Die Transmongolische Bahn nach Ulan Bator
Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, wie wunderschön ein einziges, winzig kleines Lächeln sein kann…?
Es ist halb acht Uhr morgens. Am Bahnhof von Irkutsk herrscht reger Verkehr. Wir suchen unseren Zug nach Ulan Bator, drängeln uns durch griesgrämige Russen und entnervte, weit gereiste Neuankömmlinge. Endlich am richtigen Bahnsteig angekommen, merken wir so langsam die 0 Grad in unseren müden Gesichtern. Die Haut spannt und jeder Atemzug ist deutlich sichtbar. Die Bahn steht schon bereit. Nur noch ein paar Schritte bis Waggon Nummer fünf…die ersten Eisblumen sammeln sich an den Bahnsteigschildern. UND DANN… vor uns… zwei in freundlichem blau gekleidete mongolische Zugbegleiterinnen, welche die Tickets sehen möchten. Für einen kurzen Augenblick ließen sie uns noch draußen im kühlen Irkutsk stehen, aber das war überhaupt nicht mehr schlimm… DENN SIE LÄCHELTEN!!! Eine simple Mimik, die direkt verbindet! Es gibt kaum etwas ansteckenderes auf dieser Welt! Wir fühlen uns sofort willkommen, herzlich empfangen und betreten mit Einstieg in den Zug schon ein kleines Stück Mongolei. Es ist uns nahezu egal, dass unser Abteil wahrscheinlich vor dem Krieg erbaut wurde… also vor dem 30-Jährigem 🙂 Es ist alt, es ist abgewohnt, es sind irgendwann gefühlte 50 Grad in dieser Bude, die Fenster gehen nicht zu öffnen und die Kissen! …die Kissen sind der Hammer 🙂
Wie man sieht, ist schon Farbe und Stoffauswahl grandios. Wir haben mittels mehrminütiger Tast-Versuche probiert, die Füllung zu „identifizieren“. Unser Ergebnis: Es muss eine Mischung aus Kirschkernen und Krepppapier sein… vielleicht noch ein bisschen Backpapier und fürs Gewicht ein paar kleine Kieselsteine – also nach einer Kissenschlacht würden wir auf jeden Fall beide ohnmächtig im Abteil liegen 🙂 🙂 ABER… hier wird gelächelt und es wird versucht zu kommunizieren! Das ist in diesem Moment so viel mehr wert als irgendwelche materialistischen Gegenstände!
„Lachen ist Leben… und umgekehrt“ (Oscar Wilde)
Die Ladies bringen uns frische Bettwäsche und Handtücher. Sie versuchen uns im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu erklären, dass dieser Zug ein Mongolischer und kein Chinesischer ist (darauf legten sie, warum auch immer, besonderen Wert… scheinen beliebt zu sein, diese Chinesen). Sie erzählten uns in mehr oder weniger guten englischen Brocken, dass der Waggon in Deutschland gebaut wurde – wie wir ja schon erwähnten… wahrscheinlich vor 1618 🙂 Und die beiden Mädels feixten und freuten sich den ganzen Tag.
So hatten wir unser fahrendes Heim für die nächsten Stunden bezogen.
Am letzten großen Halt in Russland, der Stadt Ulan Ude, trennt sich die Transsibirische von der Transmongolischen Route. Während die eine weiter nach Wladivostok fährt, biegt zweitere Richtung mongolischer Hauptstadt Ulan Bator ab. Die Landschaft verändert sich mit jedem Kilometer und wird zusehends karger… so friedlich und wunderschön.
Irgendwann gegen Abend kommen wir Richtung Grenze und unsere Fahrt wurde zäher, bis wir schließlich stundenlang einfach nur noch standen.
Ankunft russische Grenzkontrollstation: 19:50 Uhr, Dauer der Kontrollen: Zwei Stunden!!! Die Polizisten – vorwiegend Frauen, aber durchaus freundlich und schön anzusehen 🙂 sehen sich Pässe, mögliche Schmuggler-Verstecke in unserem Abteil und einen der Rucksäcke genauer an. Aber gut… wir sehen es entspannt und können sowieso nichts an der Situation ändern.. lieber einmal zuviel als zuwenig kontrolliert!
Dann folgt die Weiterfahrt zur mongolische Grenzkontrolle, Ankunft: 22:20 Uhr, Dauer der Kontrollen: Noch einmal zwei Stunden!!! Hier kommt allerdings noch hinzu, dass unsere Pässe für eine gute Stunde mitgenommen wurden und einfach weg waren! Ihr wisst, wer von uns hier wieder Puls von 300 hatte 🙂 Und was ist schon ein Reisender ohne Pass…? NICHTS wert… NULL… staatenlos… entmündigt… nicht existent!
„Von allen Büchern auf der Welt, findet man die besten Geschichten im Reisepass!“
Die können ja alle ihre Kontrollen machen, ist ja auch richtig so… aber müssen die uns so einen Schrecken einjagen? Und schlimmer noch… das alles OHNE Toiletten!!! …über vier Stunden lang!!! …weil die beim Halt nicht benutzt werden dürfen! Und wisst ihr auch warum? 🙂 Der „Mist“ läuft nämlich einfach ungefiltert unten raus 🙂 🙂 🙂 Und so viel Respekt vor der Menschheit an den Bahnhöfen hat man dann doch noch… Leider Pech für uns.
Nach diesem Prozedere versuchten wir für ein paar Stündchen zu schlafen. Pünktlich um 6:50 Uhr standen wir dann am Hauptbahnhof der mongolischen Hauptstadt. Die Tage beginnen hier etwas später und die Straßen sind noch relativ leer. Den knappen Kilometer bis zum Hotel sahen wir als Morgensport – die Rucksäcke mit Beinen waren wieder unterwegs 🙂 …diesmal in der kältesten und wohl schmutzigsten Hauptstadt der Welt!
In Ulan Bator oder auch Ulaanbaatar, übersetzt als „roter Held“ leben rund 1,5 Millionen Menschen. Das ist die Hälfte der Einwohner der gesamten Mongolei! Die Stadt liegt in 1350 Meter Höhe, ist von einer täglichen Smogglocke bedeckt und überwiegend buddhistisch geprägt. Beim Lesen von Reisehinweisen über die Mongolei stießen wir des Öfteren auf Aussagen wie: „Die schwierigen klimatischen und topographischen Bedingungen sowie die beschränkten Kommunikationsmöglichkeiten stellen hohe Anforderungen an die Reisenden. Die Kriminalitätsrate ist vor allem in Ulaanbaatar hoch. Vermehrt wird dabei auch Gewalt angewendet, vor allem wenn die Angreifer betrunken sind.“ …na das sind ja super Aussichten! Hier gelten bei uns ganz klare Regeln! Und zwar die der Realistin!!! Hier gibt es kein „wird schon alles gut werden…“ Außergewöhnliche Städte erfordern außergewöhnliche Maßnahmen 🙂 🙂 🙂 UND ES FUNKTIONIERT 🙂
Unsere ersten Eindrücke der Stadt…
Sehr viel haben wir heute nicht gesehen, aber das wollten wir auch nicht. Ulan Bator ist keine Stadt für große Sightseeingtouren. Auf den Straßen herrscht ein einziger großer Megastau und die Luft ist furchtbar. So haben wir nur das Nötigste erledigt. Wir mussten zum Beispiel unsere neuen Zugtickets (Ulan Bator – Peking) in einer Reiseagentur abholen… was schon wieder ein Erlebnis war – also den Vorsatz, nicht in Hinterhöfe und Seitengassen zu gehen, mussten wir hier wohl oder übel ganz kurz missachten – aber das soll eine Ausnahme bleiben – und in dieser Gasse atmete tatsächlich auch die Träumerin etwas schneller als sonst! …nix für schwache Nerven in einer der gefährlichsten Städte!
Ab morgen sind wir für 5 Nächte irgendwo im Nirgendwo der mongolischen Wüste Gobi mit einem Guide unterwegs… Wir werden uns melden, wenn wir wieder in der Zivilisation angekommen sind 🙂