen Reisen schon erlebt und wissen damit umzugehen. Milos brachte uns lediglich noch eine gut gekühlte Flasche Wein (mehr braucht es ja im Grunde für einen perfekten Abend auch nicht) und das Abendessen: Hirschgulasch – die Variante mit Fleisch und Buchweizenbrei mit Waldpilzen – die vegetarische Version, was beides wirklich sehr lecker war – vorbei, bevor er sich endgültig verabschiedete und uns grinsend eine spannende Nacht wünschte.

Gegen 23Uhr krabbelten wir in unser Baumbett, zumindest versuchten wir das. Sollten die Tiere um uns herum schon oder noch geschlafen haben, waren jetzt definitiv alle wieder wach. Uns liefen die Tränen vor Lachen. Die Instabilität der Leiter, zusammen mit dem Geschaukel des Bettes machten das ganze Unterfangen wirklich nicht einfach. Die Kunst bestand besonders darin, zusammen das Gleichgewicht zu halten, während eine bereits oben war und die andere versuchte nachzukommen 🙂 Letztendlich lagen wir nach zwei bis drei Anläufen beide ganz ohne Gurte dort wo wir hin wollten… und das die ganze Nacht, ohne zu kentern… schwebend über der Erde. Inmitten einer surrealen Geräuschkulisse – wir haben keine Ahnung was da alles um uns herum geklettert ist, welcher Waschbär Schnupfen und welcher Vogel Spaß daran hatte, über uns zu pickern und den Dreck fallen zu lassen – schliefen wir den Umständen entsprechend gut. Aber darum geht es auch nicht… es ist völlig egal, ob wir gut schlafen oder nicht… Es ist das Erlebnis an sich, so etwas machen wir nicht Alletage und das macht es wirklich unvergessen und besonders.

Wer den Wert glücklicher Augenblicke zu schätzen weiß, sammelt Schätze fürs Leben.

Ernst Ferstl

Am nächsten Morgen schauten wir uns einfach nur glücklich und zufrieden an. Keiner von uns wird diese Nacht wohl je vergessen!

Während wir noch schliefen, wurde uns ein Frühstückskorb bereit gestellt. So liebevoll durften wir in den letzten Morgen in Slowenien starten. Wir werden dieses tolle Land in bester Erinnerung behalten.

Traumhafte Berge, die slowenische Adria, die Hauptstadt und der Regen

Traumhafte Berge, die slowenische Adria, die Hauptstadt und der Regen

Nach zwei Tagen der Eingewöhnung in den Reisemodus und mit der gewonnenen oder vielmehr bestätigten Erkenntnis, dass wir große luxuriöse 5-Sterne-Campingplätze mit zu vielen überdimensionalen Super-Deluxe-Wohnmobilen der durchschnittlichen Größe eines doppelstöckigen Reisebusses inklusive deutscher Touristen, welche meinen, sie können auf diese Art ein Stück Freiheit, Natur, Ursprung und Abenteuer einfangen, zukünftig meiden, entscheiden wir uns für die Weiterfahrt in den Triglav Nationalpark. Als einziger Nationalpark und größtes Schutzgebiet des Landes erstreckt er sich mit knapp 84.000 ha über den gesamten slowenischen Teil der Julischen Alpen. Als einer der ältesten seiner Art in ganz Europa beherbergt er über 1.600 verschiedene Pflanzen- und mehr als 7.000 verschiedene Tierarten. Was uns, ohne dass wir lange überlegen mussten, überzeugte, waren die Bilder des smaragdgrünen Flusses Soča, die Wasserfälle, die Berge, die Seen und die erhoffte Ruhe.

Schon die Anfahrt über den Gebirgspass machte Lust auf mehr. Gute 50 Haarnadelkurven brachten uns auf über 1800 Meter und auch wieder herunter. Im Soča-Tal fanden wir, nach vorheriger Recherche, einen gemütlichen kleinen Campingplatz. Gerade einmal zehn Fahrzeuge fanden hier Platz. Hier trafen wir auf ganz normale Camper und keine rollenden 80-Quadratmeter-Apartments. Der freundliche Empfang sowie Sauberkeit und Ordnung trugen sofort zum Wohlfühlen in einer angenehmen familiären Atmosphäre bei. Die zwei kleinen Duschen mit knarrenden Holztüren, nach oben und unten offen, inmitten der Natur und direktem Blick auf die untergehende Sonne hinter den Bergen machten das Ganze irgendwie besonders. So langsam kamen wir unserer Vorstellung vom Reisen mit unserem Rudi etwas näher… was natürlich auch daran lag, dass es an diesem Abend das erste Mal wieder Reis mit Gemüse gab 🙂 Und plötzlich war er wieder da, einer dieser Momente, wo viele kleine Dinge zusammenpassen und es zu etwas Besonderem wird. Wir hatten alles was wir brauchten und fühlten uns wohl… unser eigenes kleines Reich auf vier Rädern und viel Zeit für uns.

Es geht nicht darum wie groß das Haus ist, sondern darum wie glücklich das Zuhause ist!

Wir liefen kilometerlang auf den Wanderwegen rechts und links des Gebirgsflusses. Es gibt Dinge, an denen sieht man sich nicht satt und das gehörte definitiv dazu. Der 140 Kilometer lange Strom mündet in den Golf von Triest, in die Adria und hat auf dem Weg dorthin einiges an Schönheit zu bieten. Kristallklares, türkisblaues Wasser, tiefe Trogschluchten, Wasserfälle, Stromschnellen und Badestellen vermischen sich zu einem besonders beeindruckenden Stück Natur.

Um das ganze noch um einiges besser zu machen, änderten wir mit Blick auf die Wettervorhersage, welche angenehme 27 Grad für den kommenden Tag zeigte, unseren Plan und entschieden, noch eine Nacht länger im Nationalpark zu bleiben. Zudem hatten wir während unserer ersten Wanderung den perfekten Campingplatz für uns entdeckt – direkte Lage am Fluss, kein großer Andrang, ein gemütliches Restaurant und viel Platz… dieser Ort lud uns regelrecht zu einem entspannten Faulenzen in der Sonne ein und derartige Einladungen können wir einfach nicht ablehnen.

Aber wie leben wir eigentlich sonst so in unserem Camper? Wir wollen euch gern noch mehr Einblicke in unser kleines mobiles Heim geben und versuchen, das ein oder andere Highlight einzufangen. Normalerweise beginnen unsere Tage so…

Meist werden wir Morgens (einerseits durch das Zwitschern der Vögel, was die romantischere Version ist – und andererseits durch die 45 Grad im Dachzelt) zwischen acht und neun Uhr wach. Ist es sonnig und warm, öffnen wir schon mit dem wach werden die Fenster rund um unser Dachbett und fangen die ersten Sonnenstrahlen, zusammen mit einem warmen Lüftchen ein.

Sind die Augen einigermaßen munter, krabbeln wir aus unserem Bettchen herunter, öffnen die große Schiebetür, lassen den neuen Tag herein, schmeißen den Gasherd an und köcheln das Wasser für das mit Abstand beste Getränk des Tages, den heißgeliebten Kaffee – auf Reisen ist das im übrigen IMMER, allein schon der Tradition wegen, der gute Lösliche!

Genossen wird der dann im Anschluss – schließlich sind wir Camper – im „Vorgarten“ auf dem Campingstuhl unter der Markise – und nein, wir haben keinen Gartenzwerg 🙂 Wer uns kennt, der weiß, das wir die morgendliche Kaffee-Zeremonie gut und gerne bis zu zwei Stunden ausdehnen können. Wenn wir dann auf dem neuesten Stand der Bild-Schlagzeilen und der Weltpolitik sind, kann das eigentliche Frühstück beginnen. Vorzugsweise gehören dazu neben Müsli und Obst noch frische Eier, Joghurt, Brot und auf jeden Fall Erdnussbutter.

Frischer Joghurt und Käse direkt vom Bauern machen das Ganze noch perfekter 🙂

Danach wird mit den verschiedensten Aktivitäten in den Tag gestartet… am heutigen Tag, auf einem Stellplatz wie diesem, wäre das zum Beispiel das AUSRUHEN 🙂

Mitunter kommt es aber auch vor, dass es morgens, wenn es unsere Planung so verlangt, etwas schneller gehen muss. An Tagen wie diesem gibt es kein ausgedehntes Frühstück. Dann beschränkt es sich zumeist auf einen schnellen Muntermacher-Kaffee zum Start in den Tag. So geschehen am Folgetag… denn DAS MEER RUFT! Zwar sind die Wege in Slowenien verhältnismäßig kurz aber in Gebirgsregionen ohne Autobahnen können Fahrten doch etwas länger dauern. So starten wir relativ zeitig und lassen die Berge vorerst hinter uns. Getreu dem Motto „Meer geht immer…“ hoffen wir auf einen tollen Platz am Wasser. Leider merkten wir schon während der Suche im Internet, dass unsere Vorstellungen hier wieder weit von der Realität abweichen. Da die slowenische Riviera, also der einzige Anteil des Landes an der Adriaküste, nur 46 Kilometer lang ist (im Vergleich dazu besitzt Kroatien fast 1800 Kilometer Küste!), ist leider zu wenig Platz für sonnenhungrige Einheimische und Touristen, was wir schnell zu spüren bekommen.

Eingepfercht zwischen anderen Wohnmobilen in der Nähe eines betonierten Stückes am Meer, hierzulande Strand genannt, ergattern wir den wohl weit und breit letzten Stellplatz für die kommende Nacht. Außer dem freundlichen Pförtner stimmt hier leider nicht viel… schmuddelige Toiletten und Duschen geben der Stimmung ihr Übriges. Entgegen der bisher übersichtlichen Auslastung der Campingplätze ist hier die Hölle los, was sich durch den slowenischen Nationalfeiertag erklären ließ – wir hatten ja keine Ahnung, dass das ganze Land dann zum Meer pilgert! Wir entschieden uns dennoch zu bleiben und verbrachten den Abend in einem kleinen Restaurant an der Strandpromenade der Stadt. Die Atmosphäre in den kleinen Gassen Pirans, das traumhafte Wetter, der gute Wein und das mega leckere Essen ließen uns über die anderen Dinge hinweg schauen.

Aber auch das kann Campen sein. Im Grunde wissen wir nie genau, was wir bekommen. Natürlich  versuchen wir durch eine Vorauswahl größere Katastrophen zu vermeiden aber letztlich ist es doch immer ein Griff in die Pralinenschachtel. Am darauffolgenden Tag hatten wir wiederum das Glück ein tolles Plätzchen gefunden zu haben, jedoch standen wir beim Aussteigen jedesmal knöcheltief im Wasser, da es einfach nicht aufhören wollte zu regnen. Natürlich kann auch diese Vorstellung mitunter romantisch sein – schließlich vermittelt jede Hollywood-Romanze, dass das Geräusch leiser Regentropfen auf Dächern für Romantik steht. In unserem Fall handelte es sich jedoch um 10-Liter-Wassereimer, welche sich minütlich über uns ergossen – und das entspricht jetzt nicht ganz so unserer Vorstellung von Gemütlichkeit.

Des Campers Fluch ist Regen und Besuch!

Doch auch solche Abende gehören dazu. Dann beschränkt sich unser Radius eben nur auf die drei Quadratmeter Innenraum… Mit etwas Geschick lässt sich auch so kochen, essen, waschen, arbeiten, schlafen und leben 🙂

Aufgrund des durchwachsenen Wetters, normalerweise meiden wir Städte lieber, machten wir noch einen kleinen Abstecher in die Hauptstadt. Ljubljana, in deutsch auch Laibach, ist mit 290.000 Einwohnern die größte Stadt des Landes und zugleich einer der kleinsten Hauptstädte Europas. Die Slowenen bezeichnen ihr wirtschaftliches und kulturelles Zentrum als grüne Seele. Wir erleben die Stadt entspannter denn je. In Zeiten von Corona finden weniger Besucher den Weg hier her. Zudem sind, wie schon festgestellt, alle Einheimischen in Anbetracht des Nationalfeiertages Richtung Küste gepilgert – eine gute Chance für uns, durch leere Gassen zu schlendern. Im Zentrum des kleinen Städtchens befindet sich eine Burg, ein kleiner Fluss und zahlreiche malerische Brücken, welche einen Hauch von Venedig versprühen. Entlang des Ufers reihen sich die Restaurants und Cafés – Grund genug für uns, eines der kulinarischen Highlights des Landes zu probieren. Gibanica ist der typische slowenische Schichtkuchen, bestehend aus verschieden Füllungen, unter anderem Quarkmasse, geriebene Apfelstückchen und Blätterteig – ein warmer Traum aus Zucker und Fett 🙂

Sachertorte im Glas und Gibanica

Fazit ist, dass sich ein Ausflug nach Ljubljana auf jeden Fall lohnt. Von Hektik sind die Slowenen hier weit entfernt. Auch wenn der kroatische Nachbar die Menschen hier als humorlos sowie langweilig bezeichnet und sie in der EU den strebsamen „Musterschüler“ geben, spüren wir hier viel Lebensfreude, Gelassenheit und Freundlichkeit. Als erfolgreichstes Land des ehemaligen Jugoslawiens sind Wohlstand und Zufriedenheit deutlich zu spüren – von uns also Daumen hoch!

Wie aus Belize Slowenien wurde…

Wie aus Belize Slowenien wurde…

Belächelt hätten wir wohl diejenigen, welche uns vor ein paar Monaten erzählen wollten, dass wir unser Land, ja sogar unsere Stadt und im Zenit mitunter die eigene Wohnung nicht völlig zwanglos verlassen dürfen. Für uns, als Kinder und Jugend der 90er war das bis zu diesem einen Tag im März 2020, als die Regierung den großen Lockdown ausrief, unvorstellbar. Ein derartiger Einschnitt in die Grundrechte lag weit außerhalb unserer Vorstellungskraft. Bisher stand uns die Welt zu jederzeit und in jede Richtung offen. Doch nun ließ uns eine nie zuvor dagewesene Situation nahezu alle stillstehen und umdenken. Nichts ging mehr und gefühlt hörte die Welt auf, sich zu drehen. Wir saßen zu Hause und realisierten nach und nach, wie ernst die Lage war. Anfangs fühlten wir uns sicher mit dem Gedanken, dass China und diese bis dato noch unbekannte Lungenkrankheit, deren unbedeutenden Namen wir anfangs noch überhörten, weit weg sind. Doch die Nachrichten überschlugen sich und die Gefahr rollte unaufhaltsam, wie ein riesiger Panzer, auf das vermeintlich sichere Deutschland zu. Niemand hätte sich auch nur ansatzweise vorstellen können, was in den folgenden Wochen passieren würde.

Wer hätte gedacht, dass im modernen, fortschrittlichen Deutschland, in welchem ein ständig zugängliches Überangebot an allem nie in Frage stand, tatsächlich eine Zeit kommt, in welcher die Menschen ohne Sinn und Verstand Konserven-, Nudel- und Klopapierregale leer kaufen, in welcher sich die wahren Charaktere – sowohl die guten als auch die schlechten – nach außen kehren, in welcher die Einen versuchen zu helfen und die Anderen ausschließlich an sich denken? Auf diesem Nährboden haben zarte, zerbrechliche Pflänzchen kaum eine Chance, vielmehr sprießen wilde Verschwörungstheorien wie giftige Pilze aus der Erde. Dabei entwickelt sich der Teil, der jede noch so schlechte Schlagzeile glaubt und jener, der die positiven Dinge zu schätzen weiß und realisiert, dass es uns in unserem Land einfach gut geht. Unsere Familien, unsere Freunde und wir sind gesund! Es ist an der Zeit, Dinge zu akzeptieren, nicht immer gegen alles und jeden zu hetzen, das Positive zu sehen, mit sich selbst klar zu kommen und einfach die simple und doch so weitreichende Bedeutung des Wörtchens Zufriedenheit zu leben. 

„Wer einen Regenbogen haben will, muss den Regenbogen akzeptieren.“

Dolly Parton

Sicherlich stellte diese Situation auch uns, als leidenschaftliche Weltreisende, vor unerwartete Herausforderungen. Nichts konnte so stattfinden, wie es geplant und auch schon gebucht war. Die nächste Fernreise war zum Greifen nah, wurde komplett abgesagt und alle weiteren Pläne waren vorerst auf Eis gelegt. Doch das alles ist in Momenten wie diesen zweitrangig und rückt in den Hintergrund. Wir fanden uns schnell damit ab und akzeptierten die Einschränkungen. Was nun zählte, war – und das können wir nur wiederholen – die Gesundheit der Familie, die aller Freunde und natürlich die eigene. So vergingen gute zwei Monate bis ein stück weit Normalität zurückkehrte. Wir gingen wieder regulär arbeiten, einkaufen und trafen Freunde. Nach und nach traten immer mehr Lockerungen in Kraft. Das alltägliche, ganz normale Leben konnte Schritt für Schritt wieder stattfinden. Doch keiner wusste so richtig, ob und wann reisen wieder möglich sein wird. All unsere Nachbarländer kochten beim Thema Tourismus ihr eigenes Süppchen. Die Grenzen waren geschlossen und die Startbahnen der großen Flughäfen waren die wohl teuersten Parkplätze aller Zeiten. Aus unserem Plan A, der Reise nach Belize, wurde eben Plan B. Dieser bestand darin, dass wir Mitte Juni einfach losfahren, inklusive einer Flasche Wein am Vorabend, welche uns im Zweifel bei der Entscheidungsfindung des genauen Ziels helfen sollte. Wir fanden, das genügte vorerst an Planung… was einer von uns zugegebenermaßen gar nicht so leicht fiel… und so zwang diese Situation auch die Planerin unter uns zu etwas mehr Spontanität und Gelassenheit.

Es war wieder einer dieser verregneten Sonntage, in vier Tagen wollen wir starten, die Grenzen sollen am Folgetag öffnen und die Reisewarnung galt schon fast als aufgehoben. Mittlerweile war es uns fast egal, wo wir hinfahren… das Ziel war: Irgendwohin. Mit unserem neuen Familienmitglied, unserem Camper Renate-Rudi (er trägt in Anlehnung und Dankbarkeit an unsere erste Camping-Erfahrung in Neuseeland und in Gedenken an eine besondere Person, die mit uns auf Reisen geht, einen Doppelnamen) sind wir unabhängiger denn je. Zur Auswahl standen Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, Norwegen, Kroatien, Ungarn, Österreich, Kroatien – eigentlich der Großteil nahegelegener Länder Europas. Erst durch Zufall stießen wir, an jenem verregneten Sonntag, auf Slowenien. Wir klickten uns durch die Bilder und die unwahrscheinlich gut beworbenen Internetauftritte dieses kleinen Landes, welches gerade einmal der Fläche von Rheinland-Pfalz entspricht. Wir fanden ein wahres Paradies für unsere erste, echte Tour mit RRudi. Die perfekte Richtung für unsere Jungfernfahrt stand so gut wie fest… und das sogar ohne die angekündigte Flasche Wein! Wir packten eine kleine Grundausstattung an Camper-Utensilien, Essen und Getränken ein und starteten Richtung Süden.

Eine kleine Auswahl an Reis und Co… der Alkohol befindet sich in einer extra großen Kiste 😉

Nur knapp 700 Kilometer sind es bis zu unserem ersten Halt in Slowenien, dem Bleder See. Er gilt als der wärmste aller Alpenseen und für die Slowenen ist es natürlich auch der schönste! Eine kleine Insel mit der Marienkirche in der Mitte des Sees macht diesen tatsächlich zu etwas Besonderem.

Leider (das müssen wir an dieser Stelle sagen) ist Slowenien schon sehr erfahren, was Tourismus und vor allem Camping betrifft, sodass viele der Orte, welche wir vorab buchen können und im Internet zu finden sind, Anlaufpunkte für zahlreiche (für uns viel zu viele) deutsche Touristen sind. Die bisher angewandte Tarnung als russische Olgas fällt hier aufgrund unseres Kennzeichens schnell auf, wodurch wir unsere Herkunft nicht lange leugnen können. Uns bleibt also nichts weiter übrig, als uns jedesmal ein freundliches „Hallo“ oder angesichts der Tageszeit noch schlimmer, ein nettes „Guten Morgen“ herauszupressen. Trotz der Ausmaße unseres ersten Stellplatzes auf einem der größten Campingplätze in dieser Region haben wir viel Platz und können jeglicher Art der tiefergehenden Kommunikation entfliehen. Unser Motto:

Wir sind nicht schüchtern, wir sind unfreundlich!

Auch wenn wir keine Camper-Bekanntschaften machen wollen und lieber unter uns sind, fangen wir dennoch schnell an, diese Art des Reisens und die Freiheit zu genießen. Wir knüpfen, diesmal mit etwas mehr Komfort, an Neuseeland an und schätzen das Leben in unserem kleinen, mobilen zu Hause.

Es gibt viele Wege zum Glück… einer davon ist campen 🙂

Das Land und uns versuchen zu verstehen…

Das Land und uns versuchen zu verstehen…

Das Albanien nicht zu den typischen Reiseländern gehört ist uns durchaus bewusst. Allein die fragenden, nahezu verzweifelten, mitleidigen Blicke, als wir bei Freunden und in der Familie erzählten wo die Reise hingeht, sagten so einiges über den Bekanntheitsgrad sowie die Akzeptanz zu Ländern wie diesem. Es ist eben nicht Malle, Ägypten oder Italien! Dennoch steht es diesen Ländern in absolut nichts nach. Im Gegenteil, der Balkanstaat ist bisher noch vom Massentourismus verschont geblieben, ist ursprünglich, vielfältig, besticht durch wunderschöne Landschaften und ist simpel sowie sicher zu bereisen. 

Das Reiseziel ist nie ein Ort, sondern eine neue Art, die Dinge zu betrachten.

Henry Miller

Natürlich gibt es auch genügend Gründe gegen dieses Land, welche zum Beispiel auch einen EU-Beitritt nach wie vor ausschließen. Aber als Deutsche könnten wir anhand derartiger Argumentationen wahrscheinlich kein anderes Land dieser Welt bereisen (außer vielleicht die vorbildliche Schweiz, die vermeintlich problemfreie Insel mitten in Europa). Seit über fünf Jahren ist Albanien offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union und versucht die Voraussetzungen hinsichtlich einer möglichen Umwandlung dieses Status’ zu erfüllen. Immer wieder wollte die EU zu Beitrittsverhandlungen ansetzen, doch bis heute gibt es Ungereimtheiten in Sachen Wahlrechtsreform, der Bestellung von obersten Gerichten und in der Bekämpfung der Korruption. 

Sicher ist die Einstellung der Menschen hier eine andere als wir sie kennen! Hier wird uns kein übermotivierter, extrem fleißiger, ehrgeiziger, überdurchschnittlich arbeitsamer, junger Albaner über den Weg laufen! Eine derartige Mentalität muss über Generationen wachsen, was in vielen Ländern nie geschehen ist! Dieser Staat ist einer der ärmsten Europas, war besetzt von den Nationalsozialisten, danach lange Zeit kommunistisch und stets fremdbestimmt von Diktatoren, welche nicht einmal eine Religionsausübung duldeten und den Staat bis 1990 zum ersten atheistischen Staat weltweit erklärten. Noch heute wissen viele der Einheimischen nicht so richtig wohin mit ihrem Glauben, ihrer Zugehörigkeit und ihrer Meinung. Viele hängen sich einfach an die Tradition der Familie, welche vor Zeiten der Fremdherrschaft größtenteils muslimisch geprägt waren. Unterstützend taucht hier heute der Einfluss der Türkei auf, welche den Aufbau vieler Moscheen im Land subventioniert. Über weiterführende fragwürdige Einflüsse diesbezüglich hält man sich hier eher bedeckt…  

Wirtschaftlich ist Albanien gelinde gesagt nicht ganz so gut gestellt und die Tabelle als Hauptlieferant von Drogen anzuführen, ist auch nicht der erstrebenswerteste Platz Nummer eins. Was jahrelang unterdrückt wurde, kann nicht von heute auf morgen eigenständig funktionieren. Albanien katapultierte sich über Jahre zusehends in die Selbstisolierung, durch welche das Land heute noch leidet. Was uns hier gegenübertritt ist ein misstrauisch wirkendes Volk, welches nach und nach versucht, im modernen Europa Fuß zu fassen. Hier müssen wir zuerst lächeln und lange auf ein verhaltenes Schmunzeln als Antwort warten. Junge Männer ohne große Perspektiven dominieren das Straßenbild. Wer im Tourismus nicht unterkommt und der Landwirtschaft des Hinterlandes entfliehen will hat wenig Chancen auf Arbeit. Genau diese Frustration ist hierzulande leider sehr deutlich zu spüren. Auf den Straßen weichen wir den skeptischen Blicken schlichtweg aus, doch beim Einkauf in den kleinen Supermärkten merken wir umso deutlicher, dass die Menschen unzufrieden sind. Wo wir Gastfreundschaft erfahren, ist in Restaurants und Hotels. Während diese Bereiche die Besucher ihres Landes zu schätzen wissen, ist der „ganz normale Albaner“ eher kühl und reserviert. Aber in ein paar Jahren wird es vielleicht auch der Eigentümer des letzten kleinen Tante-Emma-Ladens verstehen, dass es nicht von Nachteil ist, zwei Touristinnen einfach auf ein nettes „Hallo“ freundlich zu antworten und sich zu bedanken, wenn man etwas bei ihm kauft und Trinkgeld gibt… 

Denn das ist eben die große und gute Einrichtung der menschlichen Natur, dass in ihr alles im Keim da ist und nur auf eine Entwicklung wartet.

Johann Gottfried Herder 

Landschaftlich hat Albanien, als kleines südosteuropäisches Land auf dem Balkan, wie bereits erwähnt, wirklich einiges zu bieten. Mit einem ausgedehnten Küstenstreifen entlang der Adria und des Ionischen Meeres sowie den Albanischen Alpen im Landesinneren sind die Voraussetzungen für eine beeindruckende Reise auf jeden Fall gegeben. Wir haben das Land von Nord nach Süd durchquert, wodurch wir all’ das erleben durften… einsame Strände, wunderschöne Berglandschaften, Schluchten, Seen und besonders das ganz normale, ursprüngliche Leben dazwischen. 

   

 

Unsere Anlaufpunkte von Nord nach Süd, 1600km in 15 Tagen 

 Von verschlafenen Bergdörfern über belebte Strandorte, bis hin zu absoluten Tourismusmagneten… von „Wir haben Angst in dieser Einsamkeit zu schlafen.“ bis „Das sind uns echt viel zu viele Menschen.“ waren alle Zustände vorhanden. Zu Letzterem zählte definitiv auch Gjirokastra, eines der Ziele auf unserer Route Richtung Süden. Gjirokastra gehört zu den ältesten Städten des Landes, zählt seit 2005 zum UNESCO-Welterbe und gilt als wichtiges kulturelles Zentrum Südalbaniens. 

  
 
  

Der Charme der kleinen Gassen und der alten Gemäuer sollte keinem verwehrt bleiben… und so treffen wir eine Reisegruppe nach der anderen! Das Schlimme sind ja nicht diese komischen Menschen an sich… wir sind ja schließlich auch welche und wir sind auch Touristen und ziemlich eigenartige noch dazu 🙂 Auch wir wollen uns das alles anschauen, aber wir versuchen uns so gut es geht anzupassen! – Anpassung: das Sicheinstellen auf jemanden, etwas; das (sich)einfügen; angleichen. – Manchmal fragen wir uns, ob der moderne Mann/ die moderne Frau das verlernt hat, es als Schwäche sieht, zu arrogant ist, es einfach nicht mehr nötig hat oder schlicht und weg zu blöd dafür ist! Diese Reisegruppen… und das gilt IMMER und für alle, wenn die Gattung Mensch in geballter Form auftritt, egal welche Nationalität… sind laut, rücksichtslos, haben kein Benehmen, lassen ihren Müll überall liegen und führen sich auf wie der Elefant im Porzellanladen!  

Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.

Hans M. Enzensberger  

  
  
 

                              Um Jahre zurück versetzt… der Blick in die kleinen Läden der Stadt 

Ein weiterer Anlaufpunkt, an welchem die Touristen in Scharen abgekippt werden, ist das sogenannte „Blue Eye“. Als wasserreichste Quelle des Landes ist das Blaue Auge Albaniens eines der Highlights für Besucher. Die genaue Tiefe des in Landessprache „Syri i Kaltër“ wurde bis heute nicht erforscht. Der Quelltopf überzeugt im Sonnenlicht durch wahnsinnig klare Farben. Mit einer Temperatur von ziemlich konstanten 12,75 Grad lädt er uns jedoch eher weniger zum Baden ein. Während wir in den ersten Tagen kaum Touristen trafen, häufen sich unsere Begegnungen im Süden umso mehr. Dann entwickelt sich immer ein gewisses „Fluchtverhalten“ in uns. Bei zu vielen Menschen wollen wir einfach nur weg. Zudem fragen wir uns jedes Mal wieder, was an großen Hinweis- oder Warnschildern so schwer zu verstehen ist?! Liegt es tatsächlich in der Natur des Menschen, über diese hinwegzusehen? Hat deren Beachtung, besonders in fremden Ländern, nicht auch etwas mit Respekt zu tun? „NICHT SPRINGEN“, stand groß und breit auf der kleinen Aussichtsplattform über der wunderschönen hellblauen Quelle. WARUM steht dann direkt neben uns ein übergewichtiger Herr mittleren Alters in roter Badehose und springt kopfüber in diese Quelle??!! Müssen wir für soviel Dummheit noch Verständnis zeigen??!! Ohne Worte machen wir ein paar Bilder für positivere Erinnerungen und verschwinden…  

  
  

Aber was sollen wir uns weiter über die Dummheiten der Touristen aufregen, wenn wir unsere Energie viel nützlicher einsetzen können 🙂 In Anbetracht der Tatsache, dass eine von uns so ziemlich jedes Tier niedlich findet… egal ob Käfer, Maus, Nacktmull, Stinktier, Warzenschwein oder Elefant… wenn einfach alles, und wirklich alles „siiiiiieeeeeeß“ ist… schenken wir unsere Aufmerksamkeit jenen Lebewesen, die es wirklich verdient haben und nichts für ihre Situation können – die Straßenhunde und -katzen. Das ist jedoch einfacher gesagt als getan. Denn als die gefühlt ersten und einzigen Personen, welche in Albanien jemals Hunde- oder Katzenfutter kaufen möchten, werden wir im ersten Supermarkt nur ungläubig angeschaut. So bedurfte es schon mehrere Anläufe, um uns mit Leckerlies einzudecken und kleine hungrige Mäuler wie diese zu stopfen…  

 

 

 Nicht nur die Landschaft und die Anzahl an Touristen war von großer Vielfalt und reger Abwechslung geprägt, auch unsere Gemüter, Köpfe und Gedanken durchlebten eine kleine Achterbahnfahrt. Von 

 Phase 1: „Wir machen nur einen kurzen Wochenendtrip.“ über  

Phase 2: „Wir sind schon wieder ewig unterwegs und waren die letzten fünf Monate überhaupt nicht zu Hause.“ bis hin z   

Phase 3: „Es reicht uns und wir möchten eigentlich lieber wieder heim.“ durchlebten wir in dieser kurzen Zeit alles.

Eine Erklärung für dieses ganze Hin und Her haben wir nicht wirklich. Wahrscheinlich ist es ein Zusammenspiel aus verbleibenden Gefühlen der Weltreise, neuen Eindrücken und vor allem der Vorfreude auf all‘ das, was uns die nächsten Wochen und Monate zu Hause erwartet. Wie kleine Kinder freuen wir uns schon heute auf die Weihnachtszeit, welche wir im letzten Jahr nicht so erlebten, wie wir es gewohnt waren… UND WIR2 LIEBEN EINFACH ALLES AN DIESEM FEST! Wir können es kaum erwarten diese ganzen Düfte zu riechen, den ersten Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt zu trinken und Plätzchen zu backen… das alles ist an Vorfreude kaum zu übertreffen.  

Es ist ein ungeheueres Glück, wenn man fähig ist, sich freuen zu können.

George Bernard Shaw 

So viele wundervolle Dinge, die uns tatsächlich nach nicht einmal zwei Wochen so etwas wie Heimweh verspüren lassen. Ein Gefühl, welches wir in dieser Form noch gar nicht wirklich kannten. Aber das ist auch überhaupt nicht schlimm, völlig in Ordnung und irgendwie auch richtig schön… Denn das wichtigste ist doch, dass wir uns anschauen und genau wissen, was in dem Kopf der Anderen gerade vor geht.  

 

Unsere letzten Tage in Albanien verbringen wir in einem kleinen gemütlichen Hotel am Strand in einem kleinen Ort namens Dhermi. Wie im Großteil des Landes verirren sich in der Nachsaison nur wenige Gäste hierher. Nach den Touristenspots finden wir hier richtig viel Ruhe, leere Strände und genau das, was wir wollen… nichts 🙂  

Nur wer ab und zu gar nichts tut, hat die Chance, das Leben zu spüren.  

  
  
 
„Ankommen“ in Albanien…

„Ankommen“ in Albanien…

Mittlerweile ist der Eindruck des „Wochenendtrips“ verflogen und wir fühlen uns, als wären wir nie wirklich zu Hause gewesen. Unsere Köpfe wissen das alles scheinbar nach wie vor nicht einzuordnen und schalten lieber wieder in den Reisemodus… von jetzt auf gleich, von einem Moment auf den anderen schließen wir an die Weltreise an. Sind wir tatsächlich fünf Monate zu Hause arbeiten gewesen und hatten so etwas wie Alltag? Momentan ist das alles schon wieder unvorstellbar weit weg. Auf den Tag genau vor einem Jahr starteten wir in eine der wohl schönsten Reisen unseres Lebens… eine Zeit, welche noch immer alles mit einem zauberhaften Licht überstrahlt und unseren Blick auf die Welt so viel schöner macht. Mit einem weinenden und einem lächelnden Auge blicken wir heute um so sentimentaler zurück und sind zugleich traurig, aber auch unglaublich glücklich, all‘ das erleben zu dürfen – auch wenn unsere Köpfe gerade etwas hinterherlaufen…

Gefühle klopfen nicht an die Tür und fragen, ob es gerade passt.

Nach den anfänglich wirklich gruseligen, beängstigenden und nahezu schlaflosen Nächten, welche diese Reise zugegebenermaßen in den ersten Tagen schon unvergessen machten, wartete eine ganz besondere, vor allem völlig unerwartete Überraschung auf uns. Eigentlich wollten wir lediglich die 500 Serpentinen der Rückfahrt ins Flachland umgehen, wodurch wir über das Hotel einen Platz auf der Autofähre buchen ließen. Diese Reservierung war im übrigen auch extrem wichtig, da nämlich nur noch ungefähr 90% der Stellflächen frei waren 🙂 Aber wie sagen wir Deutschen immer so schön… Besser man hat, als man hätte! Irgendwie steckt diese komische Eigenschaft noch immer tief in uns. Das ist ungefähr vergleichbar mit den verschiedenen Typen beim Thema Tanken! Eine von uns würde am liebsten schon die nächste Tankstelle ansteuern, sobald einer der digitalen Striche der Anzeige verschwunden ist und die Andere fährt mit Reserve noch bis in das übernächste Bergdorf. Aber irgendwann lernt man eben mit den kleinen Macken umzugehen, lächelt gemeinsam darüber und trifft sich irgendwo dazwischen (aber da das Argument „Sicherheit“ – immer angebracht von der Realistin unter uns – oberste Priorität hat, tanken wir also lieber gleich *haha*). Jedenfalls ahnten wir beide nicht im Entferntesten was uns die nächsten zwei Stunden auf dieser Fähre geboten wurde!

Eine albanische Autofähre schippert irgendwo im Nirgendwo über einen Stausee! Natürlich haben wir uns vorher belesen, wodurch ein kleiner positiver Vorgeschmack entstand… uns aber nicht im Entferntesten vorstellen können, wie das in Wirklichkeit aussehen wird. Schnell merkten wir, dass das definitiv eines der Highlights unserer Reise werden wird. Ohne zu übertreiben, kamen hier tatsächlich die Erinnerungen an Neuseeland hoch! So schön ist Albanien…

Die Welt gehört dem, der sie genießt.

Giacomo Leopardi

Dazu kam noch eine richtig gute Tat für unser Karma-Punkte-Konto 🙂 Trotz unserer Scheu gegenüber anderen Menschen und einer eher isolierten Art zu reisen, nahmen wir zwei gestrandete Deutsche mit zurück in die Stadt. Lothar und Didi aus Würzburg hatten auf ihrer Tour über Kroatien nach Albanien bereits die zweite Autopanne und mussten auf Ersatzteile aus dem Kosovo warten. Das ist schon echt viel Pech, fanden wir und hatten Mitleid (welches wir sonst nur mit Tieren haben, weswegen unser Auto auch voller Hunde- und Katzenfutter ist)! Auch unsere Geschichte von zwei polnischen, nichts verstehenden, taubstummen Reisenden fanden wir hier etwas übertrieben 🙂 So entschlossen wir uns zu helfen und brachten die vom Unglück Verfolgten in die ungefähr zwei Stunden entfernte, nächste größere Stadt… wo wir ohnehin selbst hinfahren wollten. In Shkodra angekommen lieferten wir die Zwei am Hotel ab, checkten danach selbst in unseres ein und ließen den Tag, voller Stolz auf unsere Nächstenliebe gemütlich ausklingen. Der Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen kamen wir allerdings nicht mehr nach… gute 120 Minuten Gesellschaft sollten auch genug an deutscher Kommunikation mit fremden Menschen für diese Reise gewesen sein. ALLEIN ZU ZWEIT ist doch irgendwie schöner…

Shkodra ist mit circa 150.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt des Landes. Sie gilt als kulturelles Zentrum Nordalbaniens, von welchem man in nur etwa 34 Kilometern Montenegro erreichen kann. Gegenüber unseres Hotels sehen wir eine alte verfallene Ruine… das wird unser Plan für heute: der Aufstieg zur sagenumwobenen Burg Rozafa.

Glaubt man der Legende, bauten einst drei Brüder die Burg. Vom Pech verfolgt, war jedoch jegliche Anstrengung umsonst und die Mauern stürzten jede Nacht wieder ein. Für die ewige Haltbarkeit, sprach einestages ein alter Mann, müssten eine Frau eingemauert werden. Die Brüder vereinbarten, die Ehefrau zu opfern, welche am nächsten Tag als erste das Mittagessen bringt. Entgegen der Abmachung weihten die beiden älteren Brüder ihre Ehefrauen in den Plan ein. Infolgedessen war es die junge Rozafa, die am nächsten Tag am Bauplatz erschien. Sie nahm ihr Schicksal tapfer hin, bat aber darum, dass man eine ihrer Brüste, einen Arm und ein Bein verschont. So konnte sie ihrem Kind weiterhin die Brust geben, es streicheln und die Wiege schaukeln. Noch heute soll bei Regen eine milchige Flüssigkeit den Burgberg hinab laufen.

Ohne eine derart glaubhafte Legende, aber dennoch eine kleine Reise wert ist die Mesi-Brücke. Aufgrund des guten Zustands ist sie heute eine der bedeutendsten Überreste des Osmanischen Reiches. Sie wurde vermutlich im 18. Jahrhundert erbaut, ist 108 Meter lang und war Teil einer Handelsroute, die entlang der Albanischen Alpen nach Kosovo führte – ein Weg, den schon die Römer benutzten.

Immer beeindruckter von der Vielfalt des Landes starten wir unseren Roadtrip am nächsten Tag weiter Richtung Süden. Wir möchten in einen Ort namens Berat. Als UNESCO-Welterbe steht „Die Stadt der tausend Fenster“ unter besonderem Schutz. In den Stadtteilen mit den typisch historischen weißen Häusern sind Neubauten verboten. Insbesondere aus diesem Grund sowie den zahlreichen Moscheen und Kirchen gilt Berat als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes.

Wir sind begeistert von dem außergewöhnlichen Flair der Stadt. Während der Ort im wunderschönen Abendrot versinkt, wechseln sich die Rufe des Muezzins mit dem Leuten der Kirchturmglocken ab. Über den Dächern Berats sitzen wir auf unserem Balkon und lauschen dem friedlichen Treiben. In solchen Momenten wünschen wir uns oft, dass viel mehr Menschen das sehen könnten, was wir sehen… und vor allem auch denken. Unsere Welt ist so viel mehr als die eigene Heimat, die vertraute Umgebung und bekannte Kulturen…

Am nächsten Morgen fahren wir, nach dem weltbesten Hotel-Frühstück (es gab sogar hausgemachte Pancakes mit Schokosoße!!!), ungefähr zwei Autostunden ins Landesinnere. Wir wollten es anfangs nicht glauben, aber Albanien besitzt einen richtig ernstzunehmenden Canyon, den Osum Canyon. Die tief in die Landschaft eingeschnittene Schlucht ist etwa 13 Kilometer lang, zwischen 2 und 30 Meter breit, 70 bis 80 Meter tief und gilt als kleiner Bruder des „wahren“ Grand Canyons.

Schon die Fahrt zum Canyon ist ein echtes Erlebnis!

Wie bei jeder unserer Wanderungen, laufen wir natürlich stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 29 Grad auf irgendwelchen Wegen, die keine sind… und das auch immer schön am unbefestigten Abgrund entlang. Hier draußen, wo selbst die kleinen Schildkröten nicht überleben, schlagen wir uns tapfer durch 🙂 Nach einem großflächigem Brand oberhalb des Canyons können wir weder einen der Wanderwege, noch ein Stückchen Schatten finden. Die Eine vornweg und die Andere mal mehr und auch mal weniger gut gelaunt (in dem Falle schnaufend und fluchend) hinterher… Aber die Aussicht lässt uns die Strapazen wie immer vergessen. Wie ihr seht… daran hat sich absolut nichts geändert 🙂

Besser einmal ein bisschen zu weit gehen, als nie weit genug!

„Leichte Startschwierigkeiten“ in Albanien

„Leichte Startschwierigkeiten“ in Albanien

Der erste Urlaub nach unserer Weltreise! Nach reichlich fünf Monaten Heimat, wertvoller Zeit mit Freunden und Familie… aber auch viel Arbeit, sich langsam einschleichendem Alltag und dem allmählich wachsenden Wunsch nach einer Rückkehr in das Unbekannte, Leichte und Abenteuerliche packt uns so langsam das Fernweh. Auf der einen Seite sind wir glücklich und zufrieden, zehren noch immer von unendlich vielen Erinnerungen… aber andererseits sind wir im Kopf mehr unterwegs als zu Hause und irgendwie schon wieder neugierig auf neue Länder, Kulturen und Erlebnisse. Doch wie fühlt es sich eigentlich an, ganz normale zwei Wochen zu verreisen, wenn man vorher das wohl größte sechsmonatige Abenteuer des Lebens hatte? Die Antwort ist genauso einfach wie kompliziert: Richtig komisch! Oft haben wir uns gefragt, wie unsere Zeit nach der Weltreise wohl aussehen wird? Verändern wir uns oder kommen wir zurück und machen einfach so weiter wie bisher?

Die Antwort darauf blieb lange Zeit aus und kommt nicht von jetzt auf gleich. Erst nach und nach, Stückchen für Stückchen merken wir, dass mit den Monaten irgendwie doch alles ein wenig anders ist… Natürlich sind wir nach wie vor „Wir2“ wie man uns kennt und hoffentlich auch liebt 🙂 …aber in unseren Köpfen hat sich dennoch einiges gedreht. Wir sehen in vielerlei Hinsicht einfach keine Probleme mehr, wo früher vielleicht welche waren. Wir lassen es einfach auf uns zu kommen… denn es gibt IMMER für ALLES eine Lösung! Die bevorstehenden zwei Wochen Albanien fühlen sich momentan an wie ein kurzer Wochenendtrip. Selbst im Flugzeug, bereits abgehoben und über den Wolken, können wir nur schwer realisieren, dass wir verreisen. Wir landen keine zwei Stunden später bei sonnigen 27 Grad in Tirana, einer anderen Welt als die uns Vertraute, aber greifen können wir das derzeit noch nicht… ein Gefühl, welches wir beide gleichermaßen haben und nur schwer in Worte fassen können.

Wenn wir jedoch eines auf unserer großen Reise gelernt haben, dann ist das die Erkenntnis, dass wir zu 90% die gleichen Gedankengänge haben. Ob das gut ist…? Wahrscheinlich manchmal mehr und manchmal weniger 🙂 Größtenteils finden wir es aber schon ziemlich praktisch! Es erspart viele Erklärungen und Worte, die vielleicht auch falsch verstanden werden könnten. Wir sind definitiv nicht immer einer Meinung aber wir blicken, denken und fühlen oft in dieselbe Richtung… was uns wohl auch den Anfang dieser Reise, inklusive dieses ganzen Gefühlschaoses um einiges erleichtert!

Ein zweiter, überaus wichtiger Aspekt, welchen wir gelernt haben anzuwenden… Nimm die Dinge einfach so hin wie sie sind und blicke mit einer gewissen Gelassenheit darauf! Und glaubt uns, es gibt so verdammt wenig Augenblicke im Leben, die es wert sind, sich aufzuregen, verrückt zu machen oder zu ärgern! Und getreu diesem Motto machten wir uns keine großen Gedanken und ließen einfach alles auf uns zukommen. Wir sind zusammen und haben Zeit für uns, Zeit die Welt zu entdecken… und das ist schließlich alles was zählt!

Angekommen in Tirana funktionierte alles wie vor ein paar Monaten… Rucksäcke schnappen, einreisen, danach Geld, lokale SIM-Karte und Mietwagen holen und auf ins Unbekannte. Da unsere Route grob feststand, fuhren wir erst einmal Richtung Norden in unser erstes Hotel am Strand.

Schnell merkten wir, dass die Saison vorbei (oder vielleicht auch noch nie da) war. Es war keine Menschenseele weit und breit, außer ein paar Einheimische (im übrigen ausschließlich Männer, da die Frauen in den ländlichen Gegenden kaum Haus und Hof verlassen). Sogar im Hotel sind wir die einzigen Gäste, was wahrscheinlich auch die Bauarbeiter dazu veranlasste, den Presslufthammer extra tief und laut in die Wand unseres Untergeschosses zu hauen! Da wir aber am Nachmittag schon ahnten, dass die in Jeans, Strickpullover und leichten Turnschuhen bekleideten jungen, hochmotivierten Herren nicht sehr ausdauernd sind, hatten wir schnell wieder Ruhe. Nachdem wir das einzig offene Strandrestaurant weit und breit gefunden hatten, richtig lecker gegessen haben und es Wein aufs Haus gab – die albanische Gastfreundschaft lässt grüßen, ließen wir den ersten Tag gemütlich ausklingen.

Allein im Hotel, irgendwo in der Pampa Westalbaniens… wer uns besser kennt, der weiß, dass in solchen Momenten zumindest eine von uns leichte Ausschläge der Pulsfrequenz bekommt 🙂 Wir liegen im Bett, versuchen zu schlafen, der Wind pfeift durch jede Ritze und die Wellen peitschen in sicherer Entfernung Richtung Strand. Dennoch hören wir jedes nicht natürliche Geräusch, glauben mitten in der Nacht Schritte wahrnehmen zu können und stehen bei einem kurzen Ruck an der Tür zeitgleich neben unserem Bett. Beängstigend… wenn man sich mit maximal einem Stuhl wehren könnte! Doch ein kurzer Blick aus dem Fenster lässt uns (mehr oder weniger) beruhigt zurück ins Bett fallen… hier ist keiner… und trotzdem bleibt es eine eher schlaflose Nacht.

Müde und mit dicken Augenringen beschließen wir, uns für die kommende Nacht ein größeres Hotel in einer bewohnten Gegend, in Stadtnähe zu suchen. Unsere Wahl fällt auf den zweitgrößten Ort des Landes, Dûrres. In der Annahme, dass wir hier eine ruhigere Nacht verbringen, freuen wir uns auf die neue Unterkunft und den Tag, welcher vor uns liegt.

Heutiges Ziel ist eine kleine Landzunge, das Kap Rodon. Es ist eine in die Adria hinauslaufende, fast zehn Kilometer lange Landspitze in Mittelalbanien. Neben alten Klöstern und wundervollen Küstenabschnitten finden wir auch die für Albanien typischen Bunkeranlagen. Etwa 200.000 davon entstanden zwischen 1972 und 1984. Die Bunker sollten der Verteidigung des Landes im Falle eines Angriffs durch ausländische Truppen dienen. Getreu der albanischen Staatspropaganda der 70er Jahre „Das Vaterland zu verteidigen ist eine Pflicht über allen anderen Pflichten.“ stehen die Bunker wie überdimensionale Pilze heute noch im ganzen Land.

Auch hier ist die Anzahl der Besucher überschaubar, was genau unseren Geschmack trifft und wir können die Landschaft und die Ruhe ganz allein genießen, bevor wir am Nachmittag in einem kleinen Restaurant unweit des Kaps einkehren.

Was dann passierte, können selbst Wir2 bis heute nicht glauben! 

Es ist für albanische Verhältnisse wahrscheinlich eine etwas gehobenere Gaststätte, die Tische sind mit weißen, sauberen Stofftischdecken gedeckt, im Eingangsbereich steht ein überaus gut gefülltes Weindepot und die Kellner sind schick gekleidet. Wir haben ein gemütliches, schattiges Plätzchen im Außenbereich gefunden und fühlen uns herzlich willkommen. Während unserer Wahl der Vor- und Hauptspeise, irgendwo zwischen den Zeilen des griechischen Salats und des Meeresfrüchte-Rissottos… fängt plötzlich, wie aus dem Nichts, der Boden unter uns an zu vibrieren… unsere Füße wackeln, erst langsam und dann immer heftiger. In unserer Naivität (ja… diese Erfahrung blieb uns bis dato erspart) dachten wir zuerst an einen tonnenschweren LKW oder Bagger, der unmittelbar vorm Durchbruch der Wand des Restaurants steht oder sonstige Dinge, welche Männer so auf DMAX anschauen!!! Wir2 hatten doch keine Ahnung! 

Doch als die dicken Holzpfeiler, das mit Weinreben behangene Dach und die massiven Wände des Hauptgebäudes ebenfalls anfingen zu wackeln und sich zu bewegen, wussten wir, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit keine unserer Ideen sein kann.

Während die Kellner und das Küchenpersonal das Gebäude bereits verließen, saßen wir wie gelähmt an unserem Tisch und fühlten uns völlig hilflos. Als Eine von uns doch irgendwie dem Automatismus der Anderen ohne groß nachzudenken folgte und sich ein paar Meter vom Tisch entfernte, blieb die Andere einfach sitzen und beobachtete das Treiben ohne jegliche Regung mit ihren großen blauen Augen! Mit den schroff ausgesprochenen Worten: „Komm jetzt mit her!“, waren allerdings auch schon um die 30 Sekunden vergangen und nichts war mehr zu spüren. Noch immer wussten wir die Situation nicht wirklich einzuordnen. Ist das jetzt ernst? Müssen wir hier weg? Und was zum Teufel war das überhaupt??? Doch da sich alle wieder recht schnell an die ursprünglichen Arbeiten machten, wichen wir von unserem Plan (schließlich haben wir Hunger) auch kein Stück ab und bestellten unser Essen. Keine viertel Stunde später stand unser Salat auf dem Tisch, der Boden, die Pfeiler und die Wände fingen erneut an, sich von unten in Wallung zu bringen und wir (hatten vom ersten Mal bereits gelernt!) folgten dem Personal des Restaurants in sichere Entfernung. Mittlerweile wussten wir, dank des World Wide Webs , dass die Erde in Albanien bebt. Doch was macht man mit diesem Wissen in einer solchen Situationen? Richtig… das, was alle anderen machen! Erstmal nichts! Und sobald die Erde sich beruhigt… zurück zum Ausgangspunkt. Ehrlich gesagt, hatten wir absolut keine Ahnung über die Ausmaße sowie über die Ängste, welche Katastrophen wie diese auslösen können!

Eine der ersten Twitter-Meldungen nach dem Hauptbeben.

Erst am nächsten Tag erreichten die Schlagzeilen die Tagesschau.

Was wir im Außenbereich des Restaurants noch ganz gut verarbeiten könnten, holte uns im Hotel am Abend schneller ein als gedacht. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche krassen Urängste in jedem entstehen, wenn man einer solchen Kraft der Natur ausgesetzt ist! Von den über 300 Nachbeben, haben mindestens fünf weitere durch ihre Stärke unsere Hotelwände und -betten wackeln lassen. Während wir das Hotel gegen Mitternacht unter leichter Panik noch einmal verließen, blieben wir während der weiteren Erschütterungen im Zimmer und versuchten uns gegenseitig zu beruhigen. Ein unbeschreibliches tiefsitzendes Angstgefühl, welches wir hoffentlich nicht noch einmal erleben müssen!

Auch das lesen wir in unserer Verzweiflung!

So blöd das auch klingen mag… Aber selten waren wir so erleichtert, die Sonne am nächsten Morgen aufgehen zu sehen. Ein letztes kurzes Rütteln unseres Bettes holte uns viel zu früh aus dem leichten Schlaf der vergangenen Nacht. Nach dem Frühstück kehrten wir der Küstenregion vorerst den Rücken und starten in Richtung Albanische Alpen.

Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob die „Flucht“ in die Berge, die Fahrt entlang tiefer Schluchten und durch kilometerlange Tunnel in einer solchen Situation die beste Wahl ist, aber zumindest war die Strecke wunderschön und unser italienischer Hotelier versicherte uns in gebrochenem Englisch, dass wir „safe“ sind und er hier, inmitten der Alpen, fünf Autostunden entfernt von der Küste, nichts von alledem mitbekommen hat! Sein Wort in Gottes Ohr! Nach einem überaus leckerem Essen inklusive einheimischem Bier, welches wir in einem ausgetrockneten Flussbett genießen, wurde das die bisher beste Nacht für uns in Albanien 🙂

Doch die nächste „kleine Geschichte“ ließ nicht lange auf sich warten. In die Alpen fahren, heißt natürlich wandern gehen! Ausgeschlafen und nach einem leckeren, liebevoll zubereiteten Frühstück wollten wir eine der unzähligen Routen inmitten dieser tollen Landschaft laufen. Wir hatten uns für einen 12-Kilometer-Trail entschieden. Alle Zeichen, tatsächlich auch die der mit Abstand unzuverlässigsten Apple-Wetter-App, standen auf Regen! Aber wir ignorierten das einfach alles weg… eiskalt blendeten wir dieses unwichtige Detail aus!

Das klappte super! …zumindest die ersten drei Kilometer, dann öffnete sich irgendwo ein Ventil und schüttete bis zum Abend volle Wassereimer über uns aus. Fluchend und nass bis auf den Schlüpfer stapften wir zum Auto zurück, fuhren ins Hotel, duschten und legten uns ins Bett… das war 13Uhr!!! Ein perfekter Zeitpunkt für Mittagsschlaf und dann Netflix- und Filmenachmittag, dachten wir. Doch gegen 15Uhr verabschiedete sich der Strom, was leider eine nicht unerhebliche Voraussetzung unserer weiteren Planung war. Selbst die Elektrizität hatte wahrscheinlich keinen Bock mehr! Das läuft doch richtig klasse mit uns in Albanien 🙂

Wäre in dieser Nacht nicht das mit Abstand lauteste, mit an die Wucht von Explosionen (also so muss das ungefähr klingen, wenn ein Sprengstofflager in die Luft geht) grenzenden Mega-Donnern und Blitzen gewesen, hätten wir sicher richtig gut und lange geschlafen 😉