Belächelt hätten wir wohl diejenigen, welche uns vor ein paar Monaten erzählen wollten, dass wir unser Land, ja sogar unsere Stadt und im Zenit mitunter die eigene Wohnung nicht völlig zwanglos verlassen dürfen. Für uns, als Kinder und Jugend der 90er war das bis zu diesem einen Tag im März 2020, als die Regierung den großen Lockdown ausrief, unvorstellbar. Ein derartiger Einschnitt in die Grundrechte lag weit außerhalb unserer Vorstellungskraft. Bisher stand uns die Welt zu jederzeit und in jede Richtung offen. Doch nun ließ uns eine nie zuvor dagewesene Situation nahezu alle stillstehen und umdenken. Nichts ging mehr und gefühlt hörte die Welt auf, sich zu drehen. Wir saßen zu Hause und realisierten nach und nach, wie ernst die Lage war. Anfangs fühlten wir uns sicher mit dem Gedanken, dass China und diese bis dato noch unbekannte Lungenkrankheit, deren unbedeutenden Namen wir anfangs noch überhörten, weit weg sind. Doch die Nachrichten überschlugen sich und die Gefahr rollte unaufhaltsam, wie ein riesiger Panzer, auf das vermeintlich sichere Deutschland zu. Niemand hätte sich auch nur ansatzweise vorstellen können, was in den folgenden Wochen passieren würde.

Wer hätte gedacht, dass im modernen, fortschrittlichen Deutschland, in welchem ein ständig zugängliches Überangebot an allem nie in Frage stand, tatsächlich eine Zeit kommt, in welcher die Menschen ohne Sinn und Verstand Konserven-, Nudel- und Klopapierregale leer kaufen, in welcher sich die wahren Charaktere – sowohl die guten als auch die schlechten – nach außen kehren, in welcher die Einen versuchen zu helfen und die Anderen ausschließlich an sich denken? Auf diesem Nährboden haben zarte, zerbrechliche Pflänzchen kaum eine Chance, vielmehr sprießen wilde Verschwörungstheorien wie giftige Pilze aus der Erde. Dabei entwickelt sich der Teil, der jede noch so schlechte Schlagzeile glaubt und jener, der die positiven Dinge zu schätzen weiß und realisiert, dass es uns in unserem Land einfach gut geht. Unsere Familien, unsere Freunde und wir sind gesund! Es ist an der Zeit, Dinge zu akzeptieren, nicht immer gegen alles und jeden zu hetzen, das Positive zu sehen, mit sich selbst klar zu kommen und einfach die simple und doch so weitreichende Bedeutung des Wörtchens Zufriedenheit zu leben. 

„Wer einen Regenbogen haben will, muss den Regenbogen akzeptieren.“

Dolly Parton

Sicherlich stellte diese Situation auch uns, als leidenschaftliche Weltreisende, vor unerwartete Herausforderungen. Nichts konnte so stattfinden, wie es geplant und auch schon gebucht war. Die nächste Fernreise war zum Greifen nah, wurde komplett abgesagt und alle weiteren Pläne waren vorerst auf Eis gelegt. Doch das alles ist in Momenten wie diesen zweitrangig und rückt in den Hintergrund. Wir fanden uns schnell damit ab und akzeptierten die Einschränkungen. Was nun zählte, war – und das können wir nur wiederholen – die Gesundheit der Familie, die aller Freunde und natürlich die eigene. So vergingen gute zwei Monate bis ein stück weit Normalität zurückkehrte. Wir gingen wieder regulär arbeiten, einkaufen und trafen Freunde. Nach und nach traten immer mehr Lockerungen in Kraft. Das alltägliche, ganz normale Leben konnte Schritt für Schritt wieder stattfinden. Doch keiner wusste so richtig, ob und wann reisen wieder möglich sein wird. All unsere Nachbarländer kochten beim Thema Tourismus ihr eigenes Süppchen. Die Grenzen waren geschlossen und die Startbahnen der großen Flughäfen waren die wohl teuersten Parkplätze aller Zeiten. Aus unserem Plan A, der Reise nach Belize, wurde eben Plan B. Dieser bestand darin, dass wir Mitte Juni einfach losfahren, inklusive einer Flasche Wein am Vorabend, welche uns im Zweifel bei der Entscheidungsfindung des genauen Ziels helfen sollte. Wir fanden, das genügte vorerst an Planung… was einer von uns zugegebenermaßen gar nicht so leicht fiel… und so zwang diese Situation auch die Planerin unter uns zu etwas mehr Spontanität und Gelassenheit.

Es war wieder einer dieser verregneten Sonntage, in vier Tagen wollen wir starten, die Grenzen sollen am Folgetag öffnen und die Reisewarnung galt schon fast als aufgehoben. Mittlerweile war es uns fast egal, wo wir hinfahren… das Ziel war: Irgendwohin. Mit unserem neuen Familienmitglied, unserem Camper Renate-Rudi (er trägt in Anlehnung und Dankbarkeit an unsere erste Camping-Erfahrung in Neuseeland und in Gedenken an eine besondere Person, die mit uns auf Reisen geht, einen Doppelnamen) sind wir unabhängiger denn je. Zur Auswahl standen Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, Norwegen, Kroatien, Ungarn, Österreich, Kroatien – eigentlich der Großteil nahegelegener Länder Europas. Erst durch Zufall stießen wir, an jenem verregneten Sonntag, auf Slowenien. Wir klickten uns durch die Bilder und die unwahrscheinlich gut beworbenen Internetauftritte dieses kleinen Landes, welches gerade einmal der Fläche von Rheinland-Pfalz entspricht. Wir fanden ein wahres Paradies für unsere erste, echte Tour mit RRudi. Die perfekte Richtung für unsere Jungfernfahrt stand so gut wie fest… und das sogar ohne die angekündigte Flasche Wein! Wir packten eine kleine Grundausstattung an Camper-Utensilien, Essen und Getränken ein und starteten Richtung Süden.

Eine kleine Auswahl an Reis und Co… der Alkohol befindet sich in einer extra großen Kiste 😉

Nur knapp 700 Kilometer sind es bis zu unserem ersten Halt in Slowenien, dem Bleder See. Er gilt als der wärmste aller Alpenseen und für die Slowenen ist es natürlich auch der schönste! Eine kleine Insel mit der Marienkirche in der Mitte des Sees macht diesen tatsächlich zu etwas Besonderem.

Leider (das müssen wir an dieser Stelle sagen) ist Slowenien schon sehr erfahren, was Tourismus und vor allem Camping betrifft, sodass viele der Orte, welche wir vorab buchen können und im Internet zu finden sind, Anlaufpunkte für zahlreiche (für uns viel zu viele) deutsche Touristen sind. Die bisher angewandte Tarnung als russische Olgas fällt hier aufgrund unseres Kennzeichens schnell auf, wodurch wir unsere Herkunft nicht lange leugnen können. Uns bleibt also nichts weiter übrig, als uns jedesmal ein freundliches „Hallo“ oder angesichts der Tageszeit noch schlimmer, ein nettes „Guten Morgen“ herauszupressen. Trotz der Ausmaße unseres ersten Stellplatzes auf einem der größten Campingplätze in dieser Region haben wir viel Platz und können jeglicher Art der tiefergehenden Kommunikation entfliehen. Unser Motto:

Wir sind nicht schüchtern, wir sind unfreundlich!

Auch wenn wir keine Camper-Bekanntschaften machen wollen und lieber unter uns sind, fangen wir dennoch schnell an, diese Art des Reisens und die Freiheit zu genießen. Wir knüpfen, diesmal mit etwas mehr Komfort, an Neuseeland an und schätzen das Leben in unserem kleinen, mobilen zu Hause.

Es gibt viele Wege zum Glück… einer davon ist campen 🙂