Das große Glück, ein Vier-Bett-Abteil zu zweit nutzen zu dürfen, war uns auf dem letzten Stück „Eisenbahnromantik“ Richtung Peking leider nicht vergönnt. 

So sehr wir uns von Irkutsk nach Ulan Bator noch darüber freuten, so „hart“ traf es uns diesmal… Wir hofften irgendwie auf sympathische Backpacker oder holländische Touristen… die es in der Transsibirischen beziehungsweise Transmongolischen Eisenbahn übrigens im Überfluss gibt (wahrscheinlich ist das Geschaukel für sie wie Wohnwagen fahren) …NEIN! Unsere „Abteil-Genossen“ waren zwei mongolische Herren mit einer riesigen Tupperdose voll Brotkanten und Fleischbatzen! Erstmal schlief uns das Gesicht ein, als sie vor unserer Tür stehen blieben. Doch von der Annahme, dass das ein Versehen sei, mussten wir uns direkt verabschieden. Die Zwei saßen schneller auf ihren Betten als wir unsere mongolische Sprach-App für die Kommunikation mit der Schaffnerin „zum Tauschgesuch“ geöffnet hatten!

Das ganze gestaltete sich dann über den Tag verteilt ungefähr so…

Na gut… geben wir dem ganzen eine Chance, dachten wir. Und wir wurden wieder einmal überrascht! Außer sympathische Zurückhaltung und ein verschmitztes Lächeln kam von beiden vorerst nichts. Ok, die Zwei schnarchen, dass der Waggon wackelt… aber das ließ sich mit Ohropax ganz gut ertragen 😉 …zumal der Schlaf sowieso in weite Ferne rückte, da wir ganze sieben Stunden mit 1) aus der Mongolei ausreisen und 2) in China einreisen beschäftigt waren!!!

Davon gehörten volle fünf Stunden den Chinesen! Kaum am Grenzbahnhof angekommen, schicken uns die Zugbegleiterinnen unmissverständlich mit Handzeichen raus in die Kälte. Hier sagt dir keiner wo du hin musst, was du brauchst oder wie lange es dauert! Gerade noch so viel Zeit, dass man Schuhe, Jacke, Handy und Pass mitnehmen konnte… Wir stehen in einer Reihe auf dem Bahnsteig, warten auf die bevorstehende Kontrolle und die Polizisten marschieren in Reihe und Stechschritt mit ihren langen, dunklen Wintermänteln an uns vorbei… da kann es durchaus passieren, dass man sich an „unschöne Bilder“ aus dem Geschichtsunterricht erinnert! Irgendwie etwas beklemmend… 

Das „Tor zur Volksrepublik China“

An der „Entry Hall“ lohnte sich unsere neue deutsch-mongolische Freundschaft 🙂 Die Jungs machten das nicht zum ersten Mal, drängelten sich vor und nahmen uns direkt mit. Erstaunlicherweise traf es bei dieser Einreise NICHT die übliche Verdächtige, die normalerweise die Sonderbehandlung bekommt… sondern die, die bisher durch die Kontrollen flutschte als wäre sie Chuck Norris und besäße alle Staatsangehörigkeiten… ABER NICHT MIT DEN CHINESEN! Hier läuft alles etwas anders. Denn der kleine, zu Disziplin, Gehorsam und Genauigkeit „heran gezüchtete“ Grenzpolizist sah einfach keine Übereinstimmung in dem Foto im Pass und der Person, die vor ihm stand. Selbst nach dem dritten Anlauf und dem fünften Vergleich Foto – Gesicht, konnte er nicht verstehen, warum die Hautfarbe blasser, der Pony zur Seite geklemmt und die Haare zum Zopf gebunden sind (das passt wahrscheinlich nicht in die chinesische Maschinerie an immerzu gleich aussehenden Abbildern einer Vorlage …hat der eigentlich auch mal auf die Uhr geschaut???). Am Ende hat er sich wohl durch die Unterstützung der Kollegen doch überzeugen lassen und segnete die Einreise ab.

In der kühlen Wartehalle des Bahnhofs verbrachten wir danach noch weitere 2 1/2 Stunden! Unser Zug war die komplette Zeit einfach mal weg… mit all‘ unserem Hab und Gut! …ein bisschen wie bei David Copperfield damals 🙂 Grund dafür war allerdings die Änderung der Spurbreite chinesischer Gleise. Das heißt, dass alle Waggons ein anderes Fahrgestell bekommen oder es angepasst werden muss… und das dauert!

Tja, was macht man während langer Wartezeiten? Richtig… versuchen zu schlafen oder irgendwie sehen, Kontakt zur Außenwelt zu bekommen. Jedoch ist das in China gar nicht so einfach! Das Land sperrt sämtliche Zugänge zu sozialen Medien und westlichen „bösen Suchmaschinen“ – das heißt kein Google, kein WhatsApp, kein Facebook, kein Instagram!!! Die ziehen das tatsächlich eiskalt durch! Das ist verrückt! Dank der technikaffinen Hälfte unter uns, hatten wir vor der Einreise einen sogenannten „VPN“ heruntergeladen. In Form einer App baut man sich ein virtuelles Netzwerk über einen Server in Deutschland und umgeht somit die Zensur des chinesischen Internets… wie aus Zauberhand haben wir so Zugriff auf abgrundtief grausame Dinge wie WhatsApp und fühlen uns gleich wie Schwerverbrecher 🙂

Irgendwann nach Mitternacht tauchte unser Zug wie aus dem Nichts wieder auf und wir konnten endlich schlafen. Mit dem morgendlichen Blick aus dem Fenster realisierten wir nach und nach die Ankunft im bevölkerungsreichsten Land der Welt. Von der menschenleeren Einöde fuhren wir langsam Richtung Millionenmetropole Peking. HERZLICH WILLKOMMEN! 欢迎 – huānyíng! 

Gegen Mittag ging unsere deutsch – mongolische Freundschaft in die zweite Runde! Jetzt wurde es ernst! Die zwei Jungs zockten uns im Vier Gewinnt ab (so klappt die Völkerverständigung auch ohne Worte) und luden zum Mittag… ablehnen ist keine Option! Die halten dir ihre komische Wurst so lange unter die Nase, bis du endlich zustimmst und einfach alles ohne Gegenwehr mitisst! Dazu noch Brot und Sardellen… was für eine deftige Mahlzeit! Aber die benötigten wir auch… DENN DANN ZOGEN DIE ZWEI DIE TÜR DES ABTEILS ZU! (Wir hatten die Tür sogar nachts offen!!!) Ihr könnt euch vorstellen wer in diesem Moment schon wieder Puls von 300 und tausend Horrorszenarien im Kopf hatte! UND DIE SCHLIESSEN DIE TÜR AUCH NOCH AB! Verdammt… was passiert hier??? Jetzt kramt der Eine unter seinem Kopfkissen! Was zum Teufel macht der da? Er hat irgendetwas in der Hand… schaut nochmal, ob die Tür auch wirklich abgeschlossen ist… UND… was kommt zum Vorschein? WODKA… eine dämliche Flasche WODKA! Da hat sich der Puls ja echt gelohnt 🙂 Zumindest nehmen unsere zwei Freunde das Alkoholverbot im Zug sehr ernst! In der folgenden Stunde gab es ungefähr ein Kilo Wurst, eine Büchse Sardellen, ein Brot und eine Flasche Wodka! Uiuiuiui…was für ein Mittag!

Unsere deutsch-mongolische Freundschaft 🙂

Gegen 14:30 Uhr stolperten wir aus dem Zug… Hauptbahnhof Peking, ungefähr vergleichbar mit dem Oberen Bahnhof in Plauen 🙂 …das heißt, wir laufen erstmal gefühlte zwei Kilometer um den Bahnhof zu verlassen – so wird man auf jeden Fall auch nüchtern!

Trotz der Sprachbarrieren stellen wir schnell fest, dass die Menschen hier kommunizieren und vor allem helfen wollen. Wir sind total überrascht von der Gastfreundschaft, finden uns gleich super zurecht, sitzen in der nächsten U-Bahn und laufen zum Hotel. Der freundliche Empfang durch überaus sympathische Englischbrocken mit chinesischem Akzent bestätigt unseren ersten Eindruck… jedoch werden wir das Gefühl nicht los, dass die Weltanschauung sich etwas von unserer abhebt 🙂 🙂 🙂

Die kommenden Tage gehören den Sehenswürdigkeiten der Stadt, der Chinesischen Mauer und UNS! In erster Linie wollen wir ausschlafen, gemütlich in den Tag starten, alltägliche Dinge wie Wäsche waschen erledigen und auf keinen Fall Hektik aufkommen lassen! Denn so langsam müssen wir uns bewusst werden, dass wir eben NICHT so schnell nach Hause zurückkehren. Bisher klappt das alles ganz gut 🙂 Wir sind zufrieden mit uns und glücklich 🙂 Es gibt hier wahrscheinlich tausend schöne Dinge zu sehen und noch mehr zu erleben, aber davon lassen wir uns nicht treiben. Und wenn die Volksrepublik etwas kann… dann sehr große Denkmäler, riesengroße Plätze und megagroße historische Gebäudekomplexe bauen! Hier hat alles unvorstellbare Ausmaße. Deswegen suchen wir uns nur ein paar wenige Anlaufpunkte in der Stadt… doch schon beim Schlendern durch die Gassen entdecken wir das ein oder andere „Highlight“ – Beijing Street Style

Mit 2,72 Millionen Quadratmetern gehört zum Beispiel der Himmelstempel zu den größten Tempelanlagen und bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Anlage ist Weltkulturerbe und diente einst den Kaisern und Priestern der Ming-Dynastie Chinas für gutes Wetter und reiche Ernten zu beten.

Ein weiteres Highlight ist der Sommerpalast, oder auch „Erholung- und Friedensgarten“, welcher zu den Höhepunkten der chinesischen Gartenkunst zählt. Mit einer Fläche von ungefähr 290 Hektar eine weiteres tagesfüllendes Programm.

Leider verdeckt der Smog die klare Sicht auf die Stadt. Der Großteil der Bauten ist in einen grau-gelben Schleier gehüllt und wir können die Silhouetten der Metropole nur erahnen.

Trotzdem besitzt Peking für uns bis jetzt eine ganz spezielle Atmosphäre – die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Sauberkeit und das Sicherheitsgefühl überraschen uns total. In unseren Köpfen hatten wir irgendwie das Bild einer verkitschten Großstadt mit Millionen quirligen, völlig überdrehten Manga-Figuren… Da waren sie wieder, diese Vorurteile… und wieder wurden sie ausgeräumt! Hier ist alles überraschend angenehm, nicht übertrieben bunt und auch nicht übermäßig hektisch! Natürlich sind hier viele Menschen, immerhin hat Peking fast 22 Millionen Einwohner! Aber die Stadt vermittelt uns das keineswegs! Touristen sind hier auf jeden Fall herzlich Willkommen!

Morgen wartet das „Abenteuer CHINESISCHE MAUER“ auf uns. Wir sind extrem gespannt und werden uns dann bald wieder melden…