Dienstag, 11. Dezember 2018, 20 Uhr, wir kommen nach einer 13-stündigen Busfahrt, über Straßen, welche buckliger und kurvenreicher nicht sein können, in Yangon an. Noch nie haben wir das Verkehrsmittel Bus so sehr gehasst wie in diesem Moment!

13 lange Stunden diese Aussicht… das kann keiner schön finden!

Du kannst nicht mehr sitzen, bist durch die Klimaanlage erfroren, hast mindestens drei Bandscheibenvorfälle und dir ist schlecht, weil du auf jeder dieser Höllenfahrten mindestens eine Person im Bus hast, welche dieses Geholper nicht verträgt. Klar… diese Kutscherei gehört irgendwie zu Südostasien… ob Bus, Bahn oder Boot… die Raum-Zeit-Berechnung ist katastrophal! Und irgendwann bist du es leid für 200 Kilometer wieder sechs bis acht Stunden im Bus zu verbringen… Zum Glück vergehen diese „Ich-möchte-das-alles-nicht-mehr-Phasen“ bei uns noch immer recht schnell. Denn uns bleibt auch nichts anderes übrig, als das einfach hinzunehmen weil wir es sowieso nicht ändern können! Also ermutigen wir uns stets mit dem Satz: „Wir haben doch Zeit… UND Wir2 wollten das alles so…“ 🙂

„Das Rezept für Gelassenheit ist ganz einfach. Man darf sich nicht über Dinge aufregen, die nicht zu ändern sind.“

Da unsere Trotzphase gegenüber öffentlichen Verkehrsmitteln in Südostasien schneller vergessen war als gedacht, saßen wir im Handumdrehen im langsamsten Bummelzug der Stadt… dem Circle Train. Diese Bahn fährt in ungefähr drei Stunden mit maximal 20 km/h einmal im Kreis. Keine Klimaanlage, Holzsitze, Gerüche aller Couleur, Müllberge, soweit das Auge reicht und der beste Einblick in das einfache Leben der Menschen Yangons. Dieser Zug ist vielmehr als nur ein Fortbewegungsmittel… er ist ein fahrender Markt, er ist Wohnraum, er transportiert Güter, er bringt die Menschen zusammen und wieder auseinander.

Und schon waren wir wieder mitten drin statt nur dabei und hatten die Strapazen des Vortages fast vergessen 🙂

Jedoch wollen wir euch unsere erste Episode im Hotel nicht vorenthalten… also noch einmal kurz zurück zur Ankunft in Yangon… Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass die Zündschnur nach so einem Tag im Bus durchaus einmal kürzer sein kann als normalerweise üblich… Nach einer zusätzlichen Stunde mit dem Taxi durch die Stadt (wovon 1/3 der Zeit dafür drauf ging, dass der Taxifahrer in das falsche Hotel gefahren ist – Übermittlungsfehler unbekannt), kamen wir völlig kaputt in der Lobby an. Nach dem üblichen Prozedere, wurde uns das Zimmer gezeigt. Schon mit dem ersten Schritt über die Türschwelle kam uns ein muffiger Geruchscocktail aus schimmeliger Klimaanlage und abgestandenem Zigarettenrauch entgegen… Das ist in diesem Augenblick der absolute Jackpot und wir hätten einfach nur heulen können! Es gibt eben Momente im Leben, die sind einfach zu viel… weil nichts von dem, was du dir für den Abend noch vorgestellt hast, funktioniert. Das Hotelrestaurant hat geschlossen und dein Zimmer stinkt – völlig logische Schlussfolgerung: DIE GANZE WELT IST DOOF !!!

Also… was haben wir getan? Da zumindest eine Hälfte von uns in solchen Situationen explodiert (während die Andere noch bis zum bitteren Ende der Meinung ist, dass alle Menschen lieb sind und keiner etwas dafür kann – das würde sie wahrscheinlich auch noch denken, wenn wir gar kein Zimmer in diesem Hotel bekämen… man muss sie für ihren Optimismus und ihr positives Menschenbild einfach lieben!), wurde das ursprüngliche Zimmer in ein anderes, größeres MIT BALKON getauscht! Die Freude an der Rezeption war groß… denn das hieß, den verkorksten Tag noch mit einem alkoholischem Kaltgetränk gemütlich auf dem Balkon ausklingen lassen! …etwa doch noch ein „Happy End“? 🙂 Wir schlossen die Tür des neuen Zimmers auf… alles super… großes Bett, sauberes Bad, geräumig, angenehmer Geruch… klasse! Und jetzt der Balkon! Ja… was erwartet der „gemeine Deutsche“ bei einem Balkon? Von diesen Erwartungen gilt es im südostasiatischen Raum immer wieder viel Abstand zu nehmen… denn das Bild war folgendes: Auf einer bis oben hin voll vergitterten Fläche von ungefähr einem Quadratmeter sollten eine Klimaanlage, ein Warmwasserbereiter und wir Platz finden! Die Birmesen haben echt Humor! Jetzt nahmen auch wir die Situation in unserer antrainierten südostasiatischen Gelassenheit hin… die Definition eines Balkons ist in Yangon eben etwas anders. Auch Möbel werden hier völlig überbewertet… wer braucht die schon?! Und so saßen wir am Ende dieses grandiosen Tages auf dem Boden, hinter Gittern, mit zwei Büchsen Myanmar-Bier, einer Schachtel Zigaretten und lachten über uns und unseren Auftakt in der Großstadt.

Yangon ist mit fünf Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes. Sie ist nicht sonderlich schön, dennoch interessant. Hier schlägt der Puls der Zeit. Hier kommen westliche Gepflogenheiten an und breiten sich aus wie Lauffeuer. Wir merken deutlich, dass sich besonders die Jugend verändern will und beginnt, die neue Freiheit zu genießen. Junge Männer tragen Hosen, anstelle des traditionellen Longyis.

Wie bindet man den typischen Longyi… gefunden in einem kleinen Ratgeber für Touristen in Myanmar

Die Frauen schmücken sich mit eleganten Kostümen, manchmal sogar Hosen, und zeigen ihre Schönheit… die sich wirklich sehen lassen kann, es gibt hier wunderschöne Menschen! Wir sehen zunehmend mehr „Versuche“ gefärbter Haare – asiatische Haare werden aufgrund ihrer Beschaffenheit niemals richtig blond – aber sie können es einfach nicht lassen! Wir sehen junge Pärchen, welche ihre Zusammengehörigkeit auch in der Öffentlichkeit zeigen (was keineswegs selbstverständlich ist) und wir merken, dass ein gewisser Hauch von Freiheit in der Luft liegt…

Doch was verschlägt uns eigentlich in diese Metropole? Neben der Besichtigung der größten Pagode des Landes, welche derzeit leider komplett von einem Baugerüst verdeckt wird,

Die größte Pagode des Landes… leider komplett eingerüstet

haben wir eine ÄUSSERST WICHTIGE MISSION! Denn es gibt genau einen Ort in Myanmar, an welchem man ein original Apple-Produkt kaufen kann… und das ist hier in dieser Stadt! Nach dem (noch immer) schmerzlichen Verlust ziehen wir los und erwerben (gefühlt) das wohl einzige iPhone des ganzen Landes 🙂 Eigentlich ist es erschreckend wie sehr man sich mittlerweile über materielle Dinge wie ein Telefon freut! …über ein kleines Gerät, welches zwei bis drei Daten speichern und ein paar Fotos machen kann… Das soll tatsächlich der Auslöser für eine unendliche Ausschüttung von Glückshormonen sein…? Ist das nicht verrückt? Ja, wir geben zu, wir können schlecht ohne dieses kleine Sprachrohr zur Außenwelt! Und wir stehen dazu! Wir sind also wieder komplett – 2Weltenbummler – 2Mobiltelefone – das müssen wir feiern… mit Bier auf unserem vergitterten Ein-Quadratmeter-Balkon 🙂 Auch wenn bei uns nicht einmal der kleinste Hauch von Weihnachtsstimmung aufkommt, war dieser Tag mit Heilig Abend gleichzusetzen – Merry XMas! 🙂

Obwohl sich die Einkaufszentren der Stadt hinsichtlich der Weihnachtsdekoration wirklich Mühe geben (was uns bei der enormen buddhistischen Überzahl echt wundert, aber wahrscheinlich verirren sich nur Touristen in diese Konsumtempel), geht die besinnliche Zeit, welche wir normalerweise so sehr mögen, in diesem Jahr komplett an uns vorbei. Bei knapp 30 Grad und kulturellen Eindrücken, welche nicht unterschiedlicher als die der Heimat sein können, fällt allein die Vorstellung von Adventsstimmung richtig schwer… sie ist nahezu unmöglich. Wir kommen erst gar nicht in den Geschmack irgendwelcher weihnachtlicher Gedanken, wir können nichts davon riechen oder schmecken… Und komischerweise vermissen wir es dadurch auch gar nicht so sehr. Natürlich fehlen uns unsere Lieben zu Hause… genauso wie das alljährliche gemeinsame Plätzchen backen, die gemütlichen Filmabende auf der Couch oder das Weihnachtsessen mit den Familien… Aber ihr könntet uns auch erzählen, dass heute der 15. August ist… und es würde keinen Unterschied machen. Fazit… Es ist durchaus interessant, einmal in 35 Jahren das „Fest der Liebe“ tausende Kilometer von zu Hause entfernt zu erleben… ABER DAS REICHT DANN AUCH! 🙂 Lieber Weihnachtsmann! Nächstes Jahr kannst du wieder auf uns zählen! 🙂

Um der einzigen weihnachtlichen Dekoration vollends zu entfliehen, verbrachten wir die folgenden vier Tage am Strand. Ein Bungalow direkt am Meer, Sonne pur, 30 Grad, keine Wolke, menschenleere, weite Strände…

Es wäre wirklich vermessen, an dieser Stelle nur das kleinste Gefühl der Unzufriedenheit durchschimmern zu lassen.

„Du weißt, wer du bist, wenn du weißt, was dich glücklich macht.“