Ehrlich gesagt, hat es uns dieses Mal tatsächlich etwas mehr Zeit gekostet, abzuwägen ob eine Fernreise jetzt wirklich sein muss. Die letzten zwei Jahre beeinträchtigte und veränderte auch unsere Welt des Reisens maßgeblich. Ist unbeschwert und individuell überhaupt noch möglich? Wir werden vorsichtiger und denken lieber einmal mehr nach… beide, nicht nur die Realistin, sondern auch die Träumerin unter uns! Die ganz spontane Auswahl des Reiseziels wurde eher zum mehrstündigen Studium aller Einreisebestimmungen und Pandemie-Bedingungen rund um den Globus. Unsere Welt hat sich verändert. Wir2 sehen es als den Lauf der Zeit, nichts bleibt ewig wie es war. Und das einfachste ist, positiv zu denken, sich damit abzufinden und das beste daraus zu machen.

Diese Einstellung erleichterte uns die Entscheidung. Das Fernweh ist zurück. Endlich wieder andere Bilder sehen, raus aus Europa und vor allem raus aus der Komfortzone. Es ist an der Zeit, unserem geliebten Asien den Rücken zuzukehren und die andere Seite des Globus kennenzulernen. Nordamerika ist uns zu westlich, die Mitte wäre eine Option aber Peru hatte die besten Argumente. Das erste Mal Südamerika – Meer, Berge und Dschungel – kurz gesagt alles, was wir uns unter einem neuen Abenteuer vorstellen. Aber vielleicht waren es auch einfach die Alpakas, die uns im Unterbewusstsein das Ziel vorgaben 🙂 Wie auch immer… Auf geht’s in das Land der Inkas.

Da stehen wir nun nach insgesamt 14 Flugstunden von Berlin über Paris nach Lima vor dem Jorge Chavez International Airport bei angenehmen, sonnigen 22 Grad. Nach der unerwartet unkomplizierten Einreise, bei welcher der Impfstatus auch hier wichtiger ist als der Reisepass, versuchen wir uns zu sammeln… was nach über 24h on Tour etwas mehr Zeit als gewöhnlich benötigt. Natürlich schauen wir erst einmal fragend in die, auf das Geschäft des Tages wartende, ungeduldige Herde Taxifahrer. Es gibt im Übrigen zahlreiche Warnungen und Horrorgeschichten über Taxifahrten in Perus Hauptstadt. Im Grunde wirst du als Tourist schon entführt und ausgeraubt, sobald du das Flughafengebäude verlässt. Also alle Sachen gut festhalten und den Machenschaften der Mafia entkommen 🙂 Es dauerte auch keine Minute bis der erste charmante Peruaner im feinen Zwirn zu uns kam, erzählte, dass er uns bereits jetzt im Herzen trägt und einen richtig guten und sicheren Taxiservice empfahl. Da wir aber all diese Methoden kennen, sind wir natürlich vorbereitet und schlauer… dachten wir zumindest! „Welcome Pickups“ heißt unsere Lösung – ein Abholservice, den es in vielen Großstädten gibt und total zuverlässig und sicher ist… sagt das Internet und zumindest die eine Hälfte von uns. Wer uns kennt, kann die Gedanken der anderen 50% schon ziemlich gut einschätzen. Während die nämlich schon wieder von dem wildesten Szenarien zerfressen wird, stürzt sich die Träumerin ins Abenteuer und kontaktiert den „Abholer“. Mit unserem Namen auf einem Schild sollte er am Ausgang auf uns warten. Aber in dem Schilderwald war nix zu finden, was auch nur annähernd einem unserer Nachnamen ähnelte, bis ein zierlicher, älterer Mann mit einer kleinen Schreibtafel für Grundschüler auf uns zulief. Und er hat sich wirklich Mühe gegeben 🙂

Obwohl hier scheinbar keiner die von uns gebuchte Agentur kannte, folgten wir ihm und stiegen natürlich in sein Auto ein. Immerhin wollen wir SICHER reisen 😉 Kein Taxischild, keine Lizenz, keine Aufschrift der Agentur… gar nix, nur ein ganz normaler grauer Nissan, Wir2, der Fahrer und der Großstadtdschungel Limas! Unsere Strategie – wir lernen uns erst einmal etwas besser kennen, stellen eine Verbindung her, vielleicht mag er uns dann und es fällt ihm schwerer, uns zu seinem Gangster-Boss zu bringen 🙂 Manchmal sollen ja engere persönliche Beziehungen eine gewisse Vertrauensbasis helfen, schlimmeres zu verhindern! Wir sprachen also über die Stadt und das typische „Wo kommt ihr her – Wo wollt ihr hin…“ Nach einiger Zeit merkten wir, dass wir nicht in den Fängen kleinkrimineller Straßengangs gelandet waren, welche uns zum Drogenschmuggel zwingen wollen, sondern im Fahrzeug eines ganz normalen Familienvaters, der uns sicher ans Ziel bringt, sitzen. Denn nach ungefähr einer halben Stunde kamen wir am Hotel an… und das ohne entführt und ausgeraubt worden zu sein. Herzlich Willkommen in Peru!

Wie kann man eine Reise durch Peru besser beginnen als mit einem Pisco Sour? Das Nationalgetränk des Landes, bestehend aus dem Traubenbrand Pisco, Limettensaft, Zuckersirup, Bitterlikör, einer Eiweißhaube und viel Eis ist der perfekte Einstieg. Sollte also die eintägige Anreise noch nicht für die nötige Bettschwere gesorgt haben, dieser Cocktail tut es mit Sicherheit!!! Wie auf jeder unserer Reisen erinnern wir uns natürlich auch direkt (nachdem wir an der Bar bestellt haben) an eine der wichtigsten Regeln auf Reisen, wenn nicht sogar die goldenste aller Regeln – KEIN WASSER AUS DER LEITUNG! Wie war das gleich mit diesen Eiswürfeln, fragten wir uns nach dem ersten kräftigen Schluck?! …immer diese Anfängerfehler… oder drücken wir es etwas netter in unserer Sprache aus – die Leichtigkeit und Unbeschwertheit sind zurück und wir freuen uns auf das Abenteuer Peru!

Gleich am nächsten Vormittag wollen wir mit dem Bus Richtung Süden starten. Dieses Mal hatten wir uns fest vorgenommen, für die Fahrt zum Busbahnhof ein offizielles Taxi über das Hotel zu buchen. Immerhin wollten wir das Schicksal nicht ein zweites Mal herausfordern! In einem guten Hotel, in welchem wir glaubten zu sein, hofften wir auf einen Anruf des Concierges bei einer Taxizentrale… so malten wir uns das zumindest mit unserer typisch deutschen Vorstellungskraft aus 🙂 Aber wir sollten es eigentlich besser wissen und nicht auf gewohnte Verhaltensweisen hoffen. Denn was passierte… der Concierge nahm unsere Rucksäcke, suggerierte uns, dass wir ihm nach draußen folgen sollen, stellte sich mit erhobener Hand an die Straße und hielt das nächstbeste Auto für uns an. So schnell wie unsere Rucksäcke im Kofferraum lagen und wir auf der Rücksitzbank saßen, konnten wir gar nicht reagieren. Unsere mehrfach gestellte Frage nach der Sicherheit wurde komplett überhört oder vielleicht auch ignoriert. Nach einer kurzen Verhandlung über den Preis fuhren wir auch schon los. Also eines muss man uns lassen, Taxi fahren in Lima haben wir echt gut drauf! Zumindest versuchen wir die Route im Handy mitzuverfolgen um rechtzeitig zu merken, wenn wir völlig vom Kurs abkommen. Sicher ist sicher! Und wider Erwarten bringt uns auch dieser Fahrer in einem Stück und mit all unseren Sachen zum gewünschten Ziel. So reden wir uns zumindest ein, dass die bisherige Strategie ganz gut aufging 😉

(Maskenpflicht herrscht übrigens in ganz Peru, auch an der frischen Luft, zu tragen sind zwei OP-Masken übereinander oder eine FFP2-Maske)

Nach gut vier Stunden im Bus kommen wir im 250km entfernten Paracas an. Die Kleinstadt, früher Fischerdorf, an der Pazifikküste ist ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge in den angrenzenden Nationalpark und schon lange kein Geheimtipp mehr. Im Urlaubsdomizil der reichen Peruaner verlangen die Hotels auch gern das Zehnfache des Durchschnitts. Also günstig Reisen in Peru ist auf jeden Fall – mit einem gewissen Standard – nicht möglich! Die nächsten drei Nächte wohnen wir in einem Hotel direkt am Strand. Da es die einzigen Tage am Meer sein werden, schwimmen wir eben auf der Urlaubswelle der Peruaner mit 😉 Das Hotel ist nicht annähernd zur Hälfte gefüllt und perfekt für unsere ersten Tage.

Sorgenfrei und schon am zweiten Tag komplett auf Urlaub eingestellt leben wir in den Tag hinein und achten immer und überall auf die allgegenwärtigen Regeln jeder Reise – bestellen Wasser aus der Flasche ohne Eis ABER Aperol Spritz mit viel Eiswürfel; essen nur geschältes Obst und gekochtes Gemüse ABER trinken frisch gepresste Smoothies… meiden die Straßen zu Fuß ABER fahren mit dem Rad auf der Hauptverkehrsroute in der Mittagssonne ohne ausreichend Wasser und mieten uns den erstbesten Buggy, dessen Räder gefühlt nur noch am seidenen Faden hängen und fahren auf unserer Tour hinter einer jungen Peruanerin, die nach einem Unfall unter ihrem Quad liegt. Unsere Erfahrungen der anderen Reisen helfen uns eben immer wieder in besonderem Maße auf uns Acht zu geben! An unsere Eltern und Freunde: Ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen! 🙂 …und die Peruanerin ist Gott sei Dank auch mit ein paar tieferen Schürfwunden wieder aufgestanden.

Lebenskünstler finden alles halb so schlimm oder doppelt so gut!“ (Heinz Rühmann)

Das nationale Schutzgebiet in der Region Paracas ist nach den hier vorkommenden Sandstürmen benannt und erhielt seinen Status im Jahr 1975. Auf einer Fläche von 3350qkm wird hier auf einer Halbinsel die wüstenhafte Küstenlandschaft und damit ein Ökosystem bedrohter Pflanzen- und Tierarten geschützt.

Auf den vorgelagerten Ballestas Inseln sind aufgrund des kalten, salzarmen, oberflächennahen Humboldtstroms unzählige Seelöwen, Robben, Pinguine, Delphine und seltene Vogelarten heimisch. Der nach dem deutschen Naturforscher benannte Meeresstrom bringt kaltes Wasser aus der Antarktis an die Küste Perus, was uns Bekanntschaft mit diesen tollen Bewohnern machen lässt.

Einer Legende besagt, dass der peruanische Nationalheld Jose de San Martin 1820 hier gestrandet ist, am Strand einschlief und beim erwachen einen Schwarm vorbeifliegender Flamingos im Sonnenuntergang sag. Diese Faszination ließ ihn daraufhin die erste rot-weiße peruanische Flagge entwerfen.

Ein bis heute großes Rätsel ist die riesige Felszeichnung auf einem Hügel der Halbinsel. Die Entstehung des Candelabro de Paracas oder auch „Kerzenleuchter“, für uns eher Kaktus, ist bis heute unklar. Die Geoglyphe misst etwa 180 Meter in der Länge und ist nach heutigen Erkenntnissen etwa 200 v.Chr. entstanden. Die wildesten Spekulationen vermuten hier eine Erschaffung durch außerirdische Lebewesen.

So sammeln wir die ersten Eindrücke in Peru und genießen unsere neue Freiheit in der lang ersehnten Ferne.