Wenn wir eine so wunderschöne Landschaft bereisen, sehen wir natürlich an erster Stelle die tollen Postkarten-Motive… Sicherlich ist das auch für uns das ausschlaggebende Kriterium, warum wir genau dieses Ziel gewählt haben – Berge voller Reisterrassen schimmern im Licht der untergehenden Sonne. Mit den schönsten Bildern, die das Internet hergibt, und den daraus resultierenden Erwartungen kommen die Menschen an diesen Ort. Ein Weltkulturerbe, welches zu den Top-Sehenswürdigkeiten des Landes gehört! Da muss doch alles wundervoll perfekt sein…oder?

An den Hauptverkehrsrouten werden extra Aussichtsplattformen für Touristen gebaut… aus dem Bus herausfallen, drei Schritte gehen, schnell das Panorama einfangen und auf bequeme Art und Weise zum nächsten Highlight weiterreisen. Doch hat man das Land und die Leute dann wirklich gesehen? …nur weil man das perfekte Foto gemacht hat? Haben sich die Besucher auch nur ansatzweise einmal „mit offenen Augen“ um 360 Grad gedreht?

Wir möchten uns gern etwas mehr Zeit nehmen, den Rundum-Blick wagen und versuchen ein wenig hinter die Kulissen zu schauen. Was bedeutet es eigentlich hier zu leben? Wie kommt so eine Landschaft zustande und wer bewirtschaftet das alles? Wir nehmen euch einfach einmal mit an die Stelle, wo auch für uns „das Abenteuer Reisterrasse“ begann…

Dass die Dekadenz, die wir uns gönnen, absolut nicht hierher passt, wird uns schnell bewusst! Einerseits genießen wir die Zeit in dieser wundervollen Umgebung, andererseits fragen wir uns, wieviel Schaden dafür in Kauf genommen werden musste oder wieviel einheimisches „Leben“ für die Touristen weichen musste. Unsere Gedanken kreisen… Ist es das wirklich alles wert? Geht es den Menschen gut hier? Sind sie glücklich und zufrieden mit dem was sie haben? Wissen die Menschen, dass sie inmitten einer der schönsten Regionen der Welt leben…? Ist Geld hier überhaupt wichtig?

„Was ist Reichtum? Für jemanden ist ein altes Hemd schon Reichtum. Ein anderer ist mit zehn Millionen arm!“ (Franz Kafka)

Wir befinden uns in QUANFUZHUANGCUN – bitte drei Mal aussprechen 🙂 Das ist ein winzig kleiner Ort in den Bergen Südchinas. Um hier her zu kommen, sind wir von der nächst größeren, gut an das Verkehrsnetz angebundenen Stadt, etwa zwei Stunden mit dem Bus gefahren… wovon der letzte Teil circa 300 Serpentinen bergaufwärts beinhaltete… schon einmal nichts für schwache Mägen. Die Straßen sind eng, links die Schlucht, rechts die meterhohe Steinwand, manchmal liegen noch die heruntergefallenen Brocken der Felswände herum… aber die Busfahrer überholen fröhlich hupend alles was sich hier bewegt, herumliegt oder steht. Nach dieser Odyssee erreichen wir irgendwann dieses Hinweisschild:

„THE TWELVE MANOR * TERRACES“ – das ist zumindest der Name unseres gebuchten Hotels… scheint ja so falsch nicht zu sein! Na dann… Rucksäcke auf und los geht’s! Dem Pfeil nach unten zu folgen, kann jetzt nicht so schwer sein… aber wo bitte soll hier ein Hotel sein…?! Vielleicht wurde das Schild verdreht und wir müssen in die andere Richtung? …ein schlechter Scherz der Dorfjugend…? Und während eine von uns schon wieder „Entführungs-Szenarien“ im Kopf durchspielt, läuft die Andere (wie immer) unbeschwert drauf los 🙂

Der Blick nach links zeigt dieses Bild

Zwischendrin begegnen uns noch die Steckdosen hier 🙂

Beim Blick nach rechts… der Innenhof eines Hauses

Und dann… links unten, hinter der letzten Ecke… kommt dieser unscheinbare, kleine Eingang zum Vorschein:

Im ersten Moment sind wir völlig perplex und müssen tatsächlich zweimal hinschauen und dreimal unsere Augen reiben. Das ist so surreal und kontrovers… Wer zum Teufel hat dieses Hotel hierher gebaut??? Inmitten der „einfachen“ Wohnhäuser der Einheimischen steht dieses Paradies… diese Oase in der Wüste! Schon beim Betreten der Lobby, tauchen wir in eine völlig andere Welt ein.

Vor der Tür leben die Menschen in für uns fast „unzumutbaren Zuständen“ und nur einen einzigen Schritt weiter, nur eine Türschwelle entfernt, öffnet sich ein Luxuspalast für Touristen! Wir haben schon oft Gegensätze aufeinanderprallen sehen… aber das müssen auch wir erst einmal verarbeiten! Natürlich lassen wir uns schnell von der Schönheit verzaubern… das ist wahrscheinlich menschlich… und auch ein Stück weit westlich, denn das trifft genau unseren Geschmack!!! Und beim Blick in unser Zimmer (wofür man uns sogar noch ein Upgrade gegeben hat!) fehlen uns einfach die Worte! Der absolute Wahnsinn!!!

Versteht ihr damit ein klein wenig, was wir meinen? Ist das nicht alles total verrückt? Wie die Menschen leben… aber vor allem wie wir (aus unserem behüteten Deutschland) hier einfach so reinstolpern und meinen, wir könnten nur ansatzweise verstehen, was es überhaupt bedeutet hier her zu gehören?! Für uns scheint das alles chaotisch, dreckig und verarmt. Wir wissen nicht, wie die Einheimischen sich hier fühlen und trösten uns irgendwie mit dem Gedanken „Sie kennen es wahrscheinlich nicht anders, wurden hier geboren und wachsen seit Jahrhunderten so auf. Es ist das ganz normale Leben in dieser Region!“ Ob das wirklich so ist, werden wir wohl leider nie erfahren…

Was wir aber deutlich spüren… die Menschen hier begegnen uns mit einem Lächeln. Und das ist einfach toll! Wir möchten, „trotz unseres vermeintlichen Lebens in der Oase, ein Stück von der Wüste kennenlernen“. Wir wandern durch die Reisfelder und die Dörfer, schauen in die Dreckecken und versuchen zu verstehen, wie hier gelebt wird. Es ist nicht unsere geordnete Welt, wie wir sie kennen… aber das ist auch völlig Okay so! Hier stellt man sich zum Beispiel einfach an die Straße, wenn man irgendwo hinfahren möchte und wird IMMER von irgendwem für einen schmalen Taler mitgenommen… weil es normal so ist!!! Wir müssen uns endlich von dem Gedanken lösen, dass nur das Leben, wie wir es kennen, gut sein kann! Die Menschen scheinen glücklich zu sein und akzeptieren die wenigen „Fremden“, die sich in die Hinterhöfe verirren. Sie sind sogar sehr stolz auf all‘ das, was sie geschaffen haben… mit Recht! Die Zufriedenheit der Kinder ist durch deren Lächeln unbestritten… wer hat sich als Kind nicht gewünscht, den ganzen Tag draußen im Grünen mit allen anderen aus dem Dorf unbekümmert zu spielen? …ein bisschen Matsch hier, ein kleines Hängebauchschwein da… also das wäre unsere Welt gewesen! (also mit „unsere“ meinen wir die Generation vor dem Zeitalter Computer und Smartphone) Die kleinen Racker schreien uns jedesmal ein überdrehtes „hello“ entgegen und freuen sich, wenn wir zurück winken, stehen bleiben und vielleicht sogar eine kleine Süßigkeit dabei haben…

Selbst der wohl älteste, und vom Leben auf den Feldern gezeichnete, Reisbauer hat ein kleines Schmunzeln für uns übrig! Nur durch die harte Arbeit und die Genügsamkeit dieser Menschen können wir so wundervolle Landschaften bestaunen, wie wir sie hier vorfinden!

Doch wie funktioniert das eigentlich mit diesen Reisterrassen?

Fest steht auf jeden Fall, dass es eine enorme Kunst ist, diese Art des Ackerbaus zu erschaffen und zu betreiben. All‘ diese Terrassen wurden von Hand angelegt… es gibt hier keine großen Bagger oder Traktoren, welche einfach ein paar Löcher graben und Erde aufschütten. Die Menschen hier bedienen sich maximal der Hilfe von Wasserbüffeln, die beim Pflügen helfen. Am Anfang jedes Prozesses werden die Setzlinge, bestehend aus den besten Reiskörnern der Vorrennte, gezüchtet. Das geschieht in einem speziellen Saatbeet und ist meist Aufgabe der Frauen, während die Männer die Felder vorbereiten. Sind die Nassfelder bereit und die Jungpflanzen gereift, werden diese per Hand, jede Pflanze einzeln, in die gefluteten Reisfelder umgesetzt. Jetzt kommen die ausgeklügelten Systeme der Wasserbewirtschaftung zum tragen. Das ständig zu- und abgeführte Regen- oder Flusswasser muss in der richtigen Menge und Fließgeschwindigkeit dosiert werden. Nur so können die Pflanzen optimal wachsen. Zur Vorbereitung für die Ernte werden die Felder nach etwa einem halben Jahr trocken gelegt. Im Anschluss können die Pflanzen per Hand mit einer Art Sichel geerntet werden. Bei einem jährlichen Pro-Kopf-Verzehr von etwa 90 Kilogramm Reis (1,4 Milliarden Einwohner insgesamt!!!), kann man sich ausmalen, wie hier geschuftet wird!

Beim Anblick dieser Bilder sind wir dankbar, welch wunderbare Welt uns hier gezeigt wurde… Die wohl berühmtesten Landschaftsbilder im Reich der Mitte haben uns komplett in ihren Bann gezogen! Mit einer Gesamtfläche von ungefähr 130 Quadratkilometern auf einer Höhe von bis zu 2000 Metern hat die ethnische Minderheit der Hani (eine offiziell anerkannte Minderheit der Volksrepublik China) in jahrhundertelanger Arbeit etwas wirklich Einzigartiges geschaffen!

Voller Begeisterung für dieses Land geht es für uns jedoch nach 13 wundervollen Tagen weitere 190 Kilometer (Umrechnungskurs in chinesische Busfahrstunden gleich FÜNF!) Richtung Süden… nach VIETNAM! Noch voller unglaublich toller Erinnerungen freuen wir uns jetzt auf das nächste Abenteuer und das vierte Land auf der Reise unseres Lebens. Auch hier wartet ab morgen ein GANZ BESONDERES ERLEBNIS auf uns…