Insgesamt sind es um die 7800 km von Moskau bis Peking, 6 Tage und Nächte in einem schunkelndem Zug, aus welchem man zu 90% auf vorbei rauschende Birkenwälder blickt. Über 130 Stunden in einer Bahn, in welcher sich der Bewegungsradius auf die beiden Enden des Waggons (links die Toilette, KEINE Dusche!!! / rechts das heiße Wasser im Samowar für Kaffee und Tee), in seltenen Fällen auf das Bordrestaurant ein paar Wagen weiter oder einmal am Tag auf ein kleines Stückchen Bahnsteig (falls der Zug doch länger als 5 Minuten hält) beschränkt.

Genau DAS ist eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn – rein OBJEKTIV betrachtet!

Hat man aber sein kleines privates Zugabteil erst einmal bezogen und es sich gemütlich gemacht, entdeckt man SOOO VIEL MEHR auf dieser einzigartigen Reise…

Unsere erste Etappe: Moskau – Irkutsk, 5200 km, 80 Stunden

Um 23:45 Uhr starten wir vom Jaroslawer Bahnhof in Moskau. Hier fahren die meisten Fernzüge Richtung Osten ab, wodurch der historische Bahnhof schon ein leicht internationales Flair versprüht. Nicht, dass hier irgendjemand Englisch sprechen würde oder die russischen Mitbürger in Unterzahl wären, aber ein wenig „Ferne“ kann man sich hier gern einbilden… Nach dem Einstieg machten wir eines der Abteile in Wagen Nummer 6 zu unserem und registrieren schon am nächsten Morgen (ja… zugegeben, die erste Nacht war im wahrsten Sinne des Wortes etwas holprig) einen völligen Verlust des Raum – Zeit – Gefühls. Wir fahren stundenlang durch Russland, werden mit jedem Kilometer entspannter, durchqueren auf diesem Streckenabschnitt FÜNF Zeitzonen, wissen irgendwann weder welcher Tag noch welche Uhrzeit wir haben und genießen einfach nur das Nichtstun. Gefühlt sind wir schon Wochen unterwegs und haben zweimal den Erdball umkreist. Nichts und niemand kann uns hier stören, wir können und wollen unser kleines Reich in diesem Moment nicht verlassen. Nur der Zugbegleiter klopft ab und zu an unserer Zeitkapsel, um uns Essen oder Getränke zu bringen. Sonst reisen wir ungestört „zurück in die Zukunft“ 🙂

Wir verstehen nach und nach, was die „FASZINATION TRANSSIB“ ausmacht. Es ist ein echtes Lebensgefühl, eine völlig neue Art des Reisens! Anfangs bewegte uns die reine Neugier, die Abenteuerlust und das bloße Ziel „Einmal im Leben mit diesem Zug auf der längsten Eisenbahnstrecke der Welt fahren“. Wir hatten nicht den blassesten Schimmer, auf was wir uns einlassen… Doch die Investition ins Ungewisse hat sich für uns mehr als gelohnt! Ein unbeschreiblich tolles Gefühl!

Wir nehmen euch einfach mal mit in unseren Tag…

Bei leichtem Geschunkel lässt es sich super schlafen 🙂 Wie Babies in der Wiege wachen wir jeden Morgen in einer anderen Zeitzone auf und versuchen uns neu zu orientieren. Auch wenn das nicht funktioniert, ist das völlig egal – denn die ZEIT ist hier einfach NICHT WICHTIG! 

Unsere erste Amtshandlung nach ausgiebigem Wachwerden ist Kaffee trinken! Was wir an den Wochenenden zu Hause schon immer genossen haben, wird hier ausführlich zelebriert – schließlich haben wir unendlich viel Zeit!!! (hatten wir schon erwähnt… oder?) Mit der Kaffeetasse im Schlafanzug zum Samowar schlendern, heißes Wasser holen und ab zurück ins Bett… das ist unsere Welt 🙂

Irgendwann später am Tag geht’s an die Körperhygiene. Wir müssen zugeben, dass dieser Punkt etwas gewöhnungsbedürftig ist… Auch wenn hier alles mehrfach am Tag gereinigt wird, ist das Desinfektionsmittel unser bester Freund. Außerdem ist hier nur Katzenwäsche angesagt, da es keine Dusche gibt. Aber auch so bekommt man mit der richtigen Technik und einem gefluteten Sanitärbereich den Großteil sauber *haha* – allerdings ist das tatsächlich ein Grund, warum wir nach den 4 Nächten in unserer Zeitkapsel gern auch einmal aussteigen 🙂

 

Jetzt ist im Grunde unser Tages – Pflichtprogramm schon erfüllt 🙂 Nun folgt lesen, schlafen, Karten spielen, faulenzen, reden, lachen, nachdenken, genießen und wieder von vorn… Zwischendurch gönnen wir uns hier viele kleine kulinarische Highlights 🙂 🙂 🙂

 

Eine ganz spezielle und komischerweise hochinteressante Aufgabe ist „aus dem Fenster schauen“. Glaubt nicht, dass es einfach ist, die beste Position zu finden um möglichst lange ohne körperliche Beschwerden gucken zu können!!! Und dann noch die richtigen Momente zu erwischen… nämlich genau die 10% Streckenabschnitt, wo kein Birkenwald ist… das ist schon hohe Kunst und muss trainiert werden! 😉 Zumindest hat eine von uns exzellente voyeuristische Veranlagungen und wird in 40 Jahren eine richtig gute Spionage – Omi am Fensterbrett werden 🙂

Bei besonders großem Bewegungsdrang können wir unseren Radius auch erweitern und zum Beispiel in den Speisewagen gehen. Dazu benötigt es allerdings etwas Überwindung, wie wir feststellten… denn dieser Weg führt uns von unserem gut duftenden Zwei-Bett-Waggon über den schon strenger riechenden Vier-Bett-Wagen und dem pumakäfig-artigem Großraumschlafwagen in eine muffige Mitropa-Kantine! Zwischen den Waggons läuft man zudem Gefahr ins Gleis zu fallen. Da gehört schon Mut dazu… naja, es muss auch Wege geben, die man kein zweites Mal gehen will 🙂

Die Zeit der großen Saufgelage in den Zügen ist mittlerweile auch vorbei. Alkoholkonsum in den Waggons ist verboten. Wer erwischt wird, kann sich nur durch Bestechungsgelder oder Beischlaf mit der Schaffnerin retten 🙂 Auch wir bewegen uns mit der Mitnahme einer kleinen Flasche Wodka am äußersten Rande der Legalität 🙂 🙂 🙂 Aber außergewöhnliche Situationen erfordern schließlich außergewöhnliche Maßnahmen! Prost! …oder wie sagt man hier: Sa Sdarówje! 

Wenn der Zug länger als 10 Minuten hält, was ein- bis zweimal pro Tag vorkommt, kann man sich auch die Beine auf dem Bahnsteig vertreten und shoppen gehen 🙂 Da die Babuschkas im Kiosk wissen, dass die Touristen alle Geld mitbringen, zahlt man hier gern das drei- bis vierfache und bekommt auch kein Wechselgeld zurück. Die Preise sind wahrscheinlich tagesform- und wetterabhängig. Und trotzdem ist alles noch verhältnismäßig günstig… Wir geben es gern, bei unseren durchschnittlichen Ausgaben von 5 Euro pro Tag 🙂 

 

Wenn man Glück hat und der Bahnsteig lang genug ist (die transsibirischen Züge sind mitunter einen halben Kilometer lang), kann man einen Blick auf die Lok erhaschen, welche den monströsen Zug tausende Kilometer durch das Land zieht… das ist schon irgendwie verrückt.

Kein Wunder, das der Lokführer bei den Entfernungen sein Haustier mitbringt 🙂

Der Großteil der Strecke Moskau – Irkutsk verläuft durch Sibirien. Dieser Teil Russlands umfasst ungefähr 75% des gesamten Landes zwischen dem Uralgebirge und der Küste des Pazifischen Ozeans. Mit rund 16 Millionen Quadratkilometern ist Sibirien größer als Europa. Allerdings leben auf dieser Fläche nur etwa 37 Millionen Einwohner, wovon sich der Großteil auf die Städte links und rechts des Streckenverlaufs der Transsibirischen Eisenbahn konzentriert. Omsk, Novosibirsk, Krasnojarsk und Irkutsk gehören hier zu den wichtigsten Anlaufpunkten.

 Quelle: go-east.de

Im Übrigen herrscht hier in Sibirien tatsächlich weniger menschlich-russische Kälte als in Moskau! Die Leute wirken freundlicher und können auch lächeln… Wenn selbst der Schaffner Handküsse verteilt und eine von uns mit „my love“ begrüßt, scheint das Eis zwischen uns und den Russen langsam zu schmelzen 😉 …läuft also mit dem Ausräumen der Vorurteile 😉