Mittlerweile ist der Eindruck des „Wochenendtrips“ verflogen und wir fühlen uns, als wären wir nie wirklich zu Hause gewesen. Unsere Köpfe wissen das alles scheinbar nach wie vor nicht einzuordnen und schalten lieber wieder in den Reisemodus… von jetzt auf gleich, von einem Moment auf den anderen schließen wir an die Weltreise an. Sind wir tatsächlich fünf Monate zu Hause arbeiten gewesen und hatten so etwas wie Alltag? Momentan ist das alles schon wieder unvorstellbar weit weg. Auf den Tag genau vor einem Jahr starteten wir in eine der wohl schönsten Reisen unseres Lebens… eine Zeit, welche noch immer alles mit einem zauberhaften Licht überstrahlt und unseren Blick auf die Welt so viel schöner macht. Mit einem weinenden und einem lächelnden Auge blicken wir heute um so sentimentaler zurück und sind zugleich traurig, aber auch unglaublich glücklich, all‘ das erleben zu dürfen – auch wenn unsere Köpfe gerade etwas hinterherlaufen…

Gefühle klopfen nicht an die Tür und fragen, ob es gerade passt.

Nach den anfänglich wirklich gruseligen, beängstigenden und nahezu schlaflosen Nächten, welche diese Reise zugegebenermaßen in den ersten Tagen schon unvergessen machten, wartete eine ganz besondere, vor allem völlig unerwartete Überraschung auf uns. Eigentlich wollten wir lediglich die 500 Serpentinen der Rückfahrt ins Flachland umgehen, wodurch wir über das Hotel einen Platz auf der Autofähre buchen ließen. Diese Reservierung war im übrigen auch extrem wichtig, da nämlich nur noch ungefähr 90% der Stellflächen frei waren 🙂 Aber wie sagen wir Deutschen immer so schön… Besser man hat, als man hätte! Irgendwie steckt diese komische Eigenschaft noch immer tief in uns. Das ist ungefähr vergleichbar mit den verschiedenen Typen beim Thema Tanken! Eine von uns würde am liebsten schon die nächste Tankstelle ansteuern, sobald einer der digitalen Striche der Anzeige verschwunden ist und die Andere fährt mit Reserve noch bis in das übernächste Bergdorf. Aber irgendwann lernt man eben mit den kleinen Macken umzugehen, lächelt gemeinsam darüber und trifft sich irgendwo dazwischen (aber da das Argument „Sicherheit“ – immer angebracht von der Realistin unter uns – oberste Priorität hat, tanken wir also lieber gleich *haha*). Jedenfalls ahnten wir beide nicht im Entferntesten was uns die nächsten zwei Stunden auf dieser Fähre geboten wurde!

Eine albanische Autofähre schippert irgendwo im Nirgendwo über einen Stausee! Natürlich haben wir uns vorher belesen, wodurch ein kleiner positiver Vorgeschmack entstand… uns aber nicht im Entferntesten vorstellen können, wie das in Wirklichkeit aussehen wird. Schnell merkten wir, dass das definitiv eines der Highlights unserer Reise werden wird. Ohne zu übertreiben, kamen hier tatsächlich die Erinnerungen an Neuseeland hoch! So schön ist Albanien…

Die Welt gehört dem, der sie genießt.

Giacomo Leopardi

Dazu kam noch eine richtig gute Tat für unser Karma-Punkte-Konto 🙂 Trotz unserer Scheu gegenüber anderen Menschen und einer eher isolierten Art zu reisen, nahmen wir zwei gestrandete Deutsche mit zurück in die Stadt. Lothar und Didi aus Würzburg hatten auf ihrer Tour über Kroatien nach Albanien bereits die zweite Autopanne und mussten auf Ersatzteile aus dem Kosovo warten. Das ist schon echt viel Pech, fanden wir und hatten Mitleid (welches wir sonst nur mit Tieren haben, weswegen unser Auto auch voller Hunde- und Katzenfutter ist)! Auch unsere Geschichte von zwei polnischen, nichts verstehenden, taubstummen Reisenden fanden wir hier etwas übertrieben 🙂 So entschlossen wir uns zu helfen und brachten die vom Unglück Verfolgten in die ungefähr zwei Stunden entfernte, nächste größere Stadt… wo wir ohnehin selbst hinfahren wollten. In Shkodra angekommen lieferten wir die Zwei am Hotel ab, checkten danach selbst in unseres ein und ließen den Tag, voller Stolz auf unsere Nächstenliebe gemütlich ausklingen. Der Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen kamen wir allerdings nicht mehr nach… gute 120 Minuten Gesellschaft sollten auch genug an deutscher Kommunikation mit fremden Menschen für diese Reise gewesen sein. ALLEIN ZU ZWEIT ist doch irgendwie schöner…

Shkodra ist mit circa 150.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt des Landes. Sie gilt als kulturelles Zentrum Nordalbaniens, von welchem man in nur etwa 34 Kilometern Montenegro erreichen kann. Gegenüber unseres Hotels sehen wir eine alte verfallene Ruine… das wird unser Plan für heute: der Aufstieg zur sagenumwobenen Burg Rozafa.

Glaubt man der Legende, bauten einst drei Brüder die Burg. Vom Pech verfolgt, war jedoch jegliche Anstrengung umsonst und die Mauern stürzten jede Nacht wieder ein. Für die ewige Haltbarkeit, sprach einestages ein alter Mann, müssten eine Frau eingemauert werden. Die Brüder vereinbarten, die Ehefrau zu opfern, welche am nächsten Tag als erste das Mittagessen bringt. Entgegen der Abmachung weihten die beiden älteren Brüder ihre Ehefrauen in den Plan ein. Infolgedessen war es die junge Rozafa, die am nächsten Tag am Bauplatz erschien. Sie nahm ihr Schicksal tapfer hin, bat aber darum, dass man eine ihrer Brüste, einen Arm und ein Bein verschont. So konnte sie ihrem Kind weiterhin die Brust geben, es streicheln und die Wiege schaukeln. Noch heute soll bei Regen eine milchige Flüssigkeit den Burgberg hinab laufen.

Ohne eine derart glaubhafte Legende, aber dennoch eine kleine Reise wert ist die Mesi-Brücke. Aufgrund des guten Zustands ist sie heute eine der bedeutendsten Überreste des Osmanischen Reiches. Sie wurde vermutlich im 18. Jahrhundert erbaut, ist 108 Meter lang und war Teil einer Handelsroute, die entlang der Albanischen Alpen nach Kosovo führte – ein Weg, den schon die Römer benutzten.

Immer beeindruckter von der Vielfalt des Landes starten wir unseren Roadtrip am nächsten Tag weiter Richtung Süden. Wir möchten in einen Ort namens Berat. Als UNESCO-Welterbe steht „Die Stadt der tausend Fenster“ unter besonderem Schutz. In den Stadtteilen mit den typisch historischen weißen Häusern sind Neubauten verboten. Insbesondere aus diesem Grund sowie den zahlreichen Moscheen und Kirchen gilt Berat als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes.

Wir sind begeistert von dem außergewöhnlichen Flair der Stadt. Während der Ort im wunderschönen Abendrot versinkt, wechseln sich die Rufe des Muezzins mit dem Leuten der Kirchturmglocken ab. Über den Dächern Berats sitzen wir auf unserem Balkon und lauschen dem friedlichen Treiben. In solchen Momenten wünschen wir uns oft, dass viel mehr Menschen das sehen könnten, was wir sehen… und vor allem auch denken. Unsere Welt ist so viel mehr als die eigene Heimat, die vertraute Umgebung und bekannte Kulturen…

Am nächsten Morgen fahren wir, nach dem weltbesten Hotel-Frühstück (es gab sogar hausgemachte Pancakes mit Schokosoße!!!), ungefähr zwei Autostunden ins Landesinnere. Wir wollten es anfangs nicht glauben, aber Albanien besitzt einen richtig ernstzunehmenden Canyon, den Osum Canyon. Die tief in die Landschaft eingeschnittene Schlucht ist etwa 13 Kilometer lang, zwischen 2 und 30 Meter breit, 70 bis 80 Meter tief und gilt als kleiner Bruder des „wahren“ Grand Canyons.

Schon die Fahrt zum Canyon ist ein echtes Erlebnis!

Wie bei jeder unserer Wanderungen, laufen wir natürlich stundenlang in der prallen Mittagssonne bei 29 Grad auf irgendwelchen Wegen, die keine sind… und das auch immer schön am unbefestigten Abgrund entlang. Hier draußen, wo selbst die kleinen Schildkröten nicht überleben, schlagen wir uns tapfer durch 🙂 Nach einem großflächigem Brand oberhalb des Canyons können wir weder einen der Wanderwege, noch ein Stückchen Schatten finden. Die Eine vornweg und die Andere mal mehr und auch mal weniger gut gelaunt (in dem Falle schnaufend und fluchend) hinterher… Aber die Aussicht lässt uns die Strapazen wie immer vergessen. Wie ihr seht… daran hat sich absolut nichts geändert 🙂

Besser einmal ein bisschen zu weit gehen, als nie weit genug!