Irkutsk und der Baikalsee 

Irkutsk und der Baikalsee 

Mit über einer halben Million Einwohner gehört Irkutsk am einzigen Abfluss des Baikalsees zu den großen Hauptanziehungspunkten Russlands. Obwohl die Metropole auch als „Paris des Ostens“ bezeichnet wird, interessieren wir uns jedoch weniger für die Stadt. Wir wollen raus aus dem Trubel zum 70 km entfernten Baikalsee, in den kleinen Ort Listwjanka.

Das hieß 6:45 Uhr Wecker stellen, gemütlich aufstehen, in Ruhe packen und unsere Zeitkapsel verlassen! Die letzten Stunden in unserem gemütlichen Abteil waren gezählt… und das wollten wir in Ruhe ausklingen lassen. Doch nix mit sanftem Handy-Wecker! Wir hatten die Rechnung ohne unsere russische Freundin gemacht. Pünktlich 6:35 Uhr holte uns Zugschaffnerin (nennen wir sie wieder) Olga mit einem schroffen Türklopfer aus dem Schlaf. In der Annahme, wir haben verschlafen, sprang eine von uns aus dem Bett und riss die Tür auf! Wir rechneten mit einer ordentlichen Ansage… doch alles was sie uns zögerlich entgegen hauchte war „VASHI BILETY“!!!! Sie gibt uns 60 Minuten VOR unserem Ausstieg NUR unsere Tickets zurück??!! (Puh… hier waren wir durchaus froh, dass die Russen nicht alles verstehen, was wir sagen 🙂 Also in der Transsib braucht auf jeden Fall niemand Angst haben, seinen Ausstieg zu verpassen! Sie schieben zwar den freundlich scheinenden sinnlosen Grund der Ticketrückgabe vor, aber eigentlich wollen sie dich mit ihrem russischen Charme einfach nur loswerden! 🙂

Nachdem wir das verdaut hatten, begann unsere eigentliche Challenge des Tages. Wir wollten uns auch mal wie richtige Backpacker verhalten! (in Moskau haben wir uns aus Bequemlichkeit ein Taxi zum Hotel genommen – da werden wir doch ausgelacht vom typischen Dreadlocks-Hanfhosen-Ich-kann-ohne-Geld-um-die-Welt-reisen-Backpacker, dieses Luxus-Image lassen wir uns nicht nachsagen!) Also, auf geht’s! Bei 3 Grad raus aus dem Zug, ohne einen geraden Satz russisch raus zu bekommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gegen stoisch Landessprache sprechende, alte Männer in Form von Busfahrern ankämpfen und 70 Kilometer in ein kleines Dorf am Baikalsee finden – wäre doch gelacht wenn wir das nicht hinbekommen! Na dann mal los…

Der Weg aus dem Bahnhof war noch einfach… der Masse hinterherlaufen ist nicht so schwer (natürlich nur, wenn man alle „Taxi, Taxi – rufenden Schlitzohren“ mit Nichtachtung straft 🙂 Auf dem Bahnhofsvorplatz sieht das allerdings schon anders aus. Hier gilt es, aus einem weiteren bunten Mix aufdringlicher Taxifahrer, welche einen für völlig überteuerte Preise überall hinbringen würden und einem unübersichtlichem System an Bussen und Straßenbahnen, die richtige Linie auszuwählen. Dank diverser, vorher gelesener Hinweise im Internet, wussten wir zumindest ungefähr, in welche Richtung es gehen soll. Wir hatten zumindest eine Busnummer mit der Zielrichtung Busbahnhof und eine dortige Abfahrtszeit des Kleinbusses zum Baikalsee… ob das jetzt alles zusammen passt – keine Ahnung – no risk – no fun 😉 Mit Screenshots russischer Wörter versuchten wir dem Busfahrer im Bus Nummer 80 unser Ziel zu erklären. Außer Schulterzucken und grimmige Blicke hatte er wohl nichts für Touristen übrig. Genervt gab er uns irgendwann zu verstehen, dass wir einsteigen sollen… so fühlt man sich HERZLICH WILLKOMMEN in dieser Stadt!!! (…und da bestätigen sie sich wieder, diese Vorurteile!) Nach ungefähr zehn Minuten Fahrt nuschelte der Fahrer irgendetwas in seinen Bart. Wir fühlten uns aus irgendwelchen Gründen angesprochen und stiegen aus. Neuer Standort – ein großer zentraler Platz im Stadtzentrum – könnte durchaus mit der Beschreibung aus dem Netz übereinstimmen – Gefühl: gut 🙂

MORGENS 8 UHR IN IRKUTSK… eine alte Babuschka öffnet im Bademantel ihre hölzernen Fensterläden – ein letztes Wodka-Opfer sitzt mit Platzwunde am Straßenrand – zwielichtige Straßenjungen starren gierig auf unser Gepäck (bepackt mit jeweils 2 Rucksäcken, einen vorn, einen hinten, ist zugegebenermaßen auch nicht viel von uns zu erkennen, sie starren quasi auf Rucksäcke mit Beinen, vielleicht ist auch das der Grund des erstaunten Blickes) – erste Händler präsentieren ihren geräucherten Fisch, den Beikal-Omul, auf dem Markt – ganz normale Menschen auf dem Weg zur Arbeit – die Stadt scheint langsam zu erwachen – UND WIR2 MITTENDRIN! 🙂

Und das beste daran… wir haben tatsächlich den richtigen Bus erwischt, mussten noch ungefähr 10 Minuten zum Busbahnhof laufen und konnten einen Platz im Minibus zum Baikalsee ergattern. Backpacker-Test bestanden – CHECK – und das für 5,50 Euro – für Beide!!!

Schon der erste Blick auf den ältesten, tiefsten und größten Süßwassersee der Erde ist beeindruckend! Umringt von Gebirgen liegt „der reiche See“ in ca. 455 Meter Höhe. Durchschnittstemperaturen von -20 Grad im Winter sind hier völlig normal… mit 5 Grad haben wir zur Zeit noch Glück und das Wasser ist noch nicht zu Eis erstarrt 🙂

Unser zu Hause für die nächsten drei Tage liegt in einer kleinen Seitenstraße unweit des Sees und ist eher „russisch-rustikal“ 🙂 Der herzliche Empfang lächelnder Angestellter und ein warmer Kaffee reichte allerdings schon, um uns glücklich zu machen und das Land sowie die Menschen wieder zu schätzen.

Was ein wenig „Wärme“ (in jeglicher Hinsicht) so verändern kann…

Nach dem vier-tägigem Wundliegen in der Transsibirischen Eisenbahn wollten wir uns ein wenig bewegen. Die Landschaft rund um den Baikalsee ist wunderschön und bietet eine zahlreiche Auswahl an verschiedensten Wanderwegen. Nach ausführlicher Recherche entschieden wir uns (Auswahl durch die Träumerin mit den Worten „wird schon passen“ – ihr wisst, wer den Trail herausgesucht hat!) für einen Abschnitt des Great Baikal Trails.

Hatten wir schon erwähnt, dass man klar im Vorteil ist, wenn man die russische Sprache beherrscht…??? Naja… wer uns kennt, der weiß, dass wir trotzdem loslaufen 🙂 Als nach und nach die Straße, der Weg, sogar irgendwann der Pfad verschwand und der Wald immer dichter wurde, bekamen 50% von uns (die mit dem Sicherheitsdenken) schon Schnappatmung und leichten Puls… auch dieses Schild verhalf jetzt nicht gerade zur Beruhigung…

„Aber vielleicht brauchen wir ja diese „permission“… oder sogar einen Guide… Schatz…???“ (könnte ja eventuell sein, tief im sibirischen Wald!!!) Die Antwort darauf nur: „Ach quatsch! Was soll den schon passieren? Beruhig dich!“ Während die eine Hälfte mit Kopfkino über zähnefletschende Bären, hungrige Wildschweinherden und russische Kidnapper jeden Winkel des Waldes scannte, spazierte die Andere völlig unbeschwert und leichtherzig weiter 🙂 🙂 🙂 Erst als wir nach etwa ZWEI STUNDEN das erste Mal auf weitere menschliche Wesen stießen, konnten wir den Trail gleichermaßen genießen 😉 Da lagen im Übrigen auch schon gefühlte fünf Kilometer mit 60%er Steigung hinter uns! Der Great Baikal Trail ist laut Beschilderung mittlerweile zum Ultra Baikal Trail geworden – keine Ahnung, wo wir falsch abgebogen sind! Eine wirklich tolle, entspannte „kleine Wanderung“… wie immer 🙂

Im Nachhinein hat sich jedoch wieder jeder einzelne Schritt gelohnt! Trotz der Bedenken, die IN JEDEM FALLE hätten eintreten können!!!… haben wir den Tag unbeschadet überstanden und wirklich tolle Eindrücke gewonnen 🙂

Man hat tatsächlich das Gefühl, dass sich jegliche Art der Globalisierung den Weg hierher noch erkämpfen muss. Auch wenn der Ort den Tourismus langsam erkennt und das ein oder andere Hotel aus der Erde gestampft wird, versprüht Listwjanka noch immer einen gewissen Charme. Das macht die Gegend hier ganz besonders, unberührt und weit entfernt von der europäischen Hast und Hetze…

So behalten wir unsere Zeit am Baikalsee in toller Erinnerung…

Morgen geht es weiter mit der Transsib in die Mongolei nach Ulan Bator.

Wir2 unterwegs in der Transsibirischen Eisenbahn…

Wir2 unterwegs in der Transsibirischen Eisenbahn…

Insgesamt sind es um die 7800 km von Moskau bis Peking, 6 Tage und Nächte in einem schunkelndem Zug, aus welchem man zu 90% auf vorbei rauschende Birkenwälder blickt. Über 130 Stunden in einer Bahn, in welcher sich der Bewegungsradius auf die beiden Enden des Waggons (links die Toilette, KEINE Dusche!!! / rechts das heiße Wasser im Samowar für Kaffee und Tee), in seltenen Fällen auf das Bordrestaurant ein paar Wagen weiter oder einmal am Tag auf ein kleines Stückchen Bahnsteig (falls der Zug doch länger als 5 Minuten hält) beschränkt.

Genau DAS ist eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn – rein OBJEKTIV betrachtet!

Hat man aber sein kleines privates Zugabteil erst einmal bezogen und es sich gemütlich gemacht, entdeckt man SOOO VIEL MEHR auf dieser einzigartigen Reise…

Unsere erste Etappe: Moskau – Irkutsk, 5200 km, 80 Stunden

Um 23:45 Uhr starten wir vom Jaroslawer Bahnhof in Moskau. Hier fahren die meisten Fernzüge Richtung Osten ab, wodurch der historische Bahnhof schon ein leicht internationales Flair versprüht. Nicht, dass hier irgendjemand Englisch sprechen würde oder die russischen Mitbürger in Unterzahl wären, aber ein wenig „Ferne“ kann man sich hier gern einbilden… Nach dem Einstieg machten wir eines der Abteile in Wagen Nummer 6 zu unserem und registrieren schon am nächsten Morgen (ja… zugegeben, die erste Nacht war im wahrsten Sinne des Wortes etwas holprig) einen völligen Verlust des Raum – Zeit – Gefühls. Wir fahren stundenlang durch Russland, werden mit jedem Kilometer entspannter, durchqueren auf diesem Streckenabschnitt FÜNF Zeitzonen, wissen irgendwann weder welcher Tag noch welche Uhrzeit wir haben und genießen einfach nur das Nichtstun. Gefühlt sind wir schon Wochen unterwegs und haben zweimal den Erdball umkreist. Nichts und niemand kann uns hier stören, wir können und wollen unser kleines Reich in diesem Moment nicht verlassen. Nur der Zugbegleiter klopft ab und zu an unserer Zeitkapsel, um uns Essen oder Getränke zu bringen. Sonst reisen wir ungestört „zurück in die Zukunft“ 🙂

Wir verstehen nach und nach, was die „FASZINATION TRANSSIB“ ausmacht. Es ist ein echtes Lebensgefühl, eine völlig neue Art des Reisens! Anfangs bewegte uns die reine Neugier, die Abenteuerlust und das bloße Ziel „Einmal im Leben mit diesem Zug auf der längsten Eisenbahnstrecke der Welt fahren“. Wir hatten nicht den blassesten Schimmer, auf was wir uns einlassen… Doch die Investition ins Ungewisse hat sich für uns mehr als gelohnt! Ein unbeschreiblich tolles Gefühl!

Wir nehmen euch einfach mal mit in unseren Tag…

Bei leichtem Geschunkel lässt es sich super schlafen 🙂 Wie Babies in der Wiege wachen wir jeden Morgen in einer anderen Zeitzone auf und versuchen uns neu zu orientieren. Auch wenn das nicht funktioniert, ist das völlig egal – denn die ZEIT ist hier einfach NICHT WICHTIG! 

Unsere erste Amtshandlung nach ausgiebigem Wachwerden ist Kaffee trinken! Was wir an den Wochenenden zu Hause schon immer genossen haben, wird hier ausführlich zelebriert – schließlich haben wir unendlich viel Zeit!!! (hatten wir schon erwähnt… oder?) Mit der Kaffeetasse im Schlafanzug zum Samowar schlendern, heißes Wasser holen und ab zurück ins Bett… das ist unsere Welt 🙂

Irgendwann später am Tag geht’s an die Körperhygiene. Wir müssen zugeben, dass dieser Punkt etwas gewöhnungsbedürftig ist… Auch wenn hier alles mehrfach am Tag gereinigt wird, ist das Desinfektionsmittel unser bester Freund. Außerdem ist hier nur Katzenwäsche angesagt, da es keine Dusche gibt. Aber auch so bekommt man mit der richtigen Technik und einem gefluteten Sanitärbereich den Großteil sauber *haha* – allerdings ist das tatsächlich ein Grund, warum wir nach den 4 Nächten in unserer Zeitkapsel gern auch einmal aussteigen 🙂

 

Jetzt ist im Grunde unser Tages – Pflichtprogramm schon erfüllt 🙂 Nun folgt lesen, schlafen, Karten spielen, faulenzen, reden, lachen, nachdenken, genießen und wieder von vorn… Zwischendurch gönnen wir uns hier viele kleine kulinarische Highlights 🙂 🙂 🙂

 

Eine ganz spezielle und komischerweise hochinteressante Aufgabe ist „aus dem Fenster schauen“. Glaubt nicht, dass es einfach ist, die beste Position zu finden um möglichst lange ohne körperliche Beschwerden gucken zu können!!! Und dann noch die richtigen Momente zu erwischen… nämlich genau die 10% Streckenabschnitt, wo kein Birkenwald ist… das ist schon hohe Kunst und muss trainiert werden! 😉 Zumindest hat eine von uns exzellente voyeuristische Veranlagungen und wird in 40 Jahren eine richtig gute Spionage – Omi am Fensterbrett werden 🙂

Bei besonders großem Bewegungsdrang können wir unseren Radius auch erweitern und zum Beispiel in den Speisewagen gehen. Dazu benötigt es allerdings etwas Überwindung, wie wir feststellten… denn dieser Weg führt uns von unserem gut duftenden Zwei-Bett-Waggon über den schon strenger riechenden Vier-Bett-Wagen und dem pumakäfig-artigem Großraumschlafwagen in eine muffige Mitropa-Kantine! Zwischen den Waggons läuft man zudem Gefahr ins Gleis zu fallen. Da gehört schon Mut dazu… naja, es muss auch Wege geben, die man kein zweites Mal gehen will 🙂

Die Zeit der großen Saufgelage in den Zügen ist mittlerweile auch vorbei. Alkoholkonsum in den Waggons ist verboten. Wer erwischt wird, kann sich nur durch Bestechungsgelder oder Beischlaf mit der Schaffnerin retten 🙂 Auch wir bewegen uns mit der Mitnahme einer kleinen Flasche Wodka am äußersten Rande der Legalität 🙂 🙂 🙂 Aber außergewöhnliche Situationen erfordern schließlich außergewöhnliche Maßnahmen! Prost! …oder wie sagt man hier: Sa Sdarówje! 

Wenn der Zug länger als 10 Minuten hält, was ein- bis zweimal pro Tag vorkommt, kann man sich auch die Beine auf dem Bahnsteig vertreten und shoppen gehen 🙂 Da die Babuschkas im Kiosk wissen, dass die Touristen alle Geld mitbringen, zahlt man hier gern das drei- bis vierfache und bekommt auch kein Wechselgeld zurück. Die Preise sind wahrscheinlich tagesform- und wetterabhängig. Und trotzdem ist alles noch verhältnismäßig günstig… Wir geben es gern, bei unseren durchschnittlichen Ausgaben von 5 Euro pro Tag 🙂 

 

Wenn man Glück hat und der Bahnsteig lang genug ist (die transsibirischen Züge sind mitunter einen halben Kilometer lang), kann man einen Blick auf die Lok erhaschen, welche den monströsen Zug tausende Kilometer durch das Land zieht… das ist schon irgendwie verrückt.

Kein Wunder, das der Lokführer bei den Entfernungen sein Haustier mitbringt 🙂

Der Großteil der Strecke Moskau – Irkutsk verläuft durch Sibirien. Dieser Teil Russlands umfasst ungefähr 75% des gesamten Landes zwischen dem Uralgebirge und der Küste des Pazifischen Ozeans. Mit rund 16 Millionen Quadratkilometern ist Sibirien größer als Europa. Allerdings leben auf dieser Fläche nur etwa 37 Millionen Einwohner, wovon sich der Großteil auf die Städte links und rechts des Streckenverlaufs der Transsibirischen Eisenbahn konzentriert. Omsk, Novosibirsk, Krasnojarsk und Irkutsk gehören hier zu den wichtigsten Anlaufpunkten.

 Quelle: go-east.de

Im Übrigen herrscht hier in Sibirien tatsächlich weniger menschlich-russische Kälte als in Moskau! Die Leute wirken freundlicher und können auch lächeln… Wenn selbst der Schaffner Handküsse verteilt und eine von uns mit „my love“ begrüßt, scheint das Eis zwischen uns und den Russen langsam zu schmelzen 😉 …läuft also mit dem Ausräumen der Vorurteile 😉

Russland ?? Der Start in unsere Weltreise

Russland ?? Der Start in unsere Weltreise

Wir lassen unsere warme, herzliche und vertraute Umgebung traurig aber auch irgendwie glücklich zurück und starten in das „Projekt Weltreise“. Nicht nur ihr, sondern auch wir fragen uns tatsächlich, warum wir eigentlich Moskau als erste Station unserer Reise gewählt haben? Beim Gedanken an Russland hat man doch immer irgendwie nur Kälte und Wodka, dazu saufende, grimmig schauende, „unschöne“ Vladimirs und lange, dünne, schönheitsoperierte, stöckelschuhtragende Olgas im Kopf. Soll das etwa ein Anreiz sein, das Land zu bereisen…? Irgendwie nicht wirklich… aber wir wollten diese Vorurteile beiseite schieben und uns ein besseres Bild machen! Immerhin tragen die Deutschen auch nicht alle Lederhosen, trinken Bier und essen Bratwurst mit Sauerkraut!

Oscar Wild sagte einmal:

„Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf.“

Die Komfortzone verlassen bedeutet für uns auch, nicht gleich in den nächsten Flieger Richtung Südsee steigen und die Sonnenseite des Lebens genießen, sondern sich langsam vorzuarbeiten 🙂 Also auf nach Moskau! 

Nach einem kurzen 140-Minuten-Flug landeten wir an einem der drei Flughäfen Moskaus, Vnukovo International. Leider breitete sich die „menschlich-russische Kälte“ schon im Flugzeug aus… wir erwarten ja kein thailändisches Dauergrinsen aber gegen einen kurzen freundlichen Blick hätten wir wirklich nichts einzuwenden… jedoch weit gefehlt unter den strengen russischen Ladies! Man könnte fast denken, dass der straffe Dutt jegliche Mimiken einfach nach hinten zerrt. Aber gut, Lachen am Arbeitsplatz ist nicht jedermanns Sache… wahrscheinlich wird es bald besser 🙂

Wir folgen erst einmal dem Ruf Moskaus, eine der günstigsten Taxistädte zu sein, und ordern uns eine der gelben Kisten für den Transfer in unser Hotel. Nach kurzer Verhandlung (hier ist die Realistin gefragt 🙂 zahlen wir 25 Euro und bekommen einen fast blinden (er setzte tatsächlich zwei Brillen zum Lesen der Adresse auf!!! :), zittrigen und leicht nach Kloake riechenden Fahrer, welcher uns innerhalb einer Stunde mit waghalsigem Tempo durch die Rush hour zum Hotel bringt. Preis – Leistung ist ok aber auch hier ist ein freundliches Lächeln weit gefehlt!

Die Ankunft im Hotel ließ uns hoffen. Durch ein paar Brocken Englisch (das ist hier keinesfalls selbstverständlich) konnten wir uns mit der Dame an der Rezeption verständigen und ihr ein kurzes Lächeln abgewinnen. Dazu gab es ein kostenloses „Upgrade“ – ein Zimmer MIT Fenster!!! WAHNSINN!!! Uns war nicht wirklich bewusst, dass es welche ohne gibt 🙂 

Wir bezogen unser erstes Hotelzimmer und kamen Schritt für Schritt in der russischen Mega-Metropole an. Genauso speziell wie die Menschen hier ist auch das Essen… aber dafür extrem billig! Im „Restaurant“ unseres Hotels testen wir die ersten Köstlichkeiten. 

Wir entschieden uns für den typisch russischen Eintopf Borschtsch und Kartoffelbrei mit überbackenem Hähnchen – zugegeben, kein kulinarisches Highlight aber dafür (wie bereits erwähnt, aber wir möchten es noch einmal betonen – Weltreisende müssen schließlich sparen) extrem billig! Mithilfe von diversen Übersetzungs-Apps stotterten wir erste russische Wörter und die Ludmilla hinter dem Tresen einige Englische. Kommunikation fängt an zu funktionieren – Dobryi den‘ und Spasibo 😉

Unseren ersten Morgen ließen wir gemütlich angehen. Ausschlafen, Kaffee trinken und realisieren, dass wir verdammt VIEL ZEIT haben. Es ist egal ob wir jetzt aufstehen und uns die Stadt anschauen oder einfach liegen bleiben! Wir werden die nächsten Monate noch so viel sehen und erleben, das dieser einzelne Tag überhaupt kein „Gewicht“ hat. Und DAS vollkommen zu verinnerlichen, ist ein wahnsinniges Gefühl und der Anfang unseres Abenteuers 🙂

Glücklich, zufrieden und mit diesem Gedanken im Kopf schlendern wir später doch über den Roten Platz, besuchen den Kreml, die Basilius-Kathedrale und das berühmte Warenhaus Gum. 

Ab und an haben wir Glück… die Sonne kämpft sich durch die grauen Regenwolken und lässt die Stadt und ihre prunkvollen Bauten in den schönsten Farben erstrahlen. Wirklich tolle Eindrücke, durch welche einige der Vorurteile nach und nach verschwinden. Den Menschen Moskaus ein Lächeln abzugewinnen gelingt während unserer Zeit in der Stadt eher selten. Der ernsthafte, meist grimmig wirkende Gesichtsausdruck wird hier vermutlich angeboren. Schade eigentlich, denn einige der russischen Frauen wären „in freundlich“ noch viel schöner…

Nach einer Tour durch Moskaus schönste Metro – Stationen und dem wohl leckersten Snickers – Kuchen der ganzen Welt verlassen wir die Stadt am Abend und steigen in die Transsibirische Eisenbahn…