Ist deine Umgebung zu stark… musst du dir irgendwann eingestehen, dass du zu schwach bist…
Wir2 möchten auf unserer Reise irgendetwas Nützliches tun! Das war von Anfang an eine unserer Herzensangelegenheiten! Schon lange vor der Routenplanung haben wir beschlossen… irgendwo müssen wir anpacken und durch unsere Unterstützung vielleicht sogar etwas bewirken – ein paar winzig kleine Weltenbummler – Spuren hinterlassen.
Es heißt „Geben und Nehmen“ und nicht „Nehmen und Gehen“.
Bei der Entscheidung wo wir das versuchen möchten, mussten wir nicht lange nachdenken. Aus welchem Grund auch immer, hatte Vietnam schon gewonnen, bevor wir überhaupt in die Nähe eines Reisplans kamen! Die Faszination für dieses Land und dessen Geschichte ist so groß, dass wir gern versuchen möchten, den Menschen etwas zu geben… vielleicht ein wenig von unseren Eigenschaften, von unserem Wissen, Werten oder einfach nur Hilfe in der Küche, auf dem Hof oder Feld sein. Wir möchten erfahren, wie das Leben hier, inmitten einer kleinen nordvietnamesischen Provinz in den Bergen, tatsächlich ist.
Um das wirklich authentisch zu fühlen, reicht es eben nicht, einfacher Tourist oder normaler Reisender zu sein! Um bei einer vietnamesischen Familie für eine gewisse Zeit zu wohnen, baten wir um Hilfe vor Ort. Wieder einmal wussten wir absolut nicht, worauf wir uns einlassen… wir glauben diesmal sogar so wenig wie nie. Das beunruhigende an solchen Situationen sind die eigenen Vorstellungen und Erwartungen (welche auf jeden Fall – das haben wir bereits gelernt – immer so niedrig wie möglich sein sollten… aber ihr wisst ja, manchmal lassen sich Gedanken und Bilder im Kopf nicht so einfach steuern). Die wichtigsten Fragen für uns waren immer: Können wir den Menschen in ihren, seit Generationen entwickelten Lebensweisen überhaupt zur Seite stehen? Wie sieht das alles vor Ort aus… Wie stellen wir es uns vor…? Und das wichtigste… passt das alles irgendwie zusammen… UND WENN NICHT… schaffen wir es, uns damit zu arrangieren?
Ehrlich gesagt, haben wir uns die die letzte Frage sehr, sehr oft gestellt! Es war tatsächlich eine Achterbahn der Gefühle! Wir haben versucht zu verstehen, zu lernen, zu akzeptieren, über gewisse Dinge hinweg zu sehen und mitzumachen. Doch selbst das „einfache, ganz normale Leben“ brachte uns schon an die ein oder andere Grenze. Geschirr zu säubern, während dir die letzten Schlachtabfälle zwischen den Zehen hängen und die Kakerlaken Zuflucht auf deiner Waschschüssel suchen, lässt das gemeine deutsche Gemüt schon kurz erstarren… und das ist nur eine der alltäglichen Situationen 🙂 Wie ihr wisst, haben wir schon einmal festgestellt, dass wir uns von der Vorstellung, wie „Alltagsleben in gewohnter Sauberkeit“ aussieht, verabschieden müssen… aber geht das über einen längeren Zeitraum, wenn man über 30 Jahre „europäisch“ gelebt hat?
Wir2 werden es herausfinden… Unsere Geschichte über Selbstzweifel, Bewunderung und Eingeständnisse…
Aber erst einmal alles auf Anfang 🙂 🙂 🙂
Nachdem wir per Roller von unserer Gastfamilie aus der Stadt abgeholt und ins Dorf gebracht wurden, durften wir uns ein erstes Bild von dem machen, was uns erwartet. Endlich konnten alle Vorstellungen mit Farbe und Leben gefüllt werden!
Ankunftsort war ein kleiner Innenhof, umgeben von zwei Häusern, einem Schuppen, einem kleinen Mini-Supermarkt, zwei großen Wasserbecken, einem Waschbereich und der Küche… und das alles inmitten der schönsten vietnamesischen Berglandschaft, wie sie schöner wirklich nicht sein kann!
Aufgrund der wirklich großartigen Helfer im Hintergrund wurden wir herzlich von der Bürgermeisterin der Provinz und der Familie in Empfang genommen. Sie führten uns durch das Haus, waren sichtlich froh über unsere Ankunft und zeigten uns unser kleines Stück Privatsphäre – vier Quadratmeter unter einem Moskitonetz – et voilà – unser Schlaf- und Wohnplatz 🙂
HERZLICH WILLKOMMEN heißt hier zunächst erst einmal ZUSAMMEN ESSEN. Und glaubt uns, in Vietnam wird ordentlich aufgetischt! Unzählige Gemüsearten und Fleischsorten (hier liegt übrigens jedes Einzelteil des Huhns auf dem Teller… JEDES!!!), Fisch, Reis, Suppe, einige undefinierbare schwabbelige Gegenstände, Obst… und SEHR, SEHR VIEL Reisschnaps!!! Wir dürfen erinnern – es ist 11Uhr Vormittags! Aber zumindest wußten wir danach, warum hier alle ständig, überall und immer nach Alkohol riechen! Die Bräuche hierzulande sagen, dass man bei offiziellen Anlässen mit dem Tischältesten und dem Ranghöchsten zu trinken hat, wenn er dazu aufruft… und die Bürgermeisterin hatte beide Eigenschaften inne und obendrein ordentlich Durst 🙂 So stellt man sich einander vor, bedankt sich für das gemeinsame Mahl und die Gegenwart eines jeden Einzelnen. Der Schnaps sollte immer auf ex getrunken werden, wobei es Frauen mitunter erlaubt ist, eher Stopp zu sagen. In Sachen Verhaltensweisen erwarten den Vietnam-Reisenden auf jeden Fall so einige Fettnäpfchen. Auf der einen Seite ist es unhöflich den Alkohol abzulehnen… auf der Anderen verliert man das Gesicht, wenn man betrunken ist – EIN TEUFELSKREIS 🙂
Nachdem der erste Trubel vorbei war, wir zum Mittagsschlaf verdonnert wurden und etwas zur Ruhe kamen, nahmen wir das Umfeld bewusst wahr und atmeten gaaaanz tief durch! Wir schauten uns an… und wir müssen zugeben… wir fühlten uns im ersten Moment tatsächlich etwas hilflos… wie kleine Kinder, die kein Spielzeug vorgesetzt bekamen. Was für dörfliche, vietnamesische Verhältnisse wahrscheinlich sauber und völlig normal ist, löste bei uns eine ordentliche „Entenkombi“ aus! Wir kamen mit der überzeugten Einstellung her, helfen zu wollen… nur leider stellten die hygienischen Bedingungen (was aber im ersten Moment noch nicht mal das schlimmste war) und die Sprache eine größere Hürde dar, als wir jemals gedacht hätten. Aus welchem Grund auch immer, hatten wir bereits nach wenigen Stunden ein ungutes Gefühl. Dennoch überwog die Motivation… unsere Köpfe waren voller Ideen und Tatendrang. „Lass uns die Sache anpacken!“, flüsterten wir uns leise und verhalten zu. Wir bedauern es total, in ein Land zu kommen, welches wir so sehr mögen… wo wir aber außer „Hallo“ nichts in der Landessprache sagen können. Natürlich liegt der Fehler dahingehend bei uns! …denn wir können und wollen auch keinesfalls erwarten, dass die Einheimischen Englisch oder gar Deutsch sprechen! Wo wir uns bisher noch ganz gut mit irgendwelchen Übersetzungs-Apps durchkämpfen konnten, kamen wir hier leider auch damit an unsere Grenzen. Während wir mit unserem Gastvater ein paar holprige Sätze per Handy wechseln konnten, funktionierte das mit der Dame des Hauses leider gar nicht, denn sie kann nicht lesen. Dazu kam, dass es aufgrund des schlechten Empfangs auch für die Sprachausgabe nicht reichte… RICHTIGE KACKE! Ok – eine Lösung muss her – was tun? …Vater ist meistens unterwegs, ein Kind kann noch gar nicht sprechen, das andere ist im Grundschulalter. Mit Worten kommen wir jetzt definitiv nicht mehr weiter! Wir brauchen also eine richtige MacGyver – Lösung, um die Hürden zu überspringen! Der Typ hat doch auch aus Bambusholz, einem Motor und irgendwelchen Plastikplanen eine Flugzeug gebaut! Das kann doch nicht so schwer sein 🙂
Also fingen wir an zu schauen, was unsere Gastmutter so macht… eine wirklich unangenehme Situation, wenn man jemandem wie ein Trottel hinterher rennt und eigentlich nur im Weg steht! Wir wussten weder, was sie in dem Moment von uns dachte, noch was sie überhaupt erwartete! Aber irgendwie müssen wir ja beginnen uns zu „beschnuppern“! Es dauerte nicht lange, ihre Aufgaben grob zu überschauen. Sie bestehen im Grunde darin, Nahrung zu besorgen, zu kochen, den Hof etwas in Schach zu halten und die Kinder zu versorgen. Na gut – verstanden – nächste Überlegung… Was können wir davon vielleicht übernehmen? Eine Hälfte von uns ist ja bekanntlich „Kneipenkind“ 🙂 – Küchenarbeit – gar kein Problem! …wir wissen genau, dass unsere Mütter gerade sehr über uns lachen! Ganz liebe Grüße an dieser Stelle 🙂 Nur leider ist eine vietnamesische Küche… wie sollen wir sagen… sehr speziell! Eine Feuerstelle, ein Hahn mit fließend Wasser und ein Schlachtplatz! Dahinter die Schweine-, Hühner- und Entenställe, sowie der Fischteich – frischer geht’s sozusagen nicht. Wird nur etwas kompliziert, hier das Können aus der heimischen Küche irgendwie anzuwenden! Eine Käseplatte, Chili con Carne oder einen Mett-Igel könnten wir ja sofort zaubern… aber Fische ausnehmen, Hühner rupfen und Gemüse ernten, von welchem wir nicht mal wissen, dass es überhaupt welches ist… wird leider ein bisschen schwierig für uns!
Dennoch gaben wir unser Bestes! Eine spülte, die Andere schälte Gemüse, fegte den Hof und versuchte durch Einsammeln von Plastikmüll irgendwie an das Bewusstsein der Einheimischen zu appellieren. Trotz der Hilfe der Kinder, die im Grunde wissen, dass all’ das nicht in die Wiese gehört (was in dem Moment wirklich ein kleines Erfolgserlebnis war), landete das Bonbon-Papier wenige Minuten später wieder am Straßenrand… Wir halfen Holz zu stapeln, Fische zu fangen und Kräuter zu sammeln. Unsere Gastmutti nahm uns sogar mit hoch hinaus in die Berge zum Tee pflücken, welchen wir im Anschluss noch in einer Art großen Trommel über dem Feuer trockneten. Es sind wirklich richtig faszinierende Bilder für uns… wie hier alles so „ursprünglich“ funktioniert! Erlebnisse, die wir so schnell nicht vergessen und die uns mit Sicherheit sehr nachhaltig prägen…
So nach und nach verstanden wir, wie das Leben hier funktioniert. Die Familie führt eine Art kleines Restaurant und bietet über ortsansässige Touranbieter Schlafplätze an. Hier halten viele vorbeifahrende Touristen (meist Vietnamesen oder Europäer, die mit Vietnamesen unterwegs sind) zum Mittag und verweilen danach noch für ein Stündchen Mittagsschlaf. Die mehr oder weniger guten Straßen und Wege der Ha Giang Provinz sind beliebt für Roller-Touren und gelten mitunter als eine der schönsten Panoramastrecken Vietnams. Ein Engländer sah uns zum Beispiel beim Spülen des Geschirrs, traute seinen Augen kaum, sprach uns seinen größten Respekt aus und hatte genau das richtige Wort für unser Dasein hier oben: HARDCORE – HOMESTAY !!!
Leider traf es uns genauso „hardcore“ in der dritten Nacht! Habt ihr schon einmal von Montezumas Rache gehört? (Montezuma oder auch Moctezuma war ein Aztekenkönig, dessen Untertanen durch eingeschleppte Krankheiten zu Haufe starben. Bei dessen Tod im Jahre 1520 sprach er infolgedessen einen Fluch über die Pocken- und Masern-einschleppenden Spanier, dessen Auswirkung eine böse Darminfektion war, aus) Jetzt kam die richtige Keule und die Verdauung geriet ordentlich durcheinander! Ihr wisst, was das bedeutet! – wieder einer der Zeitpunkte, wo wir euch die Details lieber ersparen 🙂 Man sagt, es erwischt jeden dritten Fernreisenden! Goldene Regel: „Cook it, boil it, peel it or forget it“ (koch es, brat‘ es, schäl‘ es oder vergiss es) – das geht sicher eine Weile lang gut, aber dass es uns irgendwann treffen wird, besonders in einer so ursprünglichen Umgebung… war ja fast klar! Doch das sollte noch nicht reichen. Denn dazu kam in der folgenden Nacht noch Schüttelfrost, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen! Ganz großes Kino! Diese Rache hat es wahrlich in sich!
Das Leben ist ein ständiges Geben und Nehmen. Mal übernimmt man sich, mal übergibt man sich…
Unsere Gasteltern versuchten alles, um uns irgendwie zu helfen. Sie holten heilende Wurzeln, machten (trotz der Appetitlosigkeit) mehrfach am Tag Essen, kauften Medikamente und kochten Magentee.
Einen Abend nahmen sie uns, als Zeichen der Gastfreundschaft, sogar mit zu den Nachbarn zum gemeinsamen Reisschnaps trinken und Maden Essen (ja richtig gelesen – die kleinen weißen Tierchen werden hier abends genüsslich verzehrt). Sie waren so herzlich und liebevoll, dass es uns richtiggehend das Herz zerriss, weil wir nicht viel davon zurück geben konnten! Wir haben wirklich lange hin und her überlegt, haben pro und contra abgewogen, haben an uns gezweifelt, haben uns Vorwürfe gemacht, die ein oder andere Träne vergossen… und mussten uns letztendlich eingestehen, dass es an diesem Punkt für uns erst einmal nicht weitergeht. Die Weltenbummler-Spuren, die wir hinterlassen wollten, fanden irgendwie keinen Boden, auf welchem sie auch nur annähernd hätten gelesen werden können… Uns fehlte einfach die Kraft für tiefere Abdrücke! Wir mussten akzeptieren, dass wir für diese Welt, in diesem Moment einfach zu schwach waren! Wer uns kennt, weiß wie schwer uns beiden ein solcher Schritt fällt…
„Wir müssen Enttäuschungen hinnehmen, aber wir dürfen niemals die Hoffnung aufgeben!“
Unser Weg führte also frühzeitig, zum auskurieren und gesund werden, zurück in die Stadt. Jetzt gilt es wieder zu Kräften zu kommen und ordentlich, mithilfe ärztlicher Betreuung abzuklären, was wir uns eingefangen haben. Auch hier haben wir jegliche Unterstützung und fühlen uns gut aufgehoben! Ihr werdet bald wieder von uns hören…