Die Abreise aus unserem kleinen Dorf und der vorzeitige Abschied von unserer “Gastfamilie“ war mit etwas Abstand betrachtet, die vernünftigste und beste Entscheidung! Denn mit fast 40 Grad Fieber ist es in einer Umgebung, welche eine schlechte bis gar keine medizinische Versorgung bietet, NICHT mehr lustig! Ohnehin schon von Sorgen geplagt, werden mithilfe von Google auch noch die schlimmsten Krankheitsbilder diagnostiziert! Eine furchtbare Angewohnheit heutzutage! In solchen Situationen helfen selbst gegenseitige Versprechen, nicht nach Symptomen im Internet zu suchen, kein Stück… wir machen es trotzdem! …und denken dabei auch noch, die Andere merkt es nicht! Das trägt auf jeden Fall TOTAL zur inneren Gelassenheit bei!!! Demnach hat man mit ein wenig Phantasie alle Tropenkrankheiten dieser Welt!

Nach zwei Tagen Bettruhe im hohen Norden nahmen wir die sechsstündige Busfahrt Richtung Süden auf uns. Unser Ziel: Hanoi, oder auch „die Stadt innerhalb des Flusses“ und Hauptstadt Vietnams ist mit etwa 7,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Metropole des Landes. Einmal in der wunderschön charmanten Altstadt angekommen, könnte der strukturierte Deutsche vermuten, dass hier das reinste Chaos herrscht! Himmel und Hölle treffen hier ungebremst aufeinander… Hanoi ist der Inbegriff einer unüberschaubaren, ungeordneten und verworrenen asiatischen Großstadt. Kleine Geschäfte, Hotels, Restaurants, Straßenküchen, fliegende Händler, Roller, Mopeds und Zweiräder prägen das Straßenbild… ach und hatten wir erwähnt, dass es Roller gibt??!! Sich im Straßenverkehr der Stadt zu bewegen heißt, das Chaos und den Zufall berechnen. Die Formel dafür ist Vertrauen ins Quadrat hoch zehn, das ganze multipliziert mit der vietnamesische Logik (z.B. dass jeder Vorfahrt hat und die Hupe alle Verkehrszeichen ersetzt), geteilt durch die innere Gelassenheit und dem Glauben an mehrere Leben!

 

Im Internet kursieren sogar Anleitungen zum „Überleben in den Straßen Hanois“ 🙂 Der Verkehr und die Geräuschkulisse sind gewöhnungsbedürftig und mitunter richtig anstrengend! Ohne Hupe (die teilweise ganze Tonfolgen abspielen) bist du hier NICHTS! Aber das sind nach unserer Indien-Erfahrung glücklicherweise alles keine Neuigkeiten für uns 🙂 Hanois Straßenbild besteht zu 90% aus den lärmenden Zweirädern – wobei die Zahlen variieren, aber es sind wohl um die 6 Millionen! …unsere Theorie ist allerdings, dass es, ähnlich wie bei Straftaten, eine Dunkelziffer gibt, einen Schwarzmarkt quasi, „unter dem Ladentisch“, z.B. die Zahlen für Mopeds, die gar keine mehr sein dürften weil vom Spiegel über Bremsen und Sattel einfach alles fehlt…oder die, die aufgrund ihrer Transportlast schon als Zwölftonner durchgehen… dadurch steigt die Anzahl für uns auf mindestens 10 Millionen 🙂 Vergleicht man die Straße mit einem Fluß, so herrscht hier definitiv ein Jahrhunderthochwasser… ach was… Jahrtausend!!! Es reißt dich gnadenlos mit und du gehst, ohne dass es überhaupt jemand bemerkt, einfach unter, du ertrinkst, nein… du ersäufst jämmerlich… sobald du die EINE, die GOLDENE Regel missachtest! 

BLEIB RUHIG, SELBSTSICHER und gehe LANGSAM über die Straße, nur NICHT RENNEN!!!

 

Wir lernen von den Einheimischen, heften uns erstmal an deren Fersen und entwickeln sehr schnell einen eigenen Blick für die schmalen Brücken über die reisenden Gewässer. Fußwege und Ampeln sind in der Altstadt zwar vorhanden… aber Punkt eins funktioniert der gemeine Vietnamese als Roller-Parkplätze, Garküchen und Sitzgelegenheiten um… und Punkt zwei wird schlichtweg ignoriert! Warum nach einer Ampel richten, wenn man auch kreuz und quer durcheinander fahren kann und trotzdem an sein Ziel kommt??!! Ganz zu schweigen von den Zebrastreifen auf JEDER Straße! Entweder war weiße Farbe übrig oder es ist eine Art Asphalt-Gemälde… sie dienen jedenfalls nicht dem gewohnten Zweck der sicheren Straßenüberquerung, reine Makulatur! 

 

Dass wir dem quirligen Hanoi auf jeden Fall einen Besuch abstatten, um das für uns völlig chaotische Altstadt-Getümmel der liebenswerten Roller-Hochburg zu erleben, stand von Anfang an fest. Allerdings hätte das, gemäß der ursprünglichen Planung, gern zwei Wochen später stattfinden können! Die abrupte Abreise aus dem nordvietnamesischen Bergland war unsere erste größere Routen-Änderung… die sich ungefähr so anfühlte:

„Heckenschere gesucht, Caipirinha-Zutaten gefunden, Tagesplan geändert!“

Nur hatte der Caipi einen überaus bitteren Beigeschmack! Erste Anlaufstelle in Hanoi – das örtliche Krankenhaus!!! Wir suchten uns eines der Internationalen mit durchweg positiven Kritiken und Kooperationsärzten der Deutschen Botschaft… Preis egal… hauptsache sauber und zuverlässig! Ihr glaubt nicht, wie einem in Sachen eigener Gesundheit in Verbindung mit asiatischer medizinischer Versorgung die Pumpe geht! Zwei Dinge, die oft Welten von einem gemeinsamen Nenner entfernt sind! Dennoch blieb uns in dem Moment KEINE andere Wahl… Wir müssen da jetzt rein und jegliche Untersuchungen hinsichtlich möglicher Erkrankung über uns ergehen lassen… also zumindest die eine Hälfte von uns! …was die Sache nicht besser machte, denn die Andere litt mindestens genauso, nur allein durch den Anblick und die Sorge, wenn nicht sogar doppelt und dreifach mit!

 

Der erste Eindruck der Klinik – sauber, sehr freundlich und viele Europäer – vielleicht doch ein sicherer Hafen? …erst einmal durchatmen! Wir wurden direkt angesprochen, nach dem Grund unseres Besuches befragt und zur weiteren Anmeldung geschickt – ein kurzes Formular mit persönlichen Daten ausfüllen und schon ging es zum Blutdruck sowie Fieber messen, Blut abnehmen und dem Grippe-Schnelltest (wir wissen nicht, ob ihr das kennt, also wir bisher nicht, aber dabei wird ein „etwas längeres“ Stäbchen in die Nase geschoben – die gesunden 50% haben dabei übrigens den Behandlungsraum verlassen, während die andere Hälfte dieses Ding ungefähr an der Schädeldecke spürte). Keine 20 Minuten später waren alle Ergebnisse bereit zur Verkündung. Auch hier stieg der Puls noch einmal auf 300!!! Heimlich beteten wir, dass es nichts ernstes ist! Der behandelnde Arzt stand, mit einem Mundschutz wedelnd, in der Tür und bat uns herein. Er verzog keine Miene… IST DAS JETZT GUT??? …ließ uns aber zum Glück nicht länger zappeln! „You can count yourself lucky! It is Influenza… nothing serious!“ Eine „einfach Grippe“!!! Der Stein, der uns vom Herzen fiel, war wahrscheinlich bis ins 8400 Kilometer entfernte Deutschland hörbar! Der Arzt verordnete unserer Kranken den Mundschutz, viel Ruhe, Schlaf und Flüssigkeitszufuhr, da es für den sinnvollen Einsatz von Grippe-Medikamenten schon zu spät war.

 

Wir waren sowas von erleichtert und hatten unsere Lektion in Sachen „Hardcore – Homestay“ verstanden! An dieser Stelle würden wir gern eine unserer Mamas zitieren (und die haben bekanntlich immer recht!): „Wer im Goldkäfig groß geworden ist, kann eben nicht so einfach in die Wildnis!“ 🙂 🙂 🙂 Danke, dem ist nichts hinzuzufügen 🙂 

Die nächsten Tage haben wir uns, wie verordnet, viel Ruhe gegönnt. Ab und an trauten wir uns in den Großstadtdschungel, vornehmlich zur Nahrungsaufnahme 🙂 …nach und nach, jeden Tag etwas mehr.

Wir dürfen vorstellen… die örtliche Fleischerei 🙂

Auch so kann man wohnen!

Wir besuchten das berühmte Wasserpuppentheater – wie wir finden ein Muss für jeden Vietnam-Reisenden! Entstanden ist diese Tradition unter den Bauern wahrscheinlich schon im 11. Jahrhundert. Durch nachgespielte Szenen aus dem Landleben, begleitet von einem kleinen Orchester, wird dem Zuschauer auf sehr unterhaltsame Art und Weise ein Stück vietnamesische Kultur und Geschichte vermittelt. Während die „ursprüngliche Bühne“ ein Dorfteich oder Reisfeld war, finden die Inszenierung heute im Theater statt.

Hanoi hat so viel zu bieten! Besonders die Altstadt ist ein wahres Erlebnis, ein Lebensgefühl! Es gibt hier keine Ruhe, alles dreht sich, ständig und immer, 24 Stunden, 7 Tage die Woche! Es reicht, einen Schritt vor das Hotel zu setzen, einen der leckeren, furchtbar süßen „Egg-Coffees“ oder ein Hanoi Beer zu trinken, und das bunte Treiben stillschweigend zu beobachten… es werden nie die gleichen Bilder sein… einfach nur verrückt… aber eben irgendwie sympathisch verrückt! 🙂

Hanois berühmt berüchtigter Egg Coffee

Trotz des anfänglich bitteren Beigeschmacks unserer vorzeitigen Ankunft in Hanoi, beginnen wir langsam, die Stadt und vor allem das Land wieder zu genießen… das ist einfach ein tolles Gefühl ! Wir gönnen uns eine Massage, schlendern durch die Gassen, besuchen das Ho Chi Minh-Museum und die größte Markthalle Nordvietnams. Wer die asiatischen Märkte kennt, weiß, dass hier alles verkauft wird und einem nie zuvor erlebte Gerüche in die Nase steigen. Werden am Haupteingang noch harmlose Schlüpfer angepriesen (obwohl die Form und Größe eines Drei-Mann-Zeltes auch schon an gewisse Grenzen stößt – wir wissen absolut nicht, wo die zierlichen Asiatinnen mit diesen Buchsen hinwollen!), bekommt man im hinteren, dunklen Teil Schildkröten, Katzen, Vögel, getrocknete Tierreste und sonstiges lebendes (zugleich meist essbares) „Material“.

Einen kleinen Einblick in die Geschichte Vietnams gab uns das Ho Chi Minh – Museum

Trotz des vermeintlichen Chaos in der Stadt, sind die Vietnamesen echt große Klasse im Organisieren von Transporten, völlig egal wohin! Damit meinen wir jetzt nicht das Schwein, welches hinten am Roller hängt oder die fünfköpfige Familie, die zusammen auf EINEM Roller sitzt… sondern jegliche Bus-, Zug- oder Taxifahrten. Egal was wir buchen, bestellen oder rufen – es funktioniert – und das sogar echt pünktlich! Wir nutzen zum Beispiel ein App, die nennt sich „GRAB“ und ist einfach genial! Du öffnest die App, tippst auf den gewünschten Service (z.B. Taxi) und gibst dein Ziel ein. Die App lokalisiert deinen Standort, findet binnen Sekunden ein Taxi in deiner Nähe und schickt es unter Anzeige der Kosten (die günstigsten der gesamten Stadt) und Fahrtdauer zu dir. Dazu wird das Kennzeichen des Autos und ein Foto vom Fahrer angezeigt, der dich meistens sogar direkt anruft. Ist das genial? Also korrigiert uns gern, aber in Deutschland gibt es das nicht, oder? Verstößt bestimmt auch gegen den Datenschutz!

Nach vier Tagen Bettruhe in der Großstadt fühlen wir uns wieder einigermaßen fit. Es wird Zeit weiterzuziehen… raus aus dem Trubel…

WIR WOLLEN MEER SEHEN!