Wir sind sprachlos, beeindruckt, glücklich, zufrieden, stolz und völlig fertig! Noch immer fehlen uns komplett die Worte, um alle Eindrücke der vergangenen Tage nur annähernd beschreiben zu können. Auf den Spuren der Inka durften wir in eine bezaubernde, für uns teilweise völlig surreale und mystische Welt eintauchen. Eine Welt, die so groß und atemberaubend ist, dass diese Zeilen dem nicht einmal annähernd gerecht werden könnten. Wir hatten Angst und Respekt. Wir waren aufgeregt und ahnten nicht im Entferntesten, was uns erwartet. Wir haben in der Sonne geschwitzt, in über 4000 Metern um Luft gerungen und im Regen gefroren. Wir kämpften mit dem Muskelkater unseres Lebens und haben uns nicht nur einmal gefragt, was wir hier eigentlich gerade machen?

Gemütlich zu Hause auf dem Sofa sitzen und eine Reise planen war schon immer einfach für uns. In der Theorie passen unsere Pläne jedes Mal super zusammen und ergeben Sinn. Mit ein bis zwei Weinchen in der Feierabend-Laune ist auch der Inka-Trail mit wenigen Klicks problemlos gebucht. Ein paar Tage in den Bergen wandern und im Zelt schlafen – das hörte sich nach einem perfekten neuen Abenteuer für uns an. Wenn andere das können, warum wir eigentlich nicht? Eine hat die Idee und die Andere setzt diese um, wie es eben immer bei unseren Reiseplänen läuft 🙂 Auch wenn die Realistin die Träumerin fragt, ob sie sich des Ausmaßes dessen bewusst ist und leichte Zweifel aufkommen, wird der ganzen Sache mit den Worten „wird schon alles klappen“ begegnet. Heute wissen wir, dass der Inka-Trail wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen in Peru ist… und für uns auch definitiv war! Der Camino Inka, 45 Kilometer durch die Anden, größtenteils auf den Originalpfaden der Inka. Ein unvergessliches Abenteuer entlang steiler Pässe, tropischer Wälder, schneebedeckter Gipfel und abgelegener Inka-Ruinen.

Auch als königlicher Pfad bezeichnet, zählt der gesamte Trail zu den ältesten Wanderwegen der Welt. Das historische Heiligtum Perus zieht bis heute unzählige Touristen nach Südamerika. Erst im Jahr 1942 wurde das bis heute bekannteste Straßensystem der Inka, der Weg vom Ufer des Rio Urubamba nach Machu Picchu, von einer schwedischen Expedition wiederentdeckt und im Anschluss schrittweise freigelegt. Die Peruaner verehren und schätzen ihre Wurzeln. Die Göttin Pachamama „Mutter Erde“ schenkt, nährt und schützt unser aller Leben. Sie ist die Vermittlerin zwischen Ober- und Unterwelt und wird durch die Ethnie der Quechua (Menschen, die Quechua sprechen und deren Wurzeln in Teilen aus der Inka-Kultur stammen) als Hoffnung auf ein umfassenderes Leben angesehen. Sie gilt es, zu erhalten und immer mit Bedacht sowie Respekt zu behandeln. Der Glaube an die Natur ist im Reich der Inka bedeutender denn je und wird uns von Beginn an vermittelt.

Doch wir möchten uns selbst ein Bild machen, wollen die Faszination der Inka und der Anden verstehen und eine für uns neue Welt entdecken. Natürlich könnten wir dafür auch die bequeme Variante wählen und uns per Zug und Bus innerhalb weniger Stunden der heiligsten aller Inka-Bauten nähern, aber warum denn einfach… wenn Machu Picchu auch durch eine mehrtägige Wanderung erreicht werden kann. Der viertägige Inka-Trail ist grundsätzlich nur über eine Agentur buch- und auch durchführbar. Die Besucherzahlen unterliegen strengen Kontrollen, sind auf 500 Tickets pro Tag reduziert und ein Guide pro Gruppe ist zwingend erforderlich. Wir haben uns aufgrund der guten Rezensionen letztlich für einen Anbieter namens TreXperience entschieden. In einem Briefing am Vorabend des Starts wurde uns alles noch einmal ausführlich erklärt. Wann starten wir, wie lang und anstrengend sind die Etappen, wo schlafen wir und was passiert wann und wo. Während des ersten Treffens lernten wir auch unsere zwei Guides kennen. Das ist zum einen Eddy, ein studierter Historiker, der das Mysterium und die Götter rund um die Inka lebt, verehrt und es immer wieder schaffen wird, uns mitzureißen. Und zum anderen Soledad, kurz Sol, eine studierte Biologin, die im Reich der Tier- und Pflanzenwelt aufgeht, die kleinsten wilden Orchideen und Käfer entdeckt und die Gruppe zusammenhält. Außerdem trafen wir das erste Mal auf unsere acht „Mitstreiter“… drei Engländer, zwei Portugiesen, ein Schweizer, ein Israeli und eine Peruanerin. Kleiner unerheblicher Fakt am Rande… was in die Kategorie „unnützes Wissen“ fällt und kein Gewicht haben sollte… wir sind mit einem Abstand von 10 Jahren die Ältesten!!! 🙂 Wir müssen zugeben, unsere stille Hoffnung war, in einer Gruppe älterer, gemütlicher Wanderer zu landen – sodass wir uns etwas besser fühlen konnten und nicht bangen mussten, den jungen Hüpfern ständig hinterherzulaufen. Aus der Traum… so waren wir nicht die Chicas, sondern die Senoritas – eine weitere schmerzhafte Erfahrung, welche uns in die Realität zurückholte 😉

Mit dem ganzen Wissen über die kommenden vier Tage und unseren Duffle bags (Taschen, in welche wir 7kg unserer persönlichen Gegenstände packen dürfen, die durch die Träger getragen werden) in der Hand laufen wir zurück ins Hotel und fühlen uns ehrlicherweise nicht wirklich wohl dabei. Auch beim Packen unserer sieben Sachen gehen uns die verschiedensten Gedanken durch den Kopf. Wir versuchen uns zu sammeln und an alles, was in den nächsten vier Tagen wichtig sein könnte, zu denken.

Mehrfach haben wir uns an diesem Vorabend gefragt, ob wir das wirklich wollen und vor allem auch können?! Es ist eben nicht „einfach mal gemütlich in den Bergen wandern und zelten“. Die Nacht war dementsprechend grausam. Der Wecker klingelte um 03:15 Uhr. Kaum geschlafen und mit einem flauen Gefühl im Magen starteten wir trotzdem irgendwie in das Abenteuer Inka-Trail. Wir wollten es nach wie vor beide! Das war und ist immer unsere Prämisse! Nach einer letzten heißen, ausführlichen Dusche wurden wir gegen 04:15 Uhr am Hotel eingesammelt. Zwanzig Jahre früher hätten wir uns wahrscheinlich überhaupt keine Gedanken über irgendetwas gemacht, aber die Angst schwingt mit zunehmenden Alter mehr mit, als wir dachten. Tausend Gedanken gehen uns durch den Kopf… was um Himmels Willen alles passieren kann!!! Was wenn wir krank werden, wenn wir die Höhe nicht vertragen, wenn wir zurück müssen, wenn … sonst irgendetwas passiert! Keine will die Andere beunruhigen, also behält jeder den Großteil seiner Hirngespinste erst einmal für sich… obwohl ohnehin jede weiß, was die andere denkt!

„Die schwersten Lasten, die wir tragen, sind die Gedanken in unserem Kopf.“

Nach einer zweistündigen Busfahrt sind wir fast am Startpunkt des Inka-Trails, dem Kilometer 82, angekommen. Während die Eine kreidebleich schon die erste Tablette gegen Übelkeit genommen hat, versucht die andere Hälfte von uns so zu tun, als wäre alles halb so schlimm. Immer wieder reden wir uns gut zu. Es kann doch eigentlich nichts passieren! Unsere Guides sind immer für uns da, kennen wahrscheinlich schon sämtliche Wehwehchen, wissen mit den häufigsten Problemen umzugehen, haben sogar Sauerstoff für den Notfall dabei und sind bestens vorbereitet. Also Schluss jetzt mit dem Gezeter!!! Wir wollten das so und jetzt ziehen wir das auch durch… gemeinsam! Das Leben ist zu kurz für Irgendwann! Wir sind nicht allein und werden auch diesen Weg gemeinsam schaffen! Also ganz ehrlich… so viel Mut haben wir uns wahrscheinlich noch nie zusprechen müssen… aber irgendwann funktionierte auch das 🙂 Nach dem ersten Frühstück mit unserer Gruppe werden wir ein wenig entspannter. Die schlaflose Nacht wird so langsam verdaut und wir blicken nach vorn. Auf geht’s… in eines der besten und atemberaubendsten Abenteuer in Peru!

Am ersten Tag liegen etwa 14 Kilometer vor uns. Alles beginnt recht entspannt. Wir machen viele Pausen, in welchen uns Eddy und Sol die Magie des Inkareiches vermitteln. Um dem gewappnet zu sein und als Heldinnen zu starten, bekommen wir eine kleines Kunstwerk ins Gesicht. Die Farbe stammt aus dem Blut eines am Kaktus lebenden Käfers vermischt mit Limettensaft. VAMOS!

Irgendwann verfliegen unsere Ängste und wir beginnen alles um uns herum zu genießen. Wir haben so gehofft, dass dieser Moment kommt! Die Landschaft ist zu schön, um sich irgendwelche negativen Gedanken zu machen. Vielleicht waren es auch Eddy und Sol, die uns mit ihrer wirklich emotionalen Sicht auf die Dinge des Lebens und dem Gefühl einer gewissen Geborgenheit ein Stück Vertrauen und Sicherheit gegeben haben… oder einfach die Magie des Inka-Trails. Die Landschaft ist so schön, dass wir uns kaum satt sehen können.

Zu unserem gesamten Team gehören im Übrigen nicht nur wir zehn Teilnehmer und die zwei Guides, sondern noch 20 weitere Personen! Davon sind 17 Träger, von denen jeder ungefähr 23 Kilogramm unseres Equipments plus eigene, persönliche Dinge auf dem Rücken trägt, zwei Köche und ein Kellner! Nicht einmal im Ansatz hätten wir mit so einem Aufgebot gerechnet! Die Träger oder auch „Porter“ genannt, gehen den gleichen Weg wie wir, sind mitunter fast doppelt so alt (auch doppelt so schnell) und haben vom Gasherd über Zelte, einer Campingtoilette, Tische und Stühle bis hin zu unseren Schlafsäcken, Matratzen und persönlichen Sachen alles auf dem Rücken. Das ist wirklich verrückt und jeder davon bekam in jeder einzelnen Minute unseren vollen Respekt! Jedesmal, wenn die Jungs uns an der steilsten Passage überholten, schüttelten wir vor Anerkennung nur mit dem Kopf. Glücklicherweise gibt es mittlerweile eine gesetzliche Grundlage, die besagt, dass maximal 23 Kilogramm getragen werden dürfen. Früher waren es wohl mitunter 40 Kilo und mehr! Ob sich jede Agentur daran hält, ist fraglich… zumindest wurde es tatsächlich an einem der Checkpoints auf ungefähr der Hälfte des Weges kontrolliert.

Das gesamte Team überrascht uns nicht nur mit dem, was sie körperlich leisten, sondern auch mit dem, was sie logistisch und besonders kulinarisch zaubern. Wir haben keine Ahnung wie das alles funktioniert… der absolute Wahnsinn mitten im Nirgendwo!

„Machu Picchu ist unser ganzer Stolz. Erbaut von unseren Urahnen – deshalb fühlen wir uns wie sie: stark und in der Lage, alles zu schaffen.“ (Gepäckträgerin auf dem Inka-Trail)

Was wir bis dahin nicht wußten, ist, dass allen Trägerinnen und Trägern der Zugang zu Machu Picchu verwehrt wird. Sie dürfen all das Gepäck ganze vier Tage tragen, sich um all unsere Belange kümmern und kurz vor den Toren Machu Picchus trennen sich die Wege. Aufgrund der Überfüllung dürfen nur noch Touristen die heilige Inka-Stätte betreten. Wir müssen zugeben, dass wir uns mit diesem Gedanken sehr schlecht anfreunden können. Diese Unterschiede sind schwer zu ertragen. Natürlich wollen wir das alles sehen und erleben… aber dass die Abgrenzung zwischen Einheimischen und den zahlenden Touristen so krass gelebt wird, wußten wir nicht. Und trotzdem hat jeder der Porter immer ein Lächeln im Gesicht. Im Vorbeigehen kommt ein freundliches „Hola“, „Buenos Dias“ oder „Vamos“. Es wird sogar für uns geklatscht beim Erreichen jeder Etappe – was das ganze noch unangenehmer macht, da eigentlich wir diejenigen sein müssten, die für die Träger applaudieren! Letztendlich ist das eine andere Welt und wir können die Situation nicht ändern. Der Job als Porter verspricht eine sichere Zukunft. Viele verdienen hier mehr als der Rest der Peruaner. So können wir nur hoffen, dass ein fairer Teil des Geldes bei den Trägerinnen und Trägern ankommt. Einige der Porter hoffen auf einen „Aufstieg“ als Touristenführer… so können auch sie irgendwann die legendäre Inka-Stätte, zusammen mit den Touristen besuchen.

Was das ganze Team leistete, ist unbeschreiblich. Es wurde gekocht, gebraten und gebacken. Auf unserem Tisch landeten echte, einmalige Kunstwerke! Aus einem einfachen Zelt, welches als Küche diente, kreierte unser Koch Julio Cesar (dem man einen Bekanntheitsgrad weit über den Inka-Trail hinaus zusagte), wahre Geschmackserlebnisse! Alle Beteiligten gaben auf jeden Fall immer ihr Bestes, um die Strapazen des Tages komplett verschwinden zu lassen.

Nach den ersten 14 Kilometern erreichen wir gegen 17 Uhr unseren ersten Schlafplatz. Wir fühlen uns gut, sind zufrieden und insgeheim auch ein klein wenig stolz 🙂 Der innere Schweinehund und sämtliche Ängste sind auf der Strecke geblieben. Wir sind angekommen auf dem Camino Inka und bereit für die nächsten Etappen. Die Zelte sind aufgebaut, die Schlafsäcke liegen bereit und wir müssen nichts mehr tun, außer uns wohlfühlen und entspannen. Wir bekommen eine Schüssel warmes Wasser ans Zelt gestellt und irgendwie fühlt sich jeder, zu jederzeit für uns verantwortlich. Schon fast unangenehm kommt es uns vor, so behandelt zu werden. Keinen Handschlag durften wir selbst übernehmen. So läuft das hier auf dem Inka-Trail… wurde uns erklärt. Das ist der Job des gesamten Teams um uns herum, womit wir uns abfinden sollten. So gaben wir uns dem wohl oder übel hin, genossen den Abend und schliefen die erste Nacht, fest eingepackt in unseren Schlafsäcken, wie zwei kleine Babys, tatsächlich richtig gut.

Unsere erste Nacht endete um 5 Uhr. Das „Ritual des Weckens“ begann mit einem leichten Kratzen am Zelt und einem sanften „Good Morning“. Sol stand zu diesem Zeitpunkt bereits mit zwei Tassen heißem Coca-Tee vor unserem Zelt. Einen besseren Start in den Tag konnte es für uns in diesem Moment kaum geben. Um die Coca-Pflanze ranken sich zahlreiche Mythen. Sie ist der Grundstein für die Droge, hat jedoch im ursprünglichen Zustand eher wenig mit dem berauschenden Mittel zu tun. Coca in Form von Tee oder auch Bonbons hilft vielmehr gegen Müdigkeit, Kälte und die Höhenkrankheit, da sie die Atemfrequenz und somit die Sauerstoffaufnahme in das Blut erhöhen kann. Dankend nehmen wir die zwei Tassen entgegen, ziehen uns für weitere zehn Minuten in unser kleines kuschliges Zuhause zurück und werden langsam munter. Der Coca-Tee erinnert etwas an eine Mischung aus Kräuter- und schwarzem Tee, trifft unseren Geschmack und hilft uns, in den Tag zu starten.

Der Tee „Mate de Coca“ gilt in vielen Andenregionen, nicht zuletzt aufgrund seiner Wirkung in Höhen über 3000 Meter, als Nationalgetränk. Die Herstellung des Getränks wird staatlich gefördert. Abgepackt in Teebeuteln wird er in vielen Supermärkten angeboten. In Deutschland unterliegt die Coca-Pflanze dem Betäubungsmittelgesetz, wodurch Einfuhr und Besitz strafbar sind. Egal ob Blätter in ihrer Ursprungsform, Kekse oder Bonbons – das Mitbringen als Souvenir sollten wir auf jeden Fall unterlassen 😉

Der zweite Tag wurde uns als „Challenge Day“, also Tag der Herausforderung, angekündigt. Vor uns liegen 16 Kilometer. Was sich erstmal nicht ganz so schlimm anhört, wird im Laufe des Tages der anstrengendste Trek, welchen wir jemals gelaufen sind. Es geht zweimal knapp über 4000 Meter. 1100 Höhenmeter hinauf, wieder runter, wieder hoch und wieder runter… Warum wir das machen? Keine Ahnung… aber ihr könnt uns glauben, das fragen wir uns an diesem Tag sehr, sehr oft 🙂 Die höchste Stelle der heutigen Tour nennt jeder „Dead Woman’s Pass“ – was uns nicht wirklich als Motivation dient. Aber wir gehen es an und starten nach einem exzellenten Frühstück aus der Zauberküche Julio Cesars gut gestärkt in den Tag.

Nach reichlichen vier Stunden erreicht unsere Gruppe den ersten Pass auf über 4200 Metern. Wir spüren, dass die Luft hier irgendwie knapper wird. Die Anstrengung ist durch den fehlenden Sauerstoff um einiges höher als in tieferen Regionen. Trotzdem fühlen wir uns gut, lutschen fleißig unsere Coca-Bonbons und sind…überrascht von uns selbst… als Senoritas NICHT die Letzten! Da hat man uns wohl mit dem Spitznamen unterschätzt 😉 Wir reihen uns immer schön in der Mitte ein, gehen unser eigenes Tempo, haben unsere Ruhe und lassen dabei meist noch drei bis vier Leute hinter uns. Von Beginn an wurde durch Eddy und Sol festgelegt, dass jeder nur so schnell läuft, wie es die eigene Kondition zulässt. Einer der Guides lief immer vorn und der andere war das Schlusslicht. Manchmal kamen wir mit bis zu einer Stunde Unterschied an den verschiedenen Etappen an. Niemand versteht das hier als Wettbewerb – höchsten als einen mit sich selbst. Jeder war glücklich über die Leistung der Anderen und am Ende des Tages waren alle einfach nur stolz.

Das Wetter in den Bergen ist oft unberechenbar. Als wir den ersten Pass überquert hatten, zogen dunkle Wolken auf und es begann irgendwann zu regnen. Die typische Vegetation veränderte sich langsam zum Regenwald, oder auch „Cloud Forest“, wie es hier genannt wird. Das Klima wird feuchter und auch kühler. Ganz ehrlich, wir hätten diese Art der Landschaft niemals in den Anden erwartet! Machmal waren wir umgeben von Kolibris, Schmetterlingen und den buntesten Orchideen und Moosen. Vielleicht sind wir auch zu blauäugig gewesen, aber vieles übertraf unsere Vorstellungen bei Weitem!

Die Landschaft ließ uns so manchen Schmerz vergessen, trotzdem ging der zweite Tag keineswegs spurlos an uns vorbei. Die Schenkel brannten vom ständigen auf und ab, die Knie schmerzten von den zahlreichen Stufen und der Kopf drückte vom fehlenden Sauerstoff in dieser Höhe. In Anbetracht dessen, dass es Einen unserer Gruppe in der Nacht zuvor mit einem ziemlich miesen Magen-Darm-Infekt erwischt hatte, waren unsere kleinen Wehwehchen jedoch gar nichts dagegen. Marco, so heißt der junge Schweizer hat sich tatsächlich, unter dem Verlust sämtlicher Körperflüssigkeiten, durch den anstrengendsten aller Tage gekämpft. Also wollen wir hier keineswegs lamentieren, denn er war der wirkliche Held des Tages! Oft haben wir uns jedoch gefragt, was wohl passiert, wenn jemand von uns gar nicht mehr weiterlaufen kann… In einem solchen Fall, so wurden wir durch Eddy zumindest in Sicherheit gewogen, könne er jederzeit einen Helikopter rufen – eine andere Möglichkeit gibt es hier draußen nicht… wirklich beruhigend 🙂

Eine gute Freundin von uns sagt immer… wenn du dich nicht gut fühlst, erschöpft oder krank bist… ein Fußbad hilft immer! Diesen Ratschlag nehmen wir nach unserem Challenge-Day doch gern an 🙂 Besser hätten sich unsere Füße und unser Gemüt in diesem Moment wirklich nicht erholen können. Und auch in dieser Nacht schlafen wir, trotz der Hüftschmerzen vom steinigen Untergrund (die Seiten sind schon etwas blau), ziemlich gut. Erschöpft vom Tag, sind die Abende meist nicht allzu lang. Die Zeltplätze sind gespenstig still. Oft hören wir nur das Zirpen der Grillen oder Gezwitscher der Vögel. Der Himmel ist bei klarer Sicht der absolute Wahnsinn und die deutliche sichtbare Milchstraße zeigt uns, dass wir fernab der Zivilisation sind.

„Ich kenne keinen anderen Ort auf der Welt, der sich hinsichtlich der Vielfalt seiner Reize und der Kraft seines Zaubers mit diesem vergleichen ließe.“ (Hiram Bingham, einer der Entdecker von Machu Picchu, 1911)

Am nächsten Morgen verzieht sich der Nebel nach und nach. Heute haben wir einen kurzen und entspannten Tag vor uns. Das „Schlimmste“ liegt nun hinter uns und wir können die kommenden Etappen gemütlich angehen. All die Sorgen waren so unbegründet und wir sind einfach nur glücklich so unbeschwert, natürlich mit einem Coca-Tee, in den Tag starten zu können. Ungefähr 10 Kilometer liegen heute vor uns, nicht sehr steil und größtenteils bergab. Wir werden schon gegen Mittag im nächsten Camp sein.

Pachamama und die restlichen Götter der Inka scheinen es wirklich gut mit uns zu meinen. Die Sonne strahlt, was keineswegs typisch für diese Region ist, und die Natur in Verbindung mit den alten Inka-Ruinen lassen uns oftmals einfach sprachlos werden. Viele Hintergründe und oft auch die Entstehung der Bauten des Inka-Reiches sind bis heute unklar und nicht vollständig erforscht. Derartige Bauwerke zu jener Zeit, wahrscheinlich Mitte des 15. Jahrhunderts, zu erschaffen, war eine wahre Meisterleistung. Auch ohne detailliertes historisches Wissen darüber, sind die Ausmaße der Ruinen beeindruckend.

So langsam macht sich das Gefühl breit, dass wir unser Ziel bald erreichen. Der letzte Schlafplatz liegt nur wenige Kilometer von Machu Picchu entfernt. Auch wenn wir Gefahr laufen, auf unserem letzten Campingplatz beim Verlassen des Zeltes abzustürzen, wiegt dieser Ausblick weitaus mehr, als die Tatsache, sich beim nächtlichen Toilettengang die Knochen brechen zu können 🙂

Der Zauber Machu Picchus liegt hier bereits in der Luft. Jeder weiß, dass wir es fast geschafft haben. Nur noch den einen Weg um den letzten Berg und wir haben den heiligsten aller Inka-Wege zu einem der sieben Weltwunder der Neuzeit tatsächlich gemeistert. Jeder auf diesem Weg ist sich bewusst, dass es kein Zuckerschlecken ist. Unterwegs trafen wir die verschiedensten Menschen, auch ein älteres Ehepaar, das uns besonders im Gedächtnis geblieben ist und uns wirklich beeindruckte… manchmal liefen sie vor uns, manchmal hinter uns, ab und an überholten wir sie. 74 Jahre waren die beiden! 74 Jahre – ist das nicht Wahnsinn! Diese Strapazen in dem Alter! Es sind die verschiedensten Charaktere, welche diesen Weg mit uns teilten. Manche suchen das Abenteuer, andere finden den Sinn im Pilgern und für Einige ist es der größte Traum im Leben. Wir haben so manchen auf unserem Weg hinter uns gelassen, einigen ging es körperlich schlecht, sie erbrachen oder benötigten Sauerstoff, sie waren am Ende mit ihren Kräften und kämpften sich doch irgendwie durch… denn letztendlich sind alle irgendwie angekommen – hier ist der Weg das Ziel… auf welchem man so vieles lernen kann.

„Sei nicht nur stolz auf dich, wenn du ein Ziel erreicht hast. Sei stolz auf jeden Schritt, der dich zum Ziel gebracht hat.“

Am nächsten Morgen werden wir um 3:20 Uhr geweckt! Doch die ersten wundervollen Sonnenstrahlen machen das munter werden etwas leichter.

Unser Guide möchte pünktlich mit uns am berühmten Sonnentor sein. Auch bekannt als Inti Punku ist es heute ein Aussichtspunkt auf Machu Picchu hoch oben auf einem der Machu Picchu-Berge. Die strategische Lage lässt Historiker vermuten, dass es einer der Zugänge zur Inka-Stadt war. Der Wachposten sollte wohl dazu dienen, nur ausgewählte Besucher der kaiserlichen Elite auf das Areal zu führen.

Etwa eine Stunde trennt uns nun noch von einem der größten Symbole für die beeindruckende Architektur und Baukunst des Inka-Reichs. Machu Picchu, übersetzt aus der Quechua-Sprache „alter Berg“ ist eine der bedeutendsten Ruinenstädte, welche zu einem Großteil nach wie vor im Originalzustand ist. Mit über 200 steinernen, auf Terrassen angelegten Bauten, gehen Forscher davon aus, dass hier bis zu 1000 Menschen leben konnten. Über den Sinn und Zweck der Stadt kursieren viel Theorien, da es keine fundierten Überlieferungen gibt. Diente es als königliche Grabstätte, als Zufluchtsort oder Residenz der Herrscher des Inka-Reiches? Fest steht auf jeden Fall, dass die fehlenden Antworten darauf der Faszination keinen Abbruch tun… ganz im Gegenteil. Als UNESCO Kulturerbe und eines der neuen sieben Weltwunder zieht es tausende Touristen in seinen Bann… so auch uns. Und wieder einmal sind wir sprachlos und überglücklich, heute hier stehen zu können.

Am Ende des Tages stehen wir, bepackt mit wundervollen, einzigartigen, unvergessenen Eindrücken, die sich schwer in Worte fassen lassen, sowie einer Plastiktüte unserer dreckigen Wäsche vorm Hotel in Cusco 🙂 Wir sind zurück von einem der schönsten Erlebnisse unserer bisherigen Reisen. PROST! 🙂