Das Albanien nicht zu den typischen Reiseländern gehört ist uns durchaus bewusst. Allein die fragenden, nahezu verzweifelten, mitleidigen Blicke, als wir bei Freunden und in der Familie erzählten wo die Reise hingeht, sagten so einiges über den Bekanntheitsgrad sowie die Akzeptanz zu Ländern wie diesem. Es ist eben nicht Malle, Ägypten oder Italien! Dennoch steht es diesen Ländern in absolut nichts nach. Im Gegenteil, der Balkanstaat ist bisher noch vom Massentourismus verschont geblieben, ist ursprünglich, vielfältig, besticht durch wunderschöne Landschaften und ist simpel sowie sicher zu bereisen. 

Das Reiseziel ist nie ein Ort, sondern eine neue Art, die Dinge zu betrachten.

Henry Miller

Natürlich gibt es auch genügend Gründe gegen dieses Land, welche zum Beispiel auch einen EU-Beitritt nach wie vor ausschließen. Aber als Deutsche könnten wir anhand derartiger Argumentationen wahrscheinlich kein anderes Land dieser Welt bereisen (außer vielleicht die vorbildliche Schweiz, die vermeintlich problemfreie Insel mitten in Europa). Seit über fünf Jahren ist Albanien offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union und versucht die Voraussetzungen hinsichtlich einer möglichen Umwandlung dieses Status’ zu erfüllen. Immer wieder wollte die EU zu Beitrittsverhandlungen ansetzen, doch bis heute gibt es Ungereimtheiten in Sachen Wahlrechtsreform, der Bestellung von obersten Gerichten und in der Bekämpfung der Korruption. 

Sicher ist die Einstellung der Menschen hier eine andere als wir sie kennen! Hier wird uns kein übermotivierter, extrem fleißiger, ehrgeiziger, überdurchschnittlich arbeitsamer, junger Albaner über den Weg laufen! Eine derartige Mentalität muss über Generationen wachsen, was in vielen Ländern nie geschehen ist! Dieser Staat ist einer der ärmsten Europas, war besetzt von den Nationalsozialisten, danach lange Zeit kommunistisch und stets fremdbestimmt von Diktatoren, welche nicht einmal eine Religionsausübung duldeten und den Staat bis 1990 zum ersten atheistischen Staat weltweit erklärten. Noch heute wissen viele der Einheimischen nicht so richtig wohin mit ihrem Glauben, ihrer Zugehörigkeit und ihrer Meinung. Viele hängen sich einfach an die Tradition der Familie, welche vor Zeiten der Fremdherrschaft größtenteils muslimisch geprägt waren. Unterstützend taucht hier heute der Einfluss der Türkei auf, welche den Aufbau vieler Moscheen im Land subventioniert. Über weiterführende fragwürdige Einflüsse diesbezüglich hält man sich hier eher bedeckt…  

Wirtschaftlich ist Albanien gelinde gesagt nicht ganz so gut gestellt und die Tabelle als Hauptlieferant von Drogen anzuführen, ist auch nicht der erstrebenswerteste Platz Nummer eins. Was jahrelang unterdrückt wurde, kann nicht von heute auf morgen eigenständig funktionieren. Albanien katapultierte sich über Jahre zusehends in die Selbstisolierung, durch welche das Land heute noch leidet. Was uns hier gegenübertritt ist ein misstrauisch wirkendes Volk, welches nach und nach versucht, im modernen Europa Fuß zu fassen. Hier müssen wir zuerst lächeln und lange auf ein verhaltenes Schmunzeln als Antwort warten. Junge Männer ohne große Perspektiven dominieren das Straßenbild. Wer im Tourismus nicht unterkommt und der Landwirtschaft des Hinterlandes entfliehen will hat wenig Chancen auf Arbeit. Genau diese Frustration ist hierzulande leider sehr deutlich zu spüren. Auf den Straßen weichen wir den skeptischen Blicken schlichtweg aus, doch beim Einkauf in den kleinen Supermärkten merken wir umso deutlicher, dass die Menschen unzufrieden sind. Wo wir Gastfreundschaft erfahren, ist in Restaurants und Hotels. Während diese Bereiche die Besucher ihres Landes zu schätzen wissen, ist der „ganz normale Albaner“ eher kühl und reserviert. Aber in ein paar Jahren wird es vielleicht auch der Eigentümer des letzten kleinen Tante-Emma-Ladens verstehen, dass es nicht von Nachteil ist, zwei Touristinnen einfach auf ein nettes „Hallo“ freundlich zu antworten und sich zu bedanken, wenn man etwas bei ihm kauft und Trinkgeld gibt… 

Denn das ist eben die große und gute Einrichtung der menschlichen Natur, dass in ihr alles im Keim da ist und nur auf eine Entwicklung wartet.

Johann Gottfried Herder 

Landschaftlich hat Albanien, als kleines südosteuropäisches Land auf dem Balkan, wie bereits erwähnt, wirklich einiges zu bieten. Mit einem ausgedehnten Küstenstreifen entlang der Adria und des Ionischen Meeres sowie den Albanischen Alpen im Landesinneren sind die Voraussetzungen für eine beeindruckende Reise auf jeden Fall gegeben. Wir haben das Land von Nord nach Süd durchquert, wodurch wir all’ das erleben durften… einsame Strände, wunderschöne Berglandschaften, Schluchten, Seen und besonders das ganz normale, ursprüngliche Leben dazwischen. 

   

 

Unsere Anlaufpunkte von Nord nach Süd, 1600km in 15 Tagen 

 Von verschlafenen Bergdörfern über belebte Strandorte, bis hin zu absoluten Tourismusmagneten… von „Wir haben Angst in dieser Einsamkeit zu schlafen.“ bis „Das sind uns echt viel zu viele Menschen.“ waren alle Zustände vorhanden. Zu Letzterem zählte definitiv auch Gjirokastra, eines der Ziele auf unserer Route Richtung Süden. Gjirokastra gehört zu den ältesten Städten des Landes, zählt seit 2005 zum UNESCO-Welterbe und gilt als wichtiges kulturelles Zentrum Südalbaniens. 

  
 
  

Der Charme der kleinen Gassen und der alten Gemäuer sollte keinem verwehrt bleiben… und so treffen wir eine Reisegruppe nach der anderen! Das Schlimme sind ja nicht diese komischen Menschen an sich… wir sind ja schließlich auch welche und wir sind auch Touristen und ziemlich eigenartige noch dazu 🙂 Auch wir wollen uns das alles anschauen, aber wir versuchen uns so gut es geht anzupassen! – Anpassung: das Sicheinstellen auf jemanden, etwas; das (sich)einfügen; angleichen. – Manchmal fragen wir uns, ob der moderne Mann/ die moderne Frau das verlernt hat, es als Schwäche sieht, zu arrogant ist, es einfach nicht mehr nötig hat oder schlicht und weg zu blöd dafür ist! Diese Reisegruppen… und das gilt IMMER und für alle, wenn die Gattung Mensch in geballter Form auftritt, egal welche Nationalität… sind laut, rücksichtslos, haben kein Benehmen, lassen ihren Müll überall liegen und führen sich auf wie der Elefant im Porzellanladen!  

Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.

Hans M. Enzensberger  

  
  
 

                              Um Jahre zurück versetzt… der Blick in die kleinen Läden der Stadt 

Ein weiterer Anlaufpunkt, an welchem die Touristen in Scharen abgekippt werden, ist das sogenannte „Blue Eye“. Als wasserreichste Quelle des Landes ist das Blaue Auge Albaniens eines der Highlights für Besucher. Die genaue Tiefe des in Landessprache „Syri i Kaltër“ wurde bis heute nicht erforscht. Der Quelltopf überzeugt im Sonnenlicht durch wahnsinnig klare Farben. Mit einer Temperatur von ziemlich konstanten 12,75 Grad lädt er uns jedoch eher weniger zum Baden ein. Während wir in den ersten Tagen kaum Touristen trafen, häufen sich unsere Begegnungen im Süden umso mehr. Dann entwickelt sich immer ein gewisses „Fluchtverhalten“ in uns. Bei zu vielen Menschen wollen wir einfach nur weg. Zudem fragen wir uns jedes Mal wieder, was an großen Hinweis- oder Warnschildern so schwer zu verstehen ist?! Liegt es tatsächlich in der Natur des Menschen, über diese hinwegzusehen? Hat deren Beachtung, besonders in fremden Ländern, nicht auch etwas mit Respekt zu tun? „NICHT SPRINGEN“, stand groß und breit auf der kleinen Aussichtsplattform über der wunderschönen hellblauen Quelle. WARUM steht dann direkt neben uns ein übergewichtiger Herr mittleren Alters in roter Badehose und springt kopfüber in diese Quelle??!! Müssen wir für soviel Dummheit noch Verständnis zeigen??!! Ohne Worte machen wir ein paar Bilder für positivere Erinnerungen und verschwinden…  

  
  

Aber was sollen wir uns weiter über die Dummheiten der Touristen aufregen, wenn wir unsere Energie viel nützlicher einsetzen können 🙂 In Anbetracht der Tatsache, dass eine von uns so ziemlich jedes Tier niedlich findet… egal ob Käfer, Maus, Nacktmull, Stinktier, Warzenschwein oder Elefant… wenn einfach alles, und wirklich alles „siiiiiieeeeeeß“ ist… schenken wir unsere Aufmerksamkeit jenen Lebewesen, die es wirklich verdient haben und nichts für ihre Situation können – die Straßenhunde und -katzen. Das ist jedoch einfacher gesagt als getan. Denn als die gefühlt ersten und einzigen Personen, welche in Albanien jemals Hunde- oder Katzenfutter kaufen möchten, werden wir im ersten Supermarkt nur ungläubig angeschaut. So bedurfte es schon mehrere Anläufe, um uns mit Leckerlies einzudecken und kleine hungrige Mäuler wie diese zu stopfen…  

 

 

 Nicht nur die Landschaft und die Anzahl an Touristen war von großer Vielfalt und reger Abwechslung geprägt, auch unsere Gemüter, Köpfe und Gedanken durchlebten eine kleine Achterbahnfahrt. Von 

 Phase 1: „Wir machen nur einen kurzen Wochenendtrip.“ über  

Phase 2: „Wir sind schon wieder ewig unterwegs und waren die letzten fünf Monate überhaupt nicht zu Hause.“ bis hin z   

Phase 3: „Es reicht uns und wir möchten eigentlich lieber wieder heim.“ durchlebten wir in dieser kurzen Zeit alles.

Eine Erklärung für dieses ganze Hin und Her haben wir nicht wirklich. Wahrscheinlich ist es ein Zusammenspiel aus verbleibenden Gefühlen der Weltreise, neuen Eindrücken und vor allem der Vorfreude auf all‘ das, was uns die nächsten Wochen und Monate zu Hause erwartet. Wie kleine Kinder freuen wir uns schon heute auf die Weihnachtszeit, welche wir im letzten Jahr nicht so erlebten, wie wir es gewohnt waren… UND WIR2 LIEBEN EINFACH ALLES AN DIESEM FEST! Wir können es kaum erwarten diese ganzen Düfte zu riechen, den ersten Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt zu trinken und Plätzchen zu backen… das alles ist an Vorfreude kaum zu übertreffen.  

Es ist ein ungeheueres Glück, wenn man fähig ist, sich freuen zu können.

George Bernard Shaw 

So viele wundervolle Dinge, die uns tatsächlich nach nicht einmal zwei Wochen so etwas wie Heimweh verspüren lassen. Ein Gefühl, welches wir in dieser Form noch gar nicht wirklich kannten. Aber das ist auch überhaupt nicht schlimm, völlig in Ordnung und irgendwie auch richtig schön… Denn das wichtigste ist doch, dass wir uns anschauen und genau wissen, was in dem Kopf der Anderen gerade vor geht.  

 

Unsere letzten Tage in Albanien verbringen wir in einem kleinen gemütlichen Hotel am Strand in einem kleinen Ort namens Dhermi. Wie im Großteil des Landes verirren sich in der Nachsaison nur wenige Gäste hierher. Nach den Touristenspots finden wir hier richtig viel Ruhe, leere Strände und genau das, was wir wollen… nichts 🙂  

Nur wer ab und zu gar nichts tut, hat die Chance, das Leben zu spüren.